Keine staatlichen Gelder für den Vlaams Blok

Gefüllte Kriegskasse

Bürgerliche Politiker in Belgien wollen den Vlaams Blok finanziell ruinieren - mit unsicheren Erfolgsaussichten.

Verbieten oder mit Argumenten bekämpfen? In Deutschland kommt einem diese Debatte um eine neofaschistische Partei bekannt vor. Auch in Belgien wird zur Zeit heftig debattiert; hier geht es um den rechtsextremen Vlaams Blok (VB).

Ein Verbot der flämischen Rechtspartei fordern indes nur aktive Antifaschisten. So setzt sich Willy van Hecke, der Vorsitzende der Antifaschistischen Front, für ein Gesetz nach niederländischem Vorbild ein, das »barbarische Parteien« verböte. »Wenn man sich die Wurzeln des Vlaams Blok genau anschaut, kann man nur zu dem Schluss kommen, dass er in der Kontinuität der Nazi-Ideologie steht.«

Der Blok versucht sich, ebenso wie Jörg Haiders FPÖ, an einer Mischung aus ultrarechter Programmatik und respektablem Auftreten. In Antwerpen, wo der demagogisch begabte Filip De Winter die Partei führt, hat ihm diese Mischung ein Drittel der Wählerstimmen eingebracht; mit rund 15 Prozent Stimmenanteil ist der VB in den flämischsprachigen Landesteilen die drittstärkste Partei.

Dabei macht er aus seiner programmatischen Deckungsgleichheit mit Alt- und Neonazis keinen Hehl. In einer Sonderausgabe der Parteizeitschrift Vlaams Blok Magazine zum 75. Geburtstag des VB-Gründers Karel Dillen tauchen so prominente Gastautoren auf wie der rechtsextreme Party Hopper Harald Neubauer (Ex-NSDAP/AO, Ex-DVU, Ex-NPD, Ex-Rep, jetzt Deutsche Liga) oder der Altnazi und NPD-Gründer Adolf von Thadden. Aus Belgien gratulierten unter anderem der Holocaust-Leugner Maurice Bardèche und eine ganze Riege ehemaliger Nazi-Kollaborateure.

Es ist in Belgien freilich nicht verboten, sich von Alt-Nazis Elogen in der Parteizeitung schreiben zu lassen. Verboten ist es dagegen seit dem 23. März 1995, den Holocaust »zu leugnen, ihn klein zu reden, zu legitimieren oder in Frage zu stellen«. Doch genau das hat Roeland Raes, auch er ein alter Kamerad Dillens, Ende Februar getan. In einer Talkshow des niederländischen Fernsehens sagte er, die Verbrechen der Nazis würden »stark übertrieben« dargestellt.

Raes war kein Niemand in der Blok-Hierarchie, sondern stellvertretender Parteivorsitzender, Mitglied im belgischen Senat - der Zweiten Kammer des Landesparlaments - und im Verwaltungsrat der Universität Gent. Besonders unangenehm war sein bedachtes oder unbedachtes Gerede für die Parteioberen deshalb, weil das belgische Parlament vor zwei Jahren ein Gesetz verabschiedet hat, nach dem Parteien von der Parteienförderung ausgeschlossen werden können, die »auf offenkundige und zusammenhängende Weise ihre feindselige Einstellung gegenüber den Menschenrechten erkennen lassen«. Dass dies auf den VB zutrifft, beweisen spätestens Raes' Äußerungen, meint Elio Di Rupo, der Vorsitzende der französischsprachigen sozialdemokratischen PS.

Anfang März kündigte Di Rupo an, »den Mechanismus in Gang zu setzen, mit dem dem Blok die staatliche Förderung entzogen werden kann«. Dafür braucht es zunächst die Unterstützung von mindestens fünf Mitgliedern der für solche Fälle zuständigen Parlamentarischen Kontrollkommission. Da die PS selbst drei Mitglieder des Gremiums stellt und drei weitere Parteien ihre Unterstützung signalisierten, war das kein Problem.

Problematisch für das stets auf sprachlichen Proporz bedachte offizielle Belgien war es dagegen, dass unter den Unterstützern für die Mittelkürzung kein einziger flämischsprachiger Abgeordneter war. Nicht etwa, weil man irgendwelche Sympathien für den VB habe, beeilte sich Patrick Janssens, der Chef des sozialdemokratischen SP, des flämischen Pendants der PS, zu betonen. Vielmehr befürchtet er, dass der Versuch vor Gericht scheitern könnte und der Blok dann gestärkt dastünde. »In Flandern, wo wir uns direkt mit dem Blok auseinanderzusetzen haben, sind wir da sensibler.«

Tatsächlich könnte das belgische Verfassungsgericht einen Mittelentzug kassieren, selbst wenn er das Parlament passieren sollte. Immerhin kann der Blok darauf verweisen, dass Raes umgehend gedrängt wurde, sämtliche Ämter niederzulegen, was er als treuer Parteisoldat auch tat. »Wenn die Sache schief läuft«, warnt der liberale Parlamentspräsident Herman de Croo, »könnte der erste Versuch der letzte gewesen sein.« Und Jef Tavernier, Fraktionsvorsitzender der Grünen, wirft Di Rupo vor, sich als »Tarzan des Kampfes gegen den Rechtsextremismus« in Szene zu setzen, ohne die Folgen zu bedenken: »Alles, was den Blok nicht umbringt, macht ihn stark; das weiß jeder in Flandern.«

Zumindest, meinen die flämischen Politiker, hätte man den Ausgang eines derzeit laufenden Verfahrens abwarten sollen, in dem die Blok-Spitze wegen fortgesetzter Aufstachelung zum Rassenhass vor Gericht steht. Nach einer Verurteilung in diesem Verfahren, meint etwa de Croo, könnte man die Gelderkürzung viel leichter angehen. Immerhin habe der Oberste Gerichtshof schon signalisiert, dass »eine strafrechtliche Verurteilung ein äußerst wichtiges Indiz« wäre.

Die Frage ist freilich, was eine solche Maßnahme überhaupt brächte. Denn der VB ist eine außergewöhnlich wohlhabende Partei, deren Kriegskasse gut gefüllt sein dürfte. Für das aktuelle Jahr weist ihr Haushaltsentwurf bei einem Volumen von 165 Millionen Belgischen Franc (4,1 Millionen Euro) einen Überschuss von 110 Millionen Franc aus. Die gesamten staatlichen Zuwendungen belaufen sich auf lediglich 66,5 Millionen Franc.

Der Blok könnte also einige Jahre gut ohne staatliche Unterstützung durchhalten. Und dabei, so fürchten die Skeptiker, an politischem Kapital gewinnen, was ihm an finanzieller Zuwendung entgeht.

Die erfolgversprechendere Strategie wäre es, wenn Belgiens Politiker dem Blok nicht immer wieder durch das Aufgreifen einzelner seiner Programmpunkte Legitimität verschaffen würden. De Croos' VLD etwa hat im Januar angekündigt, den nächsten Wahlkampf im Jahr 2003 mit dem Thema Asyl zu führen - »mit Maßnahmen, die sich sowohl in die Parteilinie der VLD einfügen, als auch in das, was die Leute denken«, aber selbstverständlich »ohne sich dabei der extremen Rechten zuzuneigen«.