Imageprobleme des Haschisch

Das Klischee der peinlichen Droge

Haschisch hat ein Imageproblem. Alle Welt kifft, zur Hanfparade kommen 20 000 Menschen, trotzdem interessiert sich fast niemand mehr für die Folgen der Prohibition.

Haschisch ist uncool. Zwar hat sich der Anteil der Kiffer in der Bevölkerung in den kaum mehr als dreißig Jahren, seitdem die Droge in größeren Mengen auf den deutschen Markt kam, stetig erhöht, zwar findet auch weiterhin eine juristische Verfolgung mit empörenden Folgen statt, doch sich mit Hasch und Gras zu beschäftigen, über die Droge zu schreiben, gilt auch unter denen, die ab und zu kiffen, als peinlich. Peinlich wie die Hanfzeitungen, peinlich vielleicht auch wie die Erinnerung an die eigene Teenagerzeit, an die Bücher, die man gerne las, an die Musik, die man gerne hörte, an diese ganze unbestimmte Sehnsuchtswüste der Jugend, die die meisten dann irgendwann hinter sich lassen, wenn sie versuchen, ein seriöses, erwachsenes Leben mit anerkannt erwachsenen Lebenszielen zu führen.

Anders als Kokain und Ecstasy hat Haschisch ein Imageproblem, denkt man, während man sich morgens einen übriggebliebenen Krümel von gestern abend, der zwischen Tabakresten noch auf dem Schreibtisch lag, in die Zigarette drückt. Dann ist man eine halbe Stunde lang fasziniert von dem Wort »Imageproblem«. Das Imageproblem also hat mit Klischees zu tun, die von den Medien bemüht werden, wenn es ums Kiffen geht, mit denen, die diese Klischees bemühen, wenn sie über Haschisch schreiben, mit der Selbstklischeeisierung vieler Kiffer, mit der Kulturgeschichte der Droge in der Bundesrepublik und natürlich mit den herrschenden gesellschaftlichen Werten wie Tempo oder Effizienz.

Weil Kiffer einer schlecht beleumdeten Minderheit angehören, zitieren sie immer gerne allseits anerkannte Berühmtheiten, die mal gekifft haben. Zum Beispiel Heiner Müller: »Die Droge ist der Verbündete des Menschen im Kampf gegen die Maschine. Denn Drogen bedeuten Zeitgewinn für das Subjekt, Maschinen bedeuten Zeitverlust.« In der Praxis verbündet sich das zeitgenössische Kiffen gerne auch mit den zeitvernichtenden Maschinen der Freizeitindustrie: Playstation, Fernsehern, Computern. Außerdem ist es ein Freund des Konsumismus - Schokolade, Haribo, Solero. Komisch, dass das Krümelmonster nie zur Ikone der Hanffreunde wurde.

Jetzt müsste man kurz unterbrechen, um einerseits nicht in ein tendenziell peinliches Assoziationsdelirium zu fallen und andererseits den krampfhaft um Seriosität bemühten Meinungstext zu vermeiden, der einen schon beim Schreiben vor Langeweile sterben ließe.

Glücklicherweise gibt es auch sauber nachrichtliche Texte. Die Einleitung der letzten, allwöchentlich erscheinenden cannabislegalnews (cannabislegal.de) etwa: »'Wir haben bereits den Besitz und den Konsum geringer Mengen von Haschisch faktisch straffrei gestellt', behauptete die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marion Caspers-Merk, im April. Tatsächlich wurden aber voriges Jahr bundesweit im Schnitt 360 Menschen täglich wegen des Cannabisverbots bei der Staatsanwaltschaft angezeigt. Allein in den letzten fünf Jahren bekamen ca. 530 000 Menschen wegen des Cannabisverbots mit der Staatsanwaltschaft zu tun. Bei zwei Drittel von ihnen ging es nur um Besitz zum Eigenkonsum, meist bei Mengen im Grammbereich.« Dann drohen Führerscheinverlust, selbst zu bezahlende Idiotentests und ebenfalls selbst zu bezahlende langwierige Drogenscreenings.

Wer meint, dass die Prohibition niemanden schädige, sollte auf die Kurzmeldungen in Sachen Hasch achten. Allein im letzten Monat gab es ungefähr hundert. Bei etwa einem Viertel ging es um größere Mengen, die beschlagnahmt wurden, um zerschlagene Händlerringe oder Ähnliches. Die lustigste Meldung handelte von einem ehemaligen niedersächsischen Ortsbürgermeister, dem vorgeworfen wird, 70 bis 80 Kilogramm Haschisch und vier bis fünf Kilogramm Kokain aus den Niederlanden nach Deutschland geholt zu haben.

In der Topmeldung ging es um die Zerschlagung eines Berliner Haschhändlerrings, an dem 550 Polizisten beteiligt waren. 31 Personen wurden festgenommen, die 15 Jahre lang Cannabis aus der Schweiz und Holland geschmuggelt und im größeren Stil Indoorplantagen betrieben haben sollen. Axel S., der 54jährige mutmaßliche Chef der Bande, erhängte sich am 1. September in der Moabiter Haft. »Wie ein guter alter Pate«, meinte ein Kollege. Die anderen Haschfirmen werden sich über den Ausfall eines Konkurrenten freuen und die Preise vermutlich ein bisschen mehr erhöhen, als notwendig wäre. Der Dumme ist wieder der Kunde!

Bis 1966 gab es in Berlin noch kein Hasch. Renitente Jugendliche und Gammler nahmen eher Alkohol oder Tabletten wie Captagon oder Romilar, deren Wirkung irgendwo zwischen Opiaten und Speed lag. Als Romilar 1967 in Deutschland verboten wurde, fuhren Leute nach Istanbul, wo es noch erlaubt war. Die hätten dann nicht nur Romilar, sondern auch Hasch und Morphinbase nach Berlin gebracht, erzählt Bommi Baumann, und dass der Drogenhandel anfangs eher wie eine Alternativökonomie unter Freunden funktioniert habe. Es habe selten feste Preise gegeben, viel sei verschenkt oder getauscht worden. Die Leute in der kleinen Drogenszene hätten meist ein eher proletarisches Elternhaus gehabt und lieferten sich Ende der Sechziger Straßenschlachten mit der Polizei. Teile der Szene gingen später zur Bewegung 2. Juni, die auch eine Ton, Steine, Scherben-Platte finanzierte.

»Die Berliner Drogenszene entstand über Bücher. Eigentlich sind wir erst durch Literaturtrips drauf gekommen, uns dezidiert um solche Sachen zu kümmern«, sagt Bommi Baumann. Am Anfang standen Kerouac, Burroughs, Baudelaire und Aldous Huxley. Man stellte sich vor, dass die Welt besser würde, wenn alle Drogen nehmen; dass man sich mit Drogen von den internalisierten kapitalistischen Werten befreien könne, dass einem die menschenfeindlichen Absurditäten des bestehenden Systems im Drogenrausch vollends deutlich würden und dass man im Rausch eine Ahnung davon kriegen könnte, wie es in einer freien, unentfremdeten Gesellschaft aussehen könnte. So ungefähr. Die durchaus kohärenten Drogentheorien dieser Zeit kann man bei Bernward Vesper (»Die Reise«), Aldous Huxley (»Pforten der Wahrnehmung«, »Eiland«) und Rudolf Gelpke (»Vom Rausch im Orient und Okzident«) nachlesen.

Eine andere, oft als esoterisch denunzierte Geschichte des Drogengebrauchs führte über Woodstock, Timothy Leary, die Landkommunebewegung der Siebziger und die Anfänge der Alternativbewegung in Deutschland. Die gegenwärtige Goa- und Tranceszene steht teilweise noch in dieser Tradition. Die dazugehörende Ideologie hatte Gottfried Benn in seinem Aufsatz »Provoziertes Leben« von 1943 prägnant vorformuliert.

Die meisten verwenden Drogen jedoch unideologisch und gemäß dem üblichen Muster von Jugendkulturen, die sich gegen ihre realen oder ideellen Eltern absetzen wollen. Deshalb wurde Ecstasy als originäre Droge der Neunziger abgefeiert, und die Elterndroge Cannabis wurde, auch wenn sie verbreiteter war, nur wenig erwähnt.

Das Imageproblem von Haschisch ist das Imageproblem aller Drogen: Die meisten User nehmen sie in ihrer Jugend und hören Anfang zwanzig wieder damit auf. Adoleszenten wird das Experimentieren mit Drogen eher zugestanden als Erwachsenen. Anders als in England beschränkt sich das öffentliche Bild erwachsener Drogenuser in Deutschland meist auf Junkies oder freakige Haschdeppen. Drogen sind Jugendsache. Erwachsene Kiffer gelten als peinlich und unseriös; wie Leute, die in ihrer Adoleszenzphase hängengeblieben sind oder mit 30 noch Hermann Hesse oder Tolkien lesen.

Erwachsene, die als Jugendliche gekifft und später wieder damit aufgehört haben, blicken peinlich berührt zurück, als müsse sich das legitime Bedürfnis nach anderen als Alkoholräuschen notwendig mit ihrem Eintritt ins Erwachsenenleben erledigt haben. Veranstaltungen wie die Hanfparade werden eher hihi-kicherkicher-mäßig kommentiert und haben es schwer, in die Medien zu kommen - selbst bei 20 000 Teilnehmern.

In einer solchen Atmosphäre fällt es Erwachsenen schwer, sich für die Freigabe von Drogen einzusetzen. Keiner meiner kiffenden Freunde war auf der Hanfparade. Man genießt, schweigt und vergisst, wie angenehm das doch war, in Amsterdam neben seriösen Herren im Anzug am Tresen des Coffeeshops zu kiffen.