Prozess gegen 'Unabhängige Nachrichten'

Hetze per Post

Die Unabhängigen Nachrichten verschicken eifrig Propaganda, gerne auch an Schülerzeitungen. Jetzt hat die Staatsanwaltschaft Mainz Anklage erhoben.

Gratis zieht immer. An diese Strategie glauben die Macher der rechtsextremen Unabhängigen Nachrichten (UN). Seit Jahren schon bemüht sich das Blatt um neue Zielgruppen. Besonders auf Schüler haben es die Kameraden abgesehen. So haben die UN erst kürzlich Propagandamaterial an bayerische Schülerzeitungen geschickt.

Doch die Redaktionen waren alles andere als begeistert von dem Angebot, das ihnen Mitte Januar per Post unterbreitet wurde. Die Schüler könnten die UN ein Jahr lang kostenlos beziehen, dafür bräuchten sie bloß eine Werbeanzeige für die Homepage des Blattes zu drucken: »Die Meinungsfreiheit muß man schützen gegen die, die oben sitzen! Ihr Klick gegen die MEDIENDIKTATUR«. Das Begleitschreiben suggeriert, bei der rechten Propaganda handle es sich um kritische Informationen, die von einem korrupten Politik- und Medienkartell unterdrückt würden. In den Pamphleten, die zum Nachdruck empfohlen werden, wird über die öffentliche Debatte um die extreme Rechte gejammert und die Repression gegen Nazis als Gefahr für den Rechtsstaat bezeichnet.

Auch die UN-Sonderdrucke »Auf dem Stundenplan - Ersatzblatt für fehlende oder verfälschte Schulbücher« werden den Schülern nahe gelegt. Darin finden sich unter anderem falsche Darstellungen der deutschen Politik während der Weltkriege. Diese geschichtsrevisionistische Serie ist ausdrücklich als »Beiblatt für Schülerzeitungen« konzipiert. Das passt bestens ins Konzept der Blattes. So fordern die Macher der UN auch ihre Stammleser immer wieder zur Weiterverbreitung einzelner Artikel auf.

Das Naziblatt erscheint seit 1969 als Nachrichtendienst und Mitteilungsblatt unabhängiger Freundeskreise (UFK). Die neonazistischen Freundeskreise bestehen im Wesentlichen aus altgedienten Nazi-Kadern, deren Spuren sich bis zur 1952 verbotenen Sozialistischen Reichspartei zurückverfolgen lassen. Druck und Vertrieb der UN besorgt der Verlag+Agentur Werner Symanek (VAWS), der inzwischen offiziell in Duisburg ansässig ist, vermutlich aber im Raum Mülheim/Oberhausen arbeitet. Er vertreibt rechtsextreme Propagandaschriften und vermarktet Dark-Wave-Bands, wie z.B. Forthcoming Fire um Josef Klumb, der sich mehrfach erfolglos vor Gericht dagegen gewehrt hat, ein Antisemit genannt zu werden, und der zeitweise Mitarbeiter des VAWS war.

Inzwischen sind die Behörden auf dieses Treiben aufmerksam geworden. Die Staatsanwaltschaft Mainz hat nach jahrelangen Ermittlungen Anklage gegen Verantwortliche und Mitarbeiter der UN und VAWS wegen Volksverhetzung und Aufstachelung zum Rassenhass erhoben. Die Klage wurde beim Amtsgericht in Bingen eingereicht, wo der VAWS und die UN vor einigen Jahren über eine gemeinsame Anschrift verfügten. Nach Angaben des Gerichts wird derzeit das vorliegende Material geprüft, um zu entscheiden, ob die Anklage gegen Symanek und fünf weitere Personen angenommen wird.

Juristisch vertreten wird Symanek von dem Mainzer Anwalt Christoph Schallert, der bereits mehrfach extreme Rechte vor Gericht verteidigt hat. Schallert trat kürzlich als Referent bei einer Veranstaltung des Kriminologischen Forums der Uni Mainz zum Thema »Was tun mit ðrechtenÐ Tätern?«, neben einem Kriminalhauptkommissar, einem Oberstaatsanwalt und einem Lehrer aus der JVA-Schifferstadt auf. Moderiert wurde die Veranstaltung, in deren Titel das Wort »rechts« in Anführungszeichen stand, von Schallerts ehemaligem Chef, dem Kriminologen Michael Bock vom Fachbereich Jura der Uni Mainz.

In seinem Vortrag mit dem Titel »ðRechtsÐ zu sein, ist auch ein Recht« plädierte Schallert für die Abschaffung des Paragrafen 130 StGB (Volksverhetzung) sowie der Paragrafen 86 und 86a (Verbreitung von Propagandamitteln, Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen). Diese hält er für »überflüssig« und »undemokratisch«, da sie gegen Gesinnungen gerichtet seien; auch sei das »Recht der Rechten auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit gefährdet«. Schallert ließ es sich nicht nehmen, seine heutige Tätigkeit als Verteidiger von Rechtsextremen mit der Verteidigung von Juden im Nationalsozialismus zu vergleichen.

Bei derartigem außergerichtlichem Engagement für seine volksverhetzende Klientel liegt die Vermutung nahe, dass er seinem Job mit Passion nachgeht. Erhärtet wird dieser Verdacht beim Blick auf Schallerts außerberufliche Aktivitäten.

So ist er offizieller Ansprechpartner der 1974 gegründeten, in Mainz ansässigen Wolfgang-Philipp-Gesellschaft (WPG). Die WPG orientiert sich an den Glaubenssätzen des 1969 verstorbenen Theologen Wolfgang Philipp. »Wir helfen Menschen, in einer Welt mit unübersehbar vielen Meinungen, Ideologien und Heilslehren Maßstäbe für ihr Leben und ihr gesellschaftliches Handeln zu finden und von religiösen, politischen oder sonstigen ideologischen Verblendungen (...) zu unterscheiden«, heißt es in einer Selbstdarstellung.

Im folgenden Absatz entpuppen sich die Maßstäbe der WPG selbst als religiös angereicherte politische Ideologie, nämlich als Variante des neurechten »Ethnopluralismus«. »Wir setzen uns ein für die Vielfalt der Völker, Kulturen und Sprachen, der Pflanzen und Tierwelt. Und wir machen deutlich, was hinter Ideologien, die sich als ðmenschlichÐ und ðfortschrittlichÐ tarnen, wirklich steckt. Dass z.B. ðmultikulturelle GesellschaftÐ und das ðEine-Welt-StrebenÐ in Wirklichkeit oft mit der Vernichtung von Völkern und Kulturen einhergeht, die zur guten Schöpfung Gottes gehören.«

Es wundert kaum, dass die WPG ein »Seminar an drei Wochenenden für junge Mitstreiter in der Deutschlandbewegung« von Alfred Mechtersheimer mit dem Titel »Wirksam arbeiten für Deutschland« veranstaltet hat. Oder dass Schallert mit mehreren Mitgliedern der WPG regelmäßig an Horst Mahlers Frankfurter Montagsdemonstrationen teilgenommen hat, wie lokale Antifa-Gruppen berichten. Ob das »Trinitarische Ganzheitsdenken«, die Spezialität der WPG, zur Wunderwaffe im Kampf der extremen Rechten um die Dreifaltigkeit von Volk, Nation und Staat wird, hängt von den Kameraden ab.