Sachsen-Anhalt hat gewählt

Vom Papa rechts überholt

Im Osten Deutschlands sind Wahlen wenigstens nicht so leicht kalkulierbar wie andernorts. Die SPD und ihr Ministerpräsident Reinhard Höppner wurden am vorigen Sonntag in Sachsen-Anhalt in einzigartiger Weise bestraft und verloren fast die Häfte ihrer Stimmen, die Opposition wurde mit einem Plus von über 15 Prozent an die Regierung gewählt.

Dass man auch ohne politische Substanz, allein mit populistischen Kampagnen Beachtliches erreichen kann, zeigte vor vier Jahren noch die DVU in Sachsen-Anhalt, diesmal die FDP, die mit hohlem Optimismus und der fotogenen Spitzenkandidatin Cornelia Pieper 13 Prozent erreichte und damit nach acht Jahren wohl nicht nur den Wiedereinzug in den Magdeburger Landtag schaffte.

Der Mittelstandsextremismus der Schill-Partei kommt trotz aller migrantenfeindlichen Propaganda im proletarischen Osten dagegen offensichtlich nicht ganz so gut an wie der schlichte Neonazismus der DVU. Nach dem Scheitern an der Fünfprozenthürde bei dieser Landtagswahl wird eine bundesweite Ausdehnung der Schill-Partei unwahrscheinlich. Denn wo sonst hätte sie bessere Bedingungen vorgefunden als in dem Bundesland, in dem die rechtsextreme DVU beim letzten Mal fast 13 Prozent holte. Nun ist das Siegerimage dahin, die Partei dürfte ähnlich abstürzen wie einst die Statt-Partei - ein überflüssiger Export aus Hamburg, an den sich bald niemand mehr erinnert.

Trotz des unvorhersehbaren Wählerverhaltens in den neuen Bundesländern scheint es dort zumindest zwei Konstanten zu geben, dies bestätigte sich auch am vergangenen Sonntag wieder. Die eine beschrieb der Bundesgeschäftsführer der PDS, Dietmar Bartsch: »Die Grünen sind im Osten politisch tot.« Und die andere lautet: Die PDS schafft es auch zwölf Jahre nach der Wiedervereinigung, ein Fünftel der Wähler in einem ostdeutschen Bundesland für sich zu gewinnen.

Dabei schadet es ihr offensichtlich nicht, eine Regierung der SPD toleriert zu haben und mitverantwortlich für die wirtschaftliche und soziale Situation in Sachsen-Anhalt zu sein: für über 20 Prozent Arbeitslosigkeit ebenso wie für die Abwanderung von Teilen der Bevölkerung.

Die Gründe für den Wahlausgang dürften in Sachsen-Anhalt selbst liegen. Die Wähler waren den Miesmacher Reinhard Höppner leid, sie votierten lieber für den Vaterersatz Wolfgang Böhmer (CDU) und den Zweckoptimismus der FDP-Spitzenkandidatin Pieper. Edmund Stoiber kann sich den Wahlsieg der CDU sicherlich nicht ans Revers heften. Sein Auftritt bei der letzten Veranstaltung im Wahlkampf der CDU am vergangenen Freitag wurde eher mit müdem Applaus denn mit Begeisterungsstürmen quittiert.

Und trotzdem wird ihm das Ergebnis Aufwind verschaffen, denn für die rotgrüne Bundesregierung bedeutet es eine derbe Niederlage und einen weiteren Schritt in Richtung der möglichen Abwahl im September. Die neoliberale Wirtschaftspolitik von Gerhard Schröder kommt in den neuen Ländern besonders schlecht an, denn nirgends wirkt sie sich so spürbar aus wie hier.

Wie zuvor schon in Italien und nun in Frankreich bei der Präsidentenwahl am vergangenen Sonntag hat sich auch in Deutschland die so genannte linke Mitte mit ihrer rechten Politik scheinbar selbst desavouiert.

Die Folge ist, dass viele Menschen im Spektrum der Parteien nicht einmal mehr ein kleineres Übel erkennen können, das so klein ist, dass sie ihm ihre Stimme geben wollen. So waren die Nichtwähler am Sonntag auch in Sachsen-Anhalt mit 45 Prozent deutlich die stärkste »Partei«. Fast die Hälfte der Wahlberechtigten hat inzwischen kein Interesse mehr an dieser Art des Parlamentarismus.