Start der Fußball-Bundesliga

Woran denkst du?

»Und, wie haben sie gespielt?« Nach einer kurzen Bundesliga-Sommerpause zählt diese Frage nun wieder zu den Standards frühabendlicher Wochenendkommunikation. Aber es ist nicht wirklich das »wie«, nach dem gefragt wird. Spielverläufe und Spielweisen sind zweitrangig. Was zählt, sind die Ergebnisse. Zuerst natürlich das des eigenen Clubs.

Aber dessen Bewertung wird erst in einem komplexen System von Relationen möglich. Typischerweise folgt deshalb ein: »Und wie haben die anderen gespielt?« Erst unter Einbeziehung dieser Resultate, des Gesamtspielplans, Sym- und Antipathien, die während der Sozialisation erworben wurden, und der aktualisierten Tabelle lässt sich ein Spieltag abschließend bewerten. Dann hat man für einige Zeit Ruhe, aber spätestens am Freitag beginnt wieder das Abwägen verschiedener Konstellationen möglicher Spielausgänge und ihrer Auswirkungen auf die nächste Tabelle.

Nicht selten fühlen sich Männer von der klassischen Hetero-Beziehungs-Klärungs-Frage »Woran denkst du?« wohl deshalb so ertappt, weil die ehrlichste, aber niemals preisgegebene Antwort »An die Bundesligatabelle« lauten müsste. Und wenn sich da gerade nichts tut, dann findet sich sicherlich noch irgendeine andere Tabelle, die einer eingehenden Interpretation, zumindest aber der Beobachtung bedarf.

In Deutschland richtet sich das Interesse des Tabellen-Konsumenten zuallererst auf Fußball. Aufgewachsen mit dem legendären Kicker-Sonderheft, hat er in seinen Jugendjahren den darin abgedruckten Spielplan schon vor Saisonbeginn komplett mittels seines Tipp-Kick-Sets durchgespielt, die zu erwartenden Positionsverschiebungen in der »Ewigen Tabelle« errechnet und sich mit der tückischen Leimung der Kicker-Stecktabelle herumgeschlagen.

Über die Positionskämpfe der beiden Profi-Ligen ist er im Saisonverlauf immer auf dem neuesten Stand, und auch die zwei verbliebenen Regionalligatabellen lassen sich bequem im Kurzzeitgedächtnis unterbringen. Dazu kommen in der Regel noch die europäischen Top-Ligen. Und unter Einbeziehung der Uefa-Fünfjahreswertung lässt sich mit etwas Phantasie auch ein Zusammenhang zwischen dem Spitzenspiel der österreichischen Liga und dem weiteren Schicksal des VfL Bochum herstellen.

Wenn ihm aber etwas verhasst ist, dann sind es Tabellen, in der nicht alle Beteiligten über die gleiche Anzahl ausgetragener Spiele verfügen. Er fällt auf das ran-Geschwafel vom »Tabellenführer - zumindest für 24 Stunden« nicht rein, aussagekräftig ist eine Tabelle erst am Ende einer Spielrunde.

Noch härter treffen ihn Spielausfälle, vor allem dann, wenn die Spiele wochenlang nicht nachgeholt werden. Der Spielbetrieb verliert in diesem Zeitraum fast völlig an Wert. Wozu noch weitere Spieltage austragen, wenn an ihrem Ende doch keine brauchbaren Tabellen stehen?

Und so begann die 39. Bundesliga-Saison am vergangenen Wochenende mit einer schweren Prüfung. Durch die Verlegung der Partie Schalke-Rostock auf den Zeitraum zwischen dem vierten und fünften Spieltag wird eine noch kaum konturierte Tabelle schwerstens beschädigt. Zumal kurz darauf schon der Winter in die deutschen Stadien einziehen und für fortwährendes Ungemach sorgen wird.

Und so wäre der Tabellen-Junkie für den zeitgemäßen Vorschlag, das Ergebnis einer nicht unmittelbar nachgeholten Partie auszulosen, durchaus offen. Doch gegen die Übermacht der Romantiker in der DFB-Spitze wird er sich vorerst nicht durchsetzen können.