Alternative Lebensformen

Weltenretter unter sich

Sorrows hatte Berlin am vergangenen Donnerstag, als George Soros in die Stadt kam und die Koalition unter der Last eines riesigen Schuldenbergs endgültig zusammenkrachte, eigentlich genug. Offenbar war das der Grund, warum im ansonsten gut besuchten Ballsaal des Berliner Hotels Adlon ausgerechnet in der ersten Reihe viele Plätze frei geblieben waren; die Vips der Stadt waren verhindert. Was sie verpassten, war keine Buchpräsentation im üblichen Sinne, sondern großes Welttheater mit Soros in den Rollen des Globalisierungskritikers, Schriftstellers, Finanzgenies, Philosophen und Mäzens.

Der Autor, der ansonsten dem amerikanischen Kongress die Börsenwelt erklärt, der die Ukraine rettete, bevor sie überhaupt existierte, und als Staatsmann ohne Staat den Außenministern aller Länder zeigt, wo's lang geht, wurde weltberühmt, als er 1992 mit seinen Spekulationen das britische Pfund aus dem europäischen Währungssystem kickte. Auch die Währungskrisen in Asien und Russland förderte er nach Kräften.

Natürlich behelligte niemand den Gast mit den akuten lokalen Finanzproblemen oder belästigte ihn mit kritischen Fragen zu seinem Buch »Die offene Gesellschaft«, das, so jedenfalls Verleger Alexander Fest, bereits für einigen »Wirbel« gesorgt haben soll.

Immerhin muss Soros in seiner aktuellen Publikation die wesentliche Aussage seines 1998 veröffentlichten Buches »Die Krise des globalen Kapitalismus« korrigieren. Der prophezeite Zusammenbruch des Finanzmarkts hat einfach nicht stattgefunden. Umso mehr bedarf der globalisierte Kapitalismus jetzt einer klugen Politik. Weil er davon überzeugt ist, dass einer sehr reich sein muss, um die Armut bekämpfen zu können, empfiehlt er sich als Globalberater. So gibt Soros Tipps, wie der UN geholfen werden kann, Russland endlich wieder auf die Beine kommt und die internationalen Finanzmärkte zu zähmen sind. Wenn alle sich daran halten, entsteht die new world order.

Der neue Weltentwurf provozierte allerdings an diesem Abend auch eine skeptische Nachfrage. Ob es denn nicht etwas vermessen sei, wollte Frederick Kempe vom Wall Street Journal wissen, alle Probleme der Welt in nur einem Buch lösen zu wollen? Kempe, der gemeinsam mit Jan Roß von der Zeit das Gespräch mit Soros moderierte, gab sich mit der Gegenfrage zufrieden: Wer wolle die Welt denn nicht retten?

Unterdessen schlief Otto Graf Lambsdorff in der ersten Reihe und schreckte erst hoch, als Soros über die »Amoralität des Marktes« sprach. Lambsdorff, der diesen Satz irgendwie persönlich zu nehmen schien, ging erst dann wieder in Meditationsstellung, als er registrierte, dass der Redner nur den Kapitalismus, nicht aber die deutsche Wirtschaft gemeint hatte.

Besser amüsierte sich der Brandenburgische Innenminister Jörg Schönbohm, dem die kleine Kapitalschulung gerade recht zu kommen schien. Schließlich musste er anschließend ins Fernsehstudio eilen, um sich in der Talkshow »Berlin Mitte« mit Gregor Gysi und Christian Ströbele darüber zu streiten, wer Schuld hat an den Schulden der Stadt. Dabei legte sich der ehemalige Berliner Innensenator so ins Zeug, dass man den Eindruck hatte: Die Welt will dieser Mann nicht retten. Ihm genügt bereits Berlin.