Aussteigerprogramm für Rechtsextreme

Unsere Kinder

Wenn in Deutschland etwas beschlossen wird und fast alle es gut finden, sollte man aufhorchen. Von der SPD, deren Bundes-Schily es ausgeheckt hat, über die CDU und die FDP bis hin zur Polizeigewerkschaft können viele dem so genannten Aussteigerprogramm für Neonazis etwas abgewinnen. Besonders witzig ist, dass ausgerechnet der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft die Zerstörung von »Männerfreundschaften« als wichtiges Ziel benennt.

Die Bemerkung des thüringischen Ministerpräsidenten Bernhard Vogel (CDU), die Subvention des Ausstiegs befördere auch den Einstieg, blieb einer der wenigen skeptischen Sätze. Er steht allerdings im Kontext einer strukturellen Verharmlosung des Rechtsextremismus durch Vogel. Ob der Verfassungsschutz (VS), der das Programm durchführen soll, tatsächlich so blöd ist, sich wie ein provinzielles Sozialamt in den Siebzigern bescheißen zu lassen, wird sich zeigen.

Die Erfahrungen, die ehemalige militante Linke mit VSlern gemacht haben, sprechen nicht dafür. Aber links ist nicht rechts, wie nicht zuletzt die Staatsschutzbehörden immer wieder bewiesen haben. Der Unterschied zwischen den Ausstiegsangeboten des Kölner Verfassungsschützers Hans Benz an ehemalige militante Linke und dem aktuellen Programm für Neonazis, die letzte Woche oft in einem Atemzug genannt worden sind, ist unübersehbar. In den achtziger und neunziger Jahren handelte es sich um eine VS-Spezialofferte, nachdem der Staat ein monströses Repressionsunternehmen gegen die 68er-Bewegung geführt hatte, das Notstandgesetzgebung, Rasterfahndung und putative Notwehr einschloss. Die aktuelle Maßnahme erweckt eher den Eindruck, es solle unseren vom rechten Wege abgekommenen Jungs noch mal eine Chance gegeben werden. Solange die Opfer der Nazi-Angriffe selbst Gegenstand gesellschaftlicher Feinderklärungen sind, bedarf es jedenfalls einiger Vermittlungsleistung, um den Rassismus jugendlicher Neonazis als fundamentalen Angriff auf die FDGO darzustellen.

Als Kritik am Programm bekommt man allenfalls den Einwand zu hören, nun werde es auch noch belohnt, Neonazi gewesen zu sein. Aber das ist nun mal die Logik eines Aussteigerprogramms: Es richtet sich an Leute, die erst einmal etwas sein müssen, damit sie es nachher nicht mehr sind.

Kritikwürdig ist stattdessen, dass Lehrstellenprogramme für Glatzen das Heitmeyersche Ideologem bestätigen, nach dem Neonazi-Sein in unmittelbarem Zusammenhang mit Arbeitslosigkeit und sozialer Deklassierung stehe. Anstatt sich populistisch über irgendwelche Summen zu empören, die an Nazis verschenkt würden, geht es darum, das Programm als Teil einer Zuckerbrot-und-Peitsche-Taktik zu begreifen. Das NPD-Verbot, von dem die Staatsapparate wissen, dass es nur symbolischen Wert hat, gehorcht der Logik der harten Linie, während das Aussteigerprogramm ein Zuckerstück für rechte Kader werden soll. Letztlich dient das Ganze der Zerschlagung von Neonazi-Organisationen und nicht der Bekämpfung des Rassismus. Einziges Erfolgskriterium ist denn auch der Austritt aus dem jeweiligen Naziverein. Kein Wunder, dass Schily sich davor hütet, Kriterien dafür zu bestimmen, ab wann jemand kein Rassist mehr ist.

Die jetzt im Kontext des Aussteigerprogramms abgezogene Es-sind-doch-unsere-Kinder-Verständnis-Nummer zeigt, dass »Ansprache und Hilfe« (LKA Stuttgart) in der BRD nur einer Seite zugedacht werden. Die Opfer rassistischer Angriffe werden jedenfalls nicht unterstützt. Das etwas andere Aussteigerprogramm, das der vietnamesische Jugendliche Thung letzten Dezember im sächsischen Bernsdorf veranstaltete, als er zwei Nazi-Skins niederstach, die den Imbissstand seiner Familie angegriffen hatten, passt nicht ins Konzept. Selbstorganisation oder auch nur Selbstverteidigung sind nicht erwünscht, daher sitzt Thung in U-Haft. Ihm soll der Prozess gemacht werden - vermutlich wegen Totschlags und gefährlicher Körperverletzung. Und danach droht ihm die Abschiebung.