Hausdurchsuchungen beim NPD-Anwalt Horst Mahler

Wirr ist das Volk

Die Hausdurchsuchungen bei Horst Mahler zeigen, dass der NPD-Anwalt selbst genug Gründe für ein Verbot seiner Partei liefern könnte.

Diese Internetpräsenz ist zur Zeit nicht erreichbar. Besuchen sie diese Seite zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal - Vielen Dank.« Seit dem bürgerlichen Anti-Nazi-Hype des vergangenen Sommers ist die Zahl der gesperrten Nazi-Homepages gestiegen. Die meisten braunen Seiten tauchen zwar an anderer Stelle wieder auf, doch was soll's: Schließlich hat man zumindest guten Willen bewiesen. Auch die Website des NPD-Anwalts Horst Mahler hat es erwischt. Aber nicht nur wegen rechtsextremer Inhalte sperrte der Provider die Seite des Neonazis im März dieses Jahres, sondern auch, weil Mahler eine Rechnung von rund 400 Mark nicht beglichen haben soll.

Noch langsamer als manch ein Internet-Provider ist die Justiz, wenn es um extreme Rechte geht. Am letzten Montag durchsuchte die Berliner Staatsanwaltschaft die Büroräume und die Wohnung von Horst Mahler sowie die NPD-Zentrale im Berliner Stadtteil Köpenick wegen des Verdachts der Volksverhetzung. Umfangreiches Beweismaterial wurde sichergestellt, die Beamten beschlagnahmten kistenweise Akten und mehrere Computer.

Zeitgleich zu den Durchsuchungen in Berlin fanden Polizeirazzien bei den einschlägig bekannten Rechtsextremen Uwe Meenen in Würzburg und Reinhold Oberlercher in Hamburg statt. Mahler und seinen beiden Gesinnungsgenossen wird zur Last gelegt, Internetseiten mit antisemitischen und ausländerfeindlichen Inhalten erstellt zu haben, sagte der Sprecher der Berliner Justiz, Sascha Daue.

»Dieser Mann hat jeglichen Bezug zur Demokratie verloren«, ließ ein Ermittler die Berliner Morgenpost nach den Durchsuchungen wissen; als ob der Antisemitismus und der Rassismus des RAF-Mitbegründers nicht früher schon hinreichend bekannt gewesen wären. Es mussten erst mehrere Anzeigen gegen Mahler erstattet werden, bevor die Staatsanwaltschaft mit den Ermittlungen begann. Seine früheren Texte seien »oft so wirr« gewesen, »dass sie strafrechtlich nicht einzuordnen sind«, sagte Daue. Jetzt aber sei die Grenze der Strafbarkeit überschritten.

Im Oktober publizierten Mahler, Meenen und Oberlercher im Internet ein Pamphlet mit dem Titel »Ausrufung des Aufstandes der Anständigen«. Darin fordern sie im Namen des Deutschen Kollegs unter anderem Ausnahmegerichte, standrechtliche Erschieß-ungen und die Einführung der Todesstrafe. Die Vereinigung Berliner Strafverteidiger schloss deswegen im Januar ihr langjähriges Mitglied Horst Mahler aus.

Man muss wohl nicht eigens betonen, dass die Hetzschrift vor Antisemitismus nur so strotzt. »Der Aufstand der Anständigen«, heißt es dort zum Beispiel, »wird derzeit von den Palästinensern gegen die Agenturen der jüdischen Macht organisiert.« Antisemitismus durchzieht Mahlers gesamte politische Biografie. So demonstrierte schon die RAF, die von Mahler mitgegründet wurde, einen strammen, als Antizionismus verkleideten Antisemitismus, der sich etwa in ihrer Haltung zu dem Attentat des Schwarzen September auf die israelische Nationalmannschaft bei den Olympischen Spielen 1972 in München zeigte.

Der Judenhass des Konvertiten Mahler hat sich seither noch verschärft. So fordert er in dem inkriminierten Text »das Verbot der jüdischen Gemeinden« in Deutschland. »Der Judaismus ist eine tödliche Gefahr für die Völker.« Wie er sich dieser »Gefahr« entledigen will, formulierte Mahler in seinem Vortrag »Endlösung der Judenfrage«, den er für die verbotene Konferenz »Revisionismus und Zionismus« verfasste, die im April im Libanon stattfinden sollte (Jungle World, 15/01): »Die praktische Seite der Kritik des Judaismus ist die nationale und soziale Revolution der Deutschen.«

Mahler, der die NPD im Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe verteidigt, behauptet nun, dass seine Texte zur Entspannung beitrügen und »ein einziger Aufruf zur Versöhnung« seien. Nach der Staatsschutzaktion hat er wieder einen Grund zu jammern. Der 68er-Renegat wittert eine Verschwörung: Auf den beschlagnahmten Computern hätten sich »hochsensible« Daten befunden, die für das Verbotsverfahren wichtig seien, nun seien seine »Verteidigerrechte irreparabel verletzt«. Mahler befürchtet »eine katastrophale Schwächung« der NPD in Karlsruhe.

Auch sein Anwaltskollege Hans Günter Eisenecker, der zweite Prozessbevollmächtigte der NPD, glaubt an solche wirren Verschwörungstheorien. Bei den Durchsuchungen sei es allein darum gegangen, »die Verteidigungsstrategie und (...) Beweismittel des NPD-Prozessvertreters auszuspähen bzw. die Möglichkeiten der Verteidigung (...) nachhaltig zu behindern«. Damit sei der »Grundsatz der Gewaltenteilung« »praktisch ausgehebelt« worden, glaubt Eisenecker, und »die Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens« sei gefährdet.

Dass die Staatsschutzaktion gegen Mahler zu einer Maßnahme umgedeutet wird, die allein dazu gedient habe, der NPD vor Gericht zu schaden, wundert kaum. Die Aussicht der Nazi-Partei auf einen für sie positiven Ausgang des Verfahrens ist gering, da greift man nach jedem Strohhalm, der sich bietet. So haben Mahler und die NPD vorige Woche einen Eilantrag gegen die Aktion beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gestellt. Der Zweite Senat entschied am Freitag, dass die beschlagnahmten Unterlagen und Computerdateien so lange versiegelt bleiben müssen, bis über den Eilantrag entschieden wird. Bis dahin darf das Material nicht von der Berliner Staatsanwaltschaft gesichtet werden. Die NPD hofft nun auf eine Aussetzung des gesamten Verbotsverfahrens. Denn an diesem Freitag endet die Frist für die Nazi-Partei, ihre Stellungnahme zum Verbotsantrag des Bundesrats einzureichen. Das könnte knapp werden.

Auch wenn das Gericht diesem Antrag entsprechen sollte, wird die Verzögerungstaktik der NPD nicht viel nützen. Nicht zuletzt Mahlers Aktivitäten werden sich schwerlich mit der vermeintlichen »demokratischen Legitimität« der NPD in Einklang bringen lassen, die sie vor dem Verfassungsgericht zu beweisen versucht. Am Ende wird es wohl der Verteidiger sein, der einen Gutteil der Gründe liefert, deretwegen die NPD schließlich verboten wird.