Universitäten konkurrieren um Black Studies-Professoren

Papa Don't Preach

Streit in Harvard um Cornel West: Der Star unter den Black Studies-Professoren soll sich auf die Uni konzentrieren.

Harvard ist die wohl elitärste Universität der Welt. Die Studiengebühren liegen derzeit bei 34 500 Dollar im Jahr. An der Privat-Uni bei Boston/Massachusetts unterrichten etwa 2 200 Professoren. 14 davon führen den Ehrentitel »University Professor«, der mit einem satten sechsstelligen Jahresgehalt verbunden ist.

Vor einigen Wochen zerstritt sich einer dieser 14 mit dem Harvard-Präsidenten und deutete an, er könne sich einen Wechsel an die Konkurrenz-Uni Princeton in New Jersey vorstellen. Das Feuilleton überschlug sich. Schließlich machte der Harvard-Präsident eine Versöhnungsgeste (und wahrscheinlich auch ein höheres Gehaltsangebot). Der Professor bleibt nun bis auf weiteres in Boston.

Der Professor heißt Cornel West. Der 48jährige Theologe und Philosoph arbeitet am interdisziplinären Department of African American Studies. Dazu gehören auch der Literaturwissenschaftler Henry Louis Gates Jr., der Philosoph Kwame Anthony Appiah, der Soziologe William Julius Wilson, die Juristin Lani Guinier und etwa ein Dutzend andere afro-amerikanische Wissenschaftler. Selbstbezeichnung: das Dream Team.

Mit seinem Afro-Institut ist Harvard eher ein Nachzügler. Schon vor 30 Jahren setzten rebellierende Studenten an vielen Universitäten die Einrichtung von Black Studies durch. Zunächst als zusätzliches Lehrangebot, später aber auch als Fach mit eigenem Abschluss. Schließlich begriff auch Harvard, dass Ethnic Diversity mittlerweile zum guten Ruf einer Uni gehört, und investierte in den vergangenen zehn Jahren mehrere Millionen Dollar in den Aufbau eines hochkarätigen Instituts. Zunächst wurde Gates von der Duke University (North Carolina) abgeworben. Der versammelte dann die schwarze Elite um sich.

Doch im vergangenen Jahr übernahm Lawrence Summers, früher Finanzminister der Clinton-Regierung, den Job des Harvard-Präsidenten. Der neue Chef bat im Oktober Cornel West zum vertraulichen Gespräch. Der Professor solle sich doch weniger politisch und kulturell betätigen und lieber endlich mal wieder »ein ernsthaftes wissenschaftliches Werk« produzieren. West war wütend. Er habe sich in seinen 26 Akademiker-Jahren noch nie so »disrespected« gefühlt.

Ende Dezember berichtete die Tageszeitung Boston Globe erstmals über den Konflikt. Der ehemalige US-Präsidentschaftskandidat Jesse Jackson bot sich als Vermittler an. Das akademische Postenkarussell kam in Gang. In der vorigen Woche kündigte der Philosophie-Professor Appiah, den die Princeton University schon lange abwerben wollte, seinen Umzug nach New Jersey an, aus »persönlichen Gründen«. Ob West, Gates oder andere folgen werden, steht noch nicht fest. Vorsichtshalber meldete Harvard am vergangenen Mittwoch, dass man den renommierten schwarzen Politologen Michael Dawson von der University of Chicago angeheuert habe.

West und Gates dürften mit der Affäre ihren eigenen Marktwert beträchtlich gesteigert haben. Entsprechend wütend reagieren rechte Kommentatoren, die Black Studies schon immer für Firlefanz gehalten haben und denen die politische Präsenz von sozialdemokratischen »public intellectuals« zuwider ist. 19 Bücher hat West veröffentlicht, darunter Bestseller wie »Race Matters« (1993). Er hat in den vergangenen Jahren auf hunderten Veranstaltungen außerhalb der Uni gesprochen, unterstützte vor zwei Jahren den liberalen demokratischen Präsidentschaftsbewerber Bill Bradley (gegen Al Gore) und berät jetzt den New Yorker Prediger Al Sharpton, der 2004 für die US-Präsidentschaft kandidieren will.

Immer achtet West auf den Gestus der »authenticity« und »street credibility«. Seine Vorträge erinnern an eine Mischung aus afro-amerikanischem Preacher und Rapper. Und im vergangenen Herbst veröffentlichte er die HipHop-CD »Sketches of My Culture«, nach der Eigenwerbung ein »watershed moment in musical history«. Das rechte Wochenmagazin National Review machte ihn als Possenreißer lächerlich, und im Wall Street Journal beschrieb der afro-amerikanische Konservative Shelby Steele, der immer hervorgeholt wird, wenn es gegen »affirmative action« gehen soll, West als Aufschneider, der es nur dank Quotierung zu akademischen Weihen gebracht habe.

Aber auch von links gibt es Kritik an West. So beschrieb Thulani Davis in der linksliberalen New Yorker Village Voice den Harvard-Konflikt als »Gates-West Power Play« und als Versuch, »ihre längst gepolsterten Karrieren zu fördern«, auf Kosten von Kollegen an anderen Universitäten, die ständig um die Legitimität (und Existenz) ihrer Black-Studies-Institute kämpfen müssen.

Schwerer als solche taktische Manöverkritik wiegen Urteile wie die des Politologen Adolph Reed (von der New School for Social Research in New York). Reed hat West schon vor Jahren vorgeworfen, er phantasiere von einer »ursprünglichen organischen Gemeinschaft« der Afro-Amerikaner, mit einer »intakten Sozialstruktur, gemeinsamen Werten« und einer »black love ethic«. Schuld an der gegenwärtigen Krise in den multi-ethnischen Großstädten ist nach Ansicht von West »der Nihilismus« vor allem unter jungen schwarzen Männern (die Folge: Drogenkonsum, uneheliche Kinder, etc.), eine Analyse«, die sich an die reaktionäre Rede vom »moralischen Niedergang« anschließt.

Damit hat sich West weit von seinen christlich-marxistischen Anfängen in den achtziger Jahren entfernt. Mittlerweile nennt er sich Radikaldemokrat, ist aber de facto längst beim Kommunitarismus gelandet. Sowohl West als auch Gates werben seit vielen Jahren für eine Verständigung zwischen African Americans und Jewish Americans, also für eine Wiederbelebung der Allianz aus den Tagen der Bürgerrechtsbewegung. Beide Professoren positionieren sich deutlich gegen Antisemitismus. So arbeitet West eng mit Michael Lerner zusammen, dem Herausgeber der jüdischen Zeitschrift Tikkun, die mittlerweile allerdings zu einem Fanzine für Clinton-Bewunderer und Kommunitaristen verkommen ist. Entsprechend spielt sich West beim Black-Jewish Dialogue stets als Sprecher (wenn nicht gar Prophet) der »schwarzen Gemeinschaft« auf.

Um diese »black community« zu konstruieren und zu festigen, scheut West allerdings auch nicht vor einem Dialog mit den unappetitlichsten Antisemiten zurück. So saß er 1995 beim Million Man March, einer gigantischen Patriarchats-Party der afro-amerikanischen Nation of Islam und ihres Predigers Louis Farrakhan, als Aushängeschild der »Linken« auf dem Podium.

Außer mit dem Poker um akademische Spitzenkräfte hatte Harvard-Präsident Summers in den vergangenen Monaten auch mit einer Living-Wage-Kampagne zu tun. Die Löhne der Geringverdiener auf dem Campus (Putzkräfte, Wachpersonal, Hausmeister etc.) sollten im teuren Boston auf ein existenzsicherndes Niveau von mindestens 15 Dollar die Stunde angehoben werden, forderten Gewerkschaften und Studierendengruppen. In der vergangenen Woche entschied Summers: Die Löhne steigen von 10,83 auf 11,30 Dollar.