Alternative Lebensformen

Erst stürzen, dann kürzen

Mach Schluss mit Stuss, Mann! Meint Dussmann - Peter Dussmann, Einzelhandelsunternehmer. Und meinte damit den Senat unter Berlins ehemaligem Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU). Gesagt, getan. Eine der ersten Amtshandlung des neuen SPD-Regierungschefs Klaus Wowereit: Er stoppte die Verlängerung der U-Bahnlinie 5, der so genannten Kanzler-U-Bahn, mit der Friedrichshainer Ex-Hausbesetzer ohne Umsteigen zum neuen Zentralbahnhof hätten fahren können.

Das aber wollte Dussmann nicht, denn er ist weder Kanzler noch Ex-Hausbesetzer. Und wozu braucht der Dienstleistungsunternehmer schon eine verlängerte U 5, die vom Roten Rathaus zum Kanzleramt führen würde. Macht man eben eine coole Techno-Location aus den bereits fertigen Tunnelröhren. Mit dem besten Underground-Sound.

Der Witz ist: Die U-Bahn braucht kein Mensch, aber sie schadet in Berlin niemandem, weil der Bund das leicht größenwahnsinnige Projekt fast komplett bezahlen würde. Fast niemandem, denn Dussmann stört sie doch. Denn der Unternehmer, der Zeit seines Lebens gegen die »Servicewüste Deutschland« kämpfte, betreibt an der Friedrichstraße ein so genanntes Kulturkaufhaus.

Hier kann man bis 22 Uhr allerlei Bücher, CDs oder sonstige leicht gefundene Geburtstagsgeschenke erstehen, weil die Verkäufer und Verkäuferinnen zu leitenden Angestellten ernannt wurden. So umgeht der findige Unternehmer das Ladenschlussgesetz. Findig war Dussmann auch beim Thema U 5. Ihn nervt nämlich nicht die gelbe, ratternde U-Bahn, sondern die Riesen-Baustelle, die sich dann jahrelang in Nähe seines Kulturkaufhauses befinden würde. Klar: Große Bagger, viel Krach - keine Muße zum Lesen. Keine Kunden, kein Geschäft!

Das kann sich ein Geschäftsmann wie Dussmann nicht bieten lassen, und so organisierte er zusammen mit anderen honorigen Personen - und mit Hilfe von PDS, Grünen und FDP - ein Volksbegehren für Neuwahlen in der Haupstadt. Jetzt ist es überflüssig, weil es am 21. Oktober definitiv Neuwahlen geben wird.

Trotzdem offensichtlich ist Dussmanns Kalkül: Ist die CDU gestürzt, wird gleich an der U 5 gekürzt! Das war mit Bausenator Peter Strieder (SPD), einem erklärten Gegner der U-Bahnverlängerung, wohl auch so ausgehandelt. Schließlich haben sich der SPD-Mann und Dussmann schon vor längerer Zeit besser kennengelernt: Auf gemeinsamen Dienstflügen ins Ausland, für die der Kulturkaufhaus-Besitzer ganz selbstlos seinen Firmenjet abheben ließ. Strieders Rechtfertigung für die kreative Transportmittelbeschaffung: Das spart Geld.

Wie der Verzicht auf die U 5. Bleibt eine Frage: Wozu noch teure Neuwahlen durchführen?