Skinhead-Prozess in München

Rettet den Schöffen

Die Mitgliedschaft eines Laienrichters bei den Republikanern und der Ausschluss der Öffentlichkeit stellen die Objektivität des Gerichts im Münchner Skinhead-Prozess in Frage.

Allzu schlimm scheint es nicht zu sein, wenn deutsche Jugendliche einen Ausländer fast zu Tode prügeln. Diese Schlussfolgerung legt zumindest das Verhalten des Münchner Amtsgerichtes nahe, vor dem seit dem 27. September gegen fünf Neonazis verhandelt wird, die im Januar in der bayerischen Landeshauptstadt am Rande einer Geburtstagsparty einen Griechen fast totgeschlagen und die ihm zu Hilfe eilenden Türken zum Teil schwer verletzt haben. Denn dem Gericht liegt vor allem das Wohlergehen der Täter am Herzen.
Schon am ersten Verhandlungstag schloss die Jugendkammer des Amtsgerichts die Öffentlichkeit von dem Prozess aus. Dass die wegen versuchten Mordes angeklagte Marie-Anna von Papen zur Tatzeit erst 17 Jahre alt war und nun wegen des Medienrummels um ihre Zukunft fürchtet, war für das Gericht Grund genug, diese Maßnahme zu treffen. Überdies sei zu befürchten, dass die wegen versuchten Mordes und schwerer Körperverletzung Angeklagten Christoph Schulte (20), Dominic Brodmerkel (19), André Kühr (19) und Norman Bordin (25), sich durch Imponiergehabe vor Publikum schaden könnten.
Um ihre Zukunft müssen sich eher das Opfer des Übergriffs und diejenigen fürchten, die ihm an jenem Abend halfen. Nicht nur, dass sie damals schwere Verletzungen erlitten, ihr Privatleben wurde in den Medien durchwühlt und ihre Identität der Öffentlichkeit preisgegeben. Außerdem stellten Neonazis Fotos der Helfer ins Internet. Einer musste sein Geschäft wegen der Bedrohung durch Neonazis aufgeben, ein anderer verlor wegen der rassistischen Berichterstattung in den Medien seinen Job. Die Angst der Betroffenen ist berechtigt. Als einer von ihnen als Zeuge vor Gericht gegen die Neonazis aussagte, wurde er kurz darauf auf der Straße von Skins angepöbelt. Kurz vor Prozessbeginn wurde ein weiterer Helfer von zwei Skinheads vor seiner Wohnung mit einem Messer verletzt.
Nun muss auch noch an der Objektivität eines der Laienrichter gezweifelt werden. Der Schöffe Peter Knott ist seit 1993 Mitglied der Republikaner, einer Partei, die der Verfassungsschutz seit Jahren als übersteigert nationalistisch und fremdenfeindlich einstuft und ihr deshalb eine feste Rubrik im jährlichen VS-Bericht reserviert. Einen Befangenheitsantrag der Staatsanwaltschaft wies das Gericht am Mittwoch der vergangenen Woche jedoch mit der Begründung zurück, die Partei sei schließlich nicht verboten.
Knott hatte eingeräumt, Mitglied der Republikaner zu sein und behauptet, keine Parteiämter auszuüben, sondern nur gelegentlich Veranstaltungen der Partei zu besuchen. Einen Einfluss auf die Objektivität Knotts sieht das Gericht offenbar nur dann gegeben, wenn er seine Fremdenfeindlichkeit auch aktiv zum Ausdruck bringt. Dann werde »eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit gegebenenfalls auch ohne Antrag von Amts wegen erfolgen«, sagte der Vorsitzende Richter Werner Ulrich. Der umstrittene Schöffe darf nun also über das Urteil für die Neonazis mitentscheiden.
Ein Teil der Verteidiger zeigte sich keineswegs verwundert über die Parteizugehörigkeit Knotts, im Gegensatz zum Staatsanwalt, der erst während des Prozesses davon erfahren hatte. Der als Neonaziverteidiger hinreichend bekannte Dortmunder Rechtsanwalt André Picker, der Marie-Anna von Papen vertritt, warf dem Staatsanwalt wegen seines Befangenheitsantrages vor, er habe ein »kleines Defizit im Demokratieverständnis«.
Dass von Papen, die einer Augenzeugin zufolge beim Überfall auf den Griechen »Schlag ihn endlich tot!« gerufen hatte, der rechten Szene angehört, bestreitet Picker vehement. Allerdings spricht nicht nur die Bekanntschaft mit dem Skinhead Christoph Schulte, sondern auch ihr weiterer Bekanntenkreis Bände. Marc Strothe, Burschenschafter aus Bielefeld und ehemaliges Mitglied der 1992 verbotenen Nationalistischen Front, der ebenfalls zum Prozess erschienen war, gab vor der Presse an, mit Papen befreundet zu sein.
Rechtsanwalt Picker bestreitet schließlich auch, dass es sich bei der Geburtstagsfeier an jenem Abend im Münchner Lokal Burg Trausnitz überhaupt um ein Treffen von Neonazis gehandelt habe. Die damals anwesende Riege aus dem so genannten Nationalen Widerstand widerlegt dies jedoch. Eingeladen hatte unter anderem das Mitglied der rechtsextremen Burschenschaft Danubia, Reiner Mehr, der auch die Website des Nationalen Widerstands Bayern betreibt. Papen wurde von dem mutmaßlichen Haupttäter Christoph Schulte begleitet, der in diesem Prozess des versuchten Mordes angeklagt ist. Der 19jährige gehört nach Informationen der Antifa-Zeitschrift Der Rechte Rand zu den Kadern der Freien Kameradschaften in Nordrhein-Westfalen und trat bei den Kommunalwahlen 1999 im Märkischen Kreis für die NPD an.
Auch der älteste Angeklagte, der 25jährige Norman Bordin, ist kein Unbekannter. Gemeinsam mit dem auf der Party ebenfalls anwesenden langjährigen Aktivisten und Mitglied des neonazistischen Freizeitvereins Isar 96 e.V. (FZV), Manfred Eichner, hat Bordin das Aktionsbüro Nationaler Widerstand Freilassing ins Leben gerufen.
In zwei vorangegangenen Prozessen wurde bereits gegen sieben tatbeteiligte Skinheads verhandelt, wobei je zwei von ihnen zu Bewährungsstrafen bzw. zu Haftstrafen von über einem Jahr verurteilt wurden. Im zweiten Prozess musste zwar das Verfahren gegen den Danuben Reiner Mehr mangels Beweisen eingestellt werden und ein anderer kam mit einer Bewährungsstrafe davon. Das FZV-Mitglied Björn Christopher Balbin wurde aber zu zwei Jahren und vier Monaten Haft verurteilt.
Wenn auch die Strafen nicht besonders drastisch ausgefallen sind, ist während der bisherigen Prozesse gegen die Verantwortlichen des Übergriffs im Januar doch vor allem deutlich geworden, dass das neonazistische Netzwerk der freien Kameradschaften auch in Bayern längst Fuß gefasst hat.