Bundesverfassungsgericht genehmigt DNA-Analysen

Speichelproben für den Staat

Seit letzter Woche ist es amtlich: Die Erfassung und Speicherung der DNA-Identifikationsmuster von Strafgefangenen in der zentralen Gendatei beim Bundeskriminalamt ist rechtens. Das Urteil der Karlsruher RichterInnen setzt den gesellschaftlichen Konsens konsequent um. Demnach ist eine polizeiliche Gendatei nicht nur zulässig, sondern unentbehrlich. Über 80000 Datensätze haben die BKA-Kriminalisten seit der Einführung des Archivs 1998 schon gespeichert.

Entsprechend fröhlich fallen auch die Reaktionen auf das Urteil aus. Polizeisprecher freuen sich über die neue Rechtssicherheit und nehmen den Ausbau ihrer Analysekapazitäten in Angriff. Datenschützer wiederum finden es prima, dass die VerfassungsrichterInnen das Recht der Strafgefangenen auf eine Einzelfallprüfung betont haben. Unter den gegebenen Umständen ist das tatsächlich ein Gewinn, zitierten RichterInnen in der Praxis doch meist wörtlich aus dem Gesetz, um die Anordnung der DNA-Analyse und die Speicherung des DNA-Identifikationsmusters zu begründen. Die Folge war, dass faktisch jedem Antrag einer Staatsanwaltschaft stattgegeben wurde.

Viel gravierender jedoch ist das Kleingedruckte, so etwa der Umgang mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Zwar betonen die Karlsruher RichterInnen, dass DNA-Analyse und Speicherung des genetischen Fingerabdrucks einen schwerwiegenden Eingriff in dieses Recht darstellen. Aber sie bewerten in ihrer Urteilsbegründung die so genannte Strafrechtspflege ausdrücklich höher. Sinn und Zweck sei es eben nicht, Straftaten zu verhindern, sondern in künftigen Ermittlungs- und Strafverfahren auf die Daten und ihre Identifikationspotenziale zurückgreifen zu können.

Da es um Straftaten von erheblicher Bedeutung gehe, so die Message aus Karlsruhe, dürfe das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt werden. Verbrecher sind eben Verbrecher, zumal wenn sie ihre Taten wiederholen. Das Urteil besiegelt so die Konstruktion des unverbesserlichen Kriminellen, des Gewohnheitsverbrechers, der nur eingeschränkte Rechte besitzt, weil er sich der gesellschaftlichen Anpassung wiederholt verweigert hat.

Darüber hinaus macht es deutlich, wie bereitwillig polizeiliche Begehrlichkeiten mittlerweile akzeptiert werden. Die hohe Trefferquote, die das BKA dieser Tage in die Welt posaunt, macht offensichtlich blind für die ungeklärten Fragen rund um die Technologie selbst. In dem Urteil wird der genetische Fingerabdruck mit der Speicherung von echten Fingerabdrücken gleichgesetzt; er berühre nicht den »absolut geschützten Kernbereich der Persönlichkeit«, da ja nur der so genannte nicht kodierende Bereich der DNA untersucht würde. Der Schluss auf Persönlichkeitsmerkmale sei nicht möglich. Wer's glaubt ...

Beiläufig hat das Verfassungsgericht den Begriff einer »Straftat von erheblicher Bedeutung« definiert. Eine solche Straftat muss »mindestens der mittleren Kriminalität« zuzurechnen sein, »den Rechtsfrieden empfindlich stören und dazu geeignet sein, das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen«. Wie vielseitig verwendbar diese Definition ist, demonstriert momentan die Essener Stadtverwaltung. Sie erzwingt bei Flüchtlingsfamilien unter Polizeieinsatz die Entnahme von Körperzellen zur Feststellung von Verwandtschaftsbeziehungen.

Denn die Ausländerbehörde verdächtigt eine Reihe von Flüchtlingen, eine falsche Nationalität angegeben zu haben und hat sie wegen Betrugs angezeigt. Nach dem DNA-Identifizierungsgesetz darf unter der Voraussetzung, dass es sich um eine Straftat von erheblicher Bedeutung handelt, auch bei Beschuldigten eine DNA-Analyse gemacht werden.