See You Later, Terminator

Im Trikont wächst die Abhängigkeit der bäuerlichen Bevölkerung von den Metropolen-Konzernen parallel zur Entwicklung der gentechnisch modifizierten Landwirtschaft.

Brasiliens Regierung hat unerwünschte Unterstützung bekommen. Hatte sie selbst noch in der Anbausaison 1999/2000 Felder mit gentechnisch manipuliertem Soja vernichten lassen, so waren es jetzt einheimische Landlose und der französische Bauernaktivist José Bové, die gemeinsam Hand anlegten. Das geschah anlässlich ihrer Teilnahme am Weltsozialforum in Porto Alegre.

Wie der gesamte Bundesstaat Rio Grande do Sul wird Porto Alegre von der linken Arbeiterpartei PT regiert, die im Kampf gegen gentechnische Sojaproduktion in Brasiliens Süden eine ungewöhnliche Allianz anführt. Nicht nur die Landlosen und Kleinstbauern der MST stehen hinter ihr, sondern auch die meisten der für den Weltmarkt produzierenden Sojaproduzenten des Bundesstaates. Die linke Regierungspartei, BasisaktivistInnen und Soja produzierende Großgrundbesitzer verbindet das Ziel, den Bundesstaat von der Gentechnik freizuhalten. Während es aber den einen um ihren Platz auf dem Weltmarkt geht - in Europa und in Japan herrscht eine große Nachfrage nach garantiert natürlichem Soja - und sie unter anderen Marktbedingungen auch nicht unbedingt etwas gegen Gentechnik hätten, geht es für die anderen um die Existenz.

Keineswegs sollten die der Gentechnik eigenen Gefahren unterschätzt werden: die Auskreuzung von manipulierten Eigenschaften auf Wildpflanzen, die Resistenzentwicklung bei Schädlingen, der Übergang manipulierter Merkmale auf Bodenbakterien sowie die Entstehung gänzlich unerwarteter Eigenschaften sind längst nachgewiesen. Aber dass »die techniktranszendenten Gefahren (wirtschaftliche, soziale, kulturelle Bedingungen) wichtiger als die technikimmanenten« sind, erkannte bereits 1994 das Technikfolgenabschätzungsbüro des Deutschen Bundestages in einem Gutachten über die speziellen Auswirkungen gentechnischer Nahrungsmittelproduktion auf Bäuerinnen und Bauern im Süden.

Die erste und wichtigste dieser Gefahren: Gentechnik ist mit Geld verbunden, gewöhnlich mit sehr viel Geld. Die Herstellung einer genmanipulierten Sorte ist teuer, sie muss ihre Kosten wieder einbringen und möglichst satte Gewinne dazu. So sind alle kommerziell angebotenen Gen-Pflanzen für den großflächigen Anbau vorgesehen und völlig ungeeignet für uneinheitliche Böden und schwierige Wachstumsbedingungen. Selbst wenn kleine oder mittlere Bauern das Geld hätten, um das Saatgut zu kaufen, verschlänge die Produktion so viel, dass sie nur für den Markt sinnvoll ist. Studien kommen zu dem Ergebnis, dass nach mehreren Anbauzyklen die arme Landbevölkerung ärmer, die mittlere nicht wohlhabender und lediglich die reiche reicher wird.

Das entspricht den Erfahrungen mit der so genannten Grünen Revolution, also der Einführung von Hochertragssorten in der Landwirtschaft des Südens. Gen-Saaten verstärken diesen Effekt, da es hierbei um deutlich höhere Summen geht.

Selbst dort, wo nur minimale Beträge im Spiel sind, ist das Ergebnis dasselbe: Internationale Agrarforschungszentren stellen biotechnologisch bearbeitetes Saatgut von finanziell weniger interessanten Nahrungspflanzen her und geben es günstig ab. Damit erreichen sie in erster Linie Männer, die für den Verkauf auf den Märkten produzieren. Frauen waren traditionell für die Aufbewahrung des Saatgutes wie des Wissens um seine Handhabung zuständig. Jetzt »helfen sie mit« und werden zunehmend von den gemeinsamen Feldern verdrängt. Ihr Können und ihre Sorten, mit denen lokal angepasste Landwirtschaft ohne Geldeinsatz möglich war, gehen verloren.

Selbst wo die zerstörerische Wirkung der Geld- und Marktkreisläufe erkannt wurde, ist die Rückkehr zu früheren Zuständen oft nicht möglich - unabhängig von der Frage, wie erstrebenswert eine kleinbäuerliche Subsistenzlandwirtschaft sein mag. Schulden und eingegangene Verträge binden, reale Alternativen stehen oft nicht zur Verfügung.

So wachsen die Flächen, auf denen (Welt-) Marktproduktion stattfindet, und insbesondere die mit GenTech-Produkten: Allein Monsanto dehnte seinen Anbau im vergangenen Jahr nochmals um zehn Prozent aus, obwohl wegen des weltweiten Widerstands gegen Gensoja und -mais ein Rückgang erwartet worden war.

Die Konzerne streben aber auch nach politisch-rechtlicher und technologischer Kontrolle. Juristisch benötigen und erhalten sie großzügig staatliche Hilfe. So wurde nicht nur in den USA gesetzlich verboten, genmanipulierte und konventionelle Sorten bis zum Verkauf zu trennen und zu kennzeichnen.

Bereits im Rahmen der WTO-Verhandlungen hatten sich die Staaten verpflichtet, zum Schutz geistigen Eigentums nationale Regelungen zu schaffen oder internationale zu übernehmen. Das sind häufig Patentrechte. Aber auch internationale Sortenschutzvereinbarungen hebeln das traditionelle Recht der BäuerInnen aus, ihre eigene Ernte erneut auszusäen. Sie müssen dafür Lizenzgebühren zahlen.

In der internationalen Diskussion gelten pflanzengenetische Ressourcen als gemeinsames Erbe der Menschheit. Das klingt gut - abgesehen davon, dass es einiger marktwirtschaftlicher Deformation bedarf, bis aus realen Pflanzen »genetische Ressourcen« geworden sind -, es bedeutet jedoch zuallererst: Jede und jeder hat ein Zugriffsrecht. Was mir und dir nichts nützt, den großen Konzernen aber doch. Und die lokalen Communities, die über Jahrhunderte die Arbeit geleistet und das Wissen produziert haben, gehen leer aus.

Zwar gesteht ihnen ein Übereinkommen einen »fairen Gewinnanteil« zu, aber der steht bisher nur auf dem Papier. Das Material ist also kostenlos verfügbar und wird dann nicht selten in den kapitalistischen Ländern genetisch beschrieben und patentiert, sodass die ursprünglichen ProduzentInnen Lizenzgebühren zahlen müssten - meist weigern sie sich, gelegentlich gewinnen sie sogar einen Prozess.

Da also auch auf die Justiz nicht hundertprozentig Verlass ist, suchen die Konzerne technische Lösungen. Schon viele ältere Hochertragssorten waren nur bedingt keimfähig (hybrid) und brachten nur minimale Nachbauerträge. Heute ist es gelungen, die Keimfähigkeit einiger Sorten mit gentechnischen Mitteln ganz auszuschalten, man spricht dabei von der Terminator-Technologie. Novartis hat das Patent auf eine Methode, das gesamte Immunsystem fast aller Nutzpflanzen gezielt auszuschalten und erst bei Bedarf mit einem eigenen Produkt wieder zu aktivieren. So wird sogar die aktuelle Pflanzenpopulation auf dem Acker vom Konzern abhängig.

Ob diese Methode bald zur Anwendung kommt, ist unklar. Monsanto hat sein Terminator-Saatgut angesichts heftiger Proteste zunächst einmal aus dem Handel genommen. Und überall auf der Welt regt sich Widerstand - höchst unterschiedlich in Anliegen und Form, widersprüchlich in den Interessen, teilweise antikapitalistisch, teilweise »nur« um bessere Bedingungen bemüht.

Oft spielen dabei Gesundheits- und VerbraucherInnenargumente eine wichtige Rolle, etwa dasjenige, dass die Veränderungen nur den Firmen nützen: Auf über 90 Prozent der Flächen mit genetisch modifizierten Pflanzen wachsen solche, die Unkrautvernichtungsmittel oder Insektengift tolerieren oder Antibiotika enthalten. Niemand weiß, ob die Proteste abflauten, wenn das Zeug besser schmeckte, schöner aussähe, »gesund« wäre oder schlank machte - an all dem wird gearbeitet.

Aber weltweit wehren sich auch und gerade Kleinbäuerinnen und -bauern. Der internationale Verband Via Campesina, zu dem auch die brasilianische MST und Bovés französische Organisation gehören, sieht den liberalen Welthandel, die Landbesitzverhältnisse, die kapitalistische Agrarpolitik und die Gentechnik als einen einzigen, zu bekämpfenden Zusammenhang.

Indische Bäuerinnen und Bauern fackeln schon mal GenTech-Felder ab. In Bangladesch gingen im vergangenen Jahr hunderttausend Kleinbäuerinnen und -bauern auf die Straße. In Großbritannien weigerten sich Bauern massenhaft, Felder für Freisetzungsversuche zur Verfügung zu stellen. Die philippinische Bauernorganisation KMP verlangt ein Freisetzungsmoratorium, und pakistanische Frauenorganisationen kämpfen gegen die WTO und für den Erhalt bäuerlicher Betriebe. Aber lässt sich der - gentechnisch gestützte - Kapitalismus wirklich von den »Dörfern« im Trikont einkreisen? Oder müsste nicht erst im »Herzen der Bestie« etwas geschehen?