Kriegsziele der USA

Viele Länder, viele Jahre

Die Zeit läuft George W. Bush davon. Er braucht einen schnellen Erfolg, doch in wenigen Wochen beginnt der Winter in Afghanistan. Ein weitgehend konventioneller Krieg, wie er bisher geführt wurde, ist unter den extremen Witterungsbedingungen kaum mehr möglich. Zudem müssen die USA den islamischen Fastenmonat Ramadan, der Mitte November beginnt, so weit wie möglich respektieren, um nicht noch mehr Wut in den islamischen Ländern auf sich zu lenken. »Ich glaube, es wäre in unserem und im Interesse der Koalition, diese Angelegenheit erledigt zu haben, bevor der Winter zuschlägt und unsere Einsätze sehr viel schwieriger macht«, meint auch der US-amerikanische Außenminister Colin Powell.

Doch ein schneller Sieg wird in diesem Konflikt nicht möglich sein. Selbst wenn es der mit den USA verbündeten Nordallianz gelingen sollte, in den nächsten Wochen die großen Städte wie Masar-i-Sharif oder Kabul zu erobern, ist der Krieg noch lange nicht zu Ende. Anders als etwa Serbien oder der Irak, die nur zwischen Vernichtung und Kapitulation wählen konnten, haben die Taliban noch andere Optionen. Sie können den größeren Teil ihrer Milizen während der Wintermonate in die Berge zurückziehen und im Frühjahr eine neue Offensive starten. Und sie könnten die nächsten Monate nutzen, um Länder wie Pakistan und Saudi-Arabien weiter zu destabilisieren.

Gut möglich also, dass die USA vor einem Problem stehen, das Russland bereits aus Tschetschenien kennt. Ein lang anhaltender Guerrillakrieg ließe sich vielleicht nie beenden, sondern höchsten begrenzen. Nach Angaben der iranischen Zeitung Entechab hat der Sicherheitschef der Taliban, Ghajdar Ahmadollah, versichert, dass sich die Milizen und al-Qaida zunächst auf die Bekämpfung der US-amerikanischen Bodentruppen in Afghanistan konzentrieren wollen. Denn empfindliche Verluste des »großen Satans« würden die Solidarität in den islamischen Ländern erheblich stärken.

Diese Schwierigkeiten lassen bereits ahnen, welche Ausmaße der Krieg noch annehmen kann. Afghanistan sei schließlich nur »ein kleiner Teil des Kampfes der USA gegen Terrorismus und Massenvernichtungswaffen«, erklärte US-Generalstabschef Richard Meyers am Wochenende in einem Interview, auch ein Angriff auf den Irak sei nicht ausgeschlossen. »Wir denken natürlich in weiten Dimensionen.«

Seit dem Zweiten Weltkrieg sei nicht mehr so gründlich über einen Militäreinsatz nachgedacht worden.

Aussagen von anderen US-Strategen bestätigen solche Erwägungen. »Wenn Saddam Hussein nicht besiegt werden würde, wäre der Kampf gegen den Terrorismus ein Fehlschlag. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir sein Regime bestehen lassen«, sagte Richard Perle, ein Berater des US-Verteidigungsministeriums, im Spiegel. Eine mögliche Ausweitung des Konflikts auf den Irak würde jedoch nicht nur die labile »Allianz gegen den Terror« sprengen. Schließlich haben selbst die europäischen Staaten bereits deutlich signalisiert, dass ein Feldzug gegen Hussein mit ihnen nicht zu machen sei. Die Überlegungen zeigen auch, dass der Krieg gegen Afghanistan erst der Anfang ist. Er wird nicht in den nächsten Wochen beendet sein, und auch nicht im nächsten Jahr. Der Kampf gegen den Terror werde »nie enden, zumindest nicht in unserer Lebenszeit«, vermutete US-Vizepräsident Dick Cheney kürzlich in der Washington Post. Er könnte Recht behalten.