Behörden verharmlosen rechten Terror in Brandenburg

Mollies in alle Richtungen

Die Brandanschläge auf Roma und auf ein linkes Festival in Königs Wusterhausen und Umgebung dürften von der örtlichen Neonazi-Szene begangen worden sein. Doch die Behörden verharmlosen den rechten Terror.

Migranten, Linke, alle, die nicht ins rechte Weltbild passen, mussten in der brandenburgischen Kleinstadt Königs Wusterhausen schon kurz nach dem Fall der Mauer um ihre Gesundheit und ihr Leben fürchten. Viel geändert hat sich seither nicht. In der Nacht zum Montag der vergangenen Woche warfen bisher unbekannte Täter Molotow-Cocktails auf eine Roma-Wagensiedlung am Ortsrand von Wildau, einem kleinen Ort in der Nähe von Königs Wusterhausen.

Die Roma, die sich auf dem Rückweg von einer Urlaubsfahrt befanden, hatten sich erst 15 Stunden zuvor auf dem Platz nahe der Autobahn niedergelassen, wo sie mit Genehmigung der örtlichen Behörden drei Tage lang bleiben wollten. Doch schon in der ersten Nacht flogen die Brandsätze. Die meisten erloschen noch im Flug. Einer von ihnen traf jedoch einen Wohnwagen, in dem eine siebenköpfige Familie schlief. Die Roma aus Frankreich, den Niederlanden und Deutschland konnten den Brand löschen und die Polizei alarmieren.

Der Anschlag löste bei den Wildauer Kommunalpolitikern die üblichen Betroffenheitsrituale aus. Der Bürgermeister und der Ordnungsamtsleiter entschuldigten sich noch am gleichen Tag. Beide gaben sich aber auch überzeugt, dass die Täter mit Sicherheit nicht aus Wildau kommen. Immerhin ließen die brandenburgischen Sicherheitsbehörden mehrere Tage nach dem Anschlag verlauten, dass man einen rechtsextremen Hintergrund vermute und nicht wie sonst üblich »in alle Richtungen« ermittle. Zunächst hatte man nämlich auch in Erwägung gezogen, es könnte sich um »Clan-Streitigkeiten« handeln.

Dass die Täter gefasst werden, ist jedoch unwahrscheinlich. Zu viele rechte Angriffe und Anschläge in Königs Wusterhausen und Umgebung sind bis heute nicht aufgeklärt worden. So zum Beispiel der Brandanschlag auf die Bühne eines Festivals gegen Rassismus vor drei Wochen. Vier Molotow-Cocktails wurden geworfen, nur zufällig gab es keine Verletzte.

»Wir haben noch während des Angriffs die Polizei per Handy verständigt«, sagt Carmen Collberg, die Sprecherin der Königs Wusterhausener Antifa Offensive (Kao). Die Polizei sei aber erst eine Viertelstunde später aufgetaucht und habe sich, so Collberg, völlig desinteressiert verhalten. »Wir mussten sie regelrecht dazu drängen, die Spuren zu sichern«, erinnert sie sich. Die Beamten wollten zunächst nicht etwa wegen versuchter Brandstiftung, sondern wegen Sachbeschädigung ermitteln. Für Collberg steht fest, dass »der mangelnde Ermittlungseifer der Polizei dazu führt, dass von derartigen Angriffen eine Signal- und Nachahmungswirkung auf die gesamte Naziszene ausgeht«.

Deren Aktivitäten sind vielfältig. So organisierte die NPD in diesem Jahr in der Umgebung von Königs Wusterhausen bereits drei größere Veranstaltungen mit jeweils mehreren hundert Teilnehmern. Auch sonst sind Neonazis und rechtsextreme Skinheads ständig präsent. An den Wochenenden ziehen sie »Sieg Heil« gröhlend durch die Straßen, treffen sich zum »Zeckenklatschen« in der Stadt oder zum Komasaufen an den Badeseen der Umgebung.

Dass es sich dabei keineswegs um regional isolierte »rechtsorientierte Jugendliche« handelt, wurde deutlich, als die für ihre Terrormethoden und guten Kontakte zur internationalen Naziszene bekannte Kameradschaft United Skins im Juni vorigen Jahres zum Aufmarsch in Königs Wusterhausen mobilisierte. Über 700 Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet marschierten stundenlang durch die Stadt. Dabei war auch Carsten Sczcepanski, einer der Anführer der United Skins, dessen Tätigkeit als Informant des brandenburgischen Verfassungsschutzes im vergangenen Jahr aufgeflogen war.

Sczcepanski zog Anfang der neunziger Jahre von Berlin nach Königs Wusterhausen gezogen und baute dort eine der aktivsten Zellen der inzwischen verbotenen Nationalistischen Front (NF) auf. Bis 1995 gab es kaum einen Neonaziübergriff, an dem Sczcepanski und andere örtliche NF-Aktivisten nicht direkt oder indirekt beteiligt waren. Als 1994 der nigerianische Asylbewerber Steve Erenhi in Wendisch-Rietz schwer misshandelt wurde, ermunterte Sczcepanski die gröhlenden Nazischläger: »Zündet den Nigger an!« Nur wegen des Drucks von Erenhis Anwalt wurde Sczcepanski angeklagt und verurteilt.

Doch auch während der Haft pflegte er seine Kontakte zu einflussreichen Neonazikreisen. Als er Anfang 2000 entlassen wurde, nahmen die Aktivitäten der United Skins wieder deutlich zu. Gemeinsam mit alten Weggefährten aus NF-Zeiten und bekannten Berliner Neonazis wollte Sczcepanski über den alltäglichen Terror hinaus aktiv werden. Als »Nationalrevolutionäre Zelle« hatte man sich schon Waffen und Rohrbomben besorgt, um Anschläge auf bekannte linke und antifaschistische Jugendliche zu verüben.

Seit Jahren heißt es jedoch aus dem brandenburgischen Innenministerium, in Königs Wusterhausen würden sich rechte und linke Gewalt gegenseitig hochschaukeln. Durch die staatliche Kriminalisierung wird die Situation vieler linker Jugendliche noch prekärer. Als so genannte Linksextremisten werden sie systematisch denunziert und ausgegrenzt. Wer in Königs Wusterhausen antifaschistisch arbeiten möchte und noch dazu Freunde und Bekannte in Berlin hat, die die eigene politische Meinung teilen, der landet in der »Linksextremisten«-Datei der Sicherheitsbehörden.

Eine ähnliche Akribie bei der Verfolgung von Neonazis lässt sich nicht feststellen. Schon eher akribische Versuche, den rechten Terror zu verharmlosen. Die Neonazis in Königs Wusterhausen konnten in den vergangenen zehn Jahren ungestört Strukturen aufbauen. Durch Verharmlosung und heimliche, zuweilen aber auch offene Kumpanei mit Angehörigen der Sicherheitsbehörden haben sie Freiräume gewonnen, die sie wohl kaum wieder aufgeben werden. Daran ändern auch die Polizeisondereinheiten nichts, die an den Wochenenden hin und wieder durch die Stadt fahren und die Personalien rechter Skinheads kontrollieren. Die abschreckende oder gar präventive Wirkung derartiger Einsätze auf Neonazis und ihr jugendliches Umfeld darf angesichts der jüngsten Anschläge bezweifelt werden.