Arabische Journalisten diskutieren über das Image der Region

Sind Märtyrer telegen?

Auf einer arabischen Medienkonferenz debattierten Journalisten, wie die Region im Westen für sich werben kann.

Über zehn Millionen US-Dollar lässt sich das saudische Königshaus eine großangelegte PR-Kampagne in den USA gegenwärtig kosten. Mit plakativen Bekenntnissen gegen Terror und zur Solidarität mit den USA bemüht sich Saudi-Arabien mit verschiedenen Fernsehspots auf US-amerikanischen Sendern um Schadensbegrenzung. Denn bereits wenige Tage nach den Anschlägen des 11. September mehrten sich in den USA die Stimmen, die das strategische Bündnis mit dem ökonomisch und militärisch bedeutsamsten Partner im Nahen Osten in Frage stellten. Die Herkunft einiger der mutmaßlichen Attentäter aus dem König-reich und die finanziellen und organisatorischen Verbindungen der Gruppe um Ussama bin Laden nach Riad und Jedda weckten Zweifel am saudischen Interesse an den amerikanisch-saudischen Beziehungen.

Auch die wachsende Kritik aus den Reihen der US-amerikanischen Regierung an den arabischen Partnern in der Region war immer wieder Thema auf dem Arab Media Summit in Dubai. Die zweitägige Tagung, die Anfang letzter Woche vom dubaischen Journalistenverband veranstaltet wurde, stand unter dem Titel »Overcoming difficulties of conveying the Arab point of view to the West«. Es ging, wie es einer der Veranstalter ausdrückte, um die »politische und mediale Niederlage« der arabischen Welt und darum, ihr zu begegnen.

Vom islamistischen Kolumnisten Fahmi Huwaidi von der regierungsnahen ägyptischen Tageszeitung al-Ahram bis zu Redakteuren der liberalen Londoner Zeitung al-Hayat waren alle Koryphäen des arabischsprachigen Journalismus vertreten. Der Politikwissenschaftler Norman Finkelstein hatte seine Teilnahme kurzfristig abgesagt. Bereits vor der Veröffentlichung der arabischen Ausgabe seines Buches »Die Holocaust-Industrie« hatte der umstrittene Autor viel Sympathie in der arabischen Öffentlichkeit erfahren. Mit seiner deutlichen Kritik an der israelischen Besatzungspolitik und den Vorwürfen gegen jüdische Organisationen in den USA gilt er vielen als die lobenswerte Ausnahme unter den amerikanischen Juden. Die Teilnahme des britischen Journalisten Patrick Seale und John Sununus, ehemals Stabschef von George Bush senior, stellte allerdings sicher, dass auch von westlicher Seite Unterstützung für die Intifada und Kritik an der US-amerikanischen und europäischen Nahostpolitik geäußert wurde.

Einzig der liberale Kolumnist der New York Times, Thomas Friedman, fiel etwas aus der Rahmen. Friedman gilt in den USA seit langem als Befürworter einer Zweistaatenlösung im israelisch-palästinensischen Konflikt, bezieht allerdings deutlich Position für Israel.

Umso eindeutiger waren die Reaktionen, die er gleich zu Beginn der Tagung auslöste. Von verschiedener Seite wurde ihm trotz seiner ausdrücklichen politischen Positionierung zugunsten eines palästinensischen Staates vorgeworfen, dass er immer wieder scharfe Kritik an der PLO und insbesondere an Saudi-Arabien formuliert. Nachdem aus dem Publikum der Vorwurf erhoben wurde, er habe sich auf Kosten des Königshauses durch die Region fliegen lassen, nur um anschließend an seinem Schreibtisch in den USA gegen das Regime zu hetzen, verließ er zwischenzeitlich das Podium. Damit war der Rahmen für die folgenden Diskussionen abgesteckt.

Die Diskussionen, in denen es um die Konsequenzen des 11. September auf die Berichterstattung und die öffentliche Meinung in den USA und Europa ging, konzentrierten sich schnell auf wenige Punkte. Im Zentrum standen dabei zunächst die unterschiedlichen Einschätzungen darüber, wie die arabische Welt in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Verschiedene Redner betonten, dass sich nach dem dramatischen Anstieg von hate crimes gegen arabisch-amerikanische Bürger in den USA in den ersten Tagen nach den Anschlägen die Situation rasch gewandelt habe. Bald zeichnete sich in den Meinungsumfragen ab, dass die Anschläge nicht zum Entstehen eines neuen Feindbilds geführt haben. Die Sympathien im israelisch-palästinensischen Konflikt, so James Zogby vom Arab American Institute, hätten sich in den letzten Monaten sogar deutlich zugunsten der Palästinenser verschoben.

Die zunehmende öffentliche Unterstützung der palästinensischen Forderungen bedeutet jedoch nicht, dass sich antiarabische Klischees damit erledigt haben. So machte der US-amerikanische Filmkritiker Jack Shaheen auf die ständige Verbreitung rassistischer Stereotypen in westlichen Medien aufmerksam. Anhand von Filmausschnitten aus dem US-amerikanischen Kinofilm »Rules of Engagement« illustrierte er seine These einer rassistischen Repräsentation der arabisch-islamischen Welt in der westlichen Öffentlichkeit.

In dem vom US-Verteidigungsministerium geförderten Film geht es um die Legitimation einer gewaltsamen Niederschlagung einer antiamerikanischen Demonstration vor dem Botschaftsgelände in Jemen. Die durchgängige Darstellung der arabischen Charaktere als hasserfüllt und gewaltbereit schafft die Voraussetzung, um den Einsatz von Maschinengewehren gegen die Menge zur Notwehrhandlung zu erklären.

Die folgenden Diskussionen um das Nebeneinander von rassistischen Ideologien, propalästinensischen Meinungsumfragen und einer proisraelischen Ausrichtung der US-amerikanischen Nahostpolitik vermieden es allerdings, diesem Zusammenhang nachzugehen. Anstatt die westliche Berichterstattung ebenso wie die Positionierungen der EU oder der USA in ihren politischen Dimensionen zu analysieren, beschränkten sich die meisten Beiträge darauf, Marketingstrategien der arabischen und palästinensischen Sache zu debattieren.

Weitgehend einig war man sich darüber, dass es Politik und Medien versäumt hätten, die Legitimation des palästinensischen Widerstandes einem westlichen Publikum zu vermitteln. Die Besatzung, deren Charakter von John Sununu mit der deutschen Besetzung Frankreichs verglichen wurde, rechtfertige auch nach internationalem Recht den bewaffneten Widerstand. Allerdings würden sich die Selbstmordanschläge der letzten Monate negativ auf die Bereitschaft der US-amerikanischen Bevölkerung auswirken, die Interessen der Palästinenser zu unterstützen. Gerade weil er sich für die Palästinenser einsetze, lehne er die Selbstmordattentate ab. Sie seien einer westlichen Öffentlichkeit nicht vermittelbar, so Sununu.

Demgegenüber bestanden verschiedene Redner auf der Bedeutung des »Shahada«, des Märtyrertums, für die Perspektiven des Kampfes. Es sei die letzte Waffe im Kampf gegen den israelischen Feind, so wurde immer wieder eingeworfen. Die Abkehr von dieser Strategie, die doch erst das »Gleichgewicht des Terrors« (Seale) ermögliche, würde den Druck auf die israelische Bevölkerung schwächen.

Beispielhaft wurde in diesem längeren Schlagabtausch das Einverständnis der Redner mit dem gewaltsamen Vorgehen deutlich. Weder die mit den Anschlägen verbundenen Ziele noch die »Methode« als solche standen zur Debatte. Beim Abwägen der Wirkungen auf die israelische und die US-amerikanische Öffentlichkeit driftete die Diskussionen immer wieder ab und wurde zu einer PR-Beratung für die palästinensische Sache.

Bereits das Fehlen eines palästinensischen Vertreters auf dem Podium hätte die unausgesprochene Übereinkunft »We all are Palestine«, welche in den letzten Wochen an jeder Bushaltestelle in der Stadt zu lesen war, zweifelhaft machen müssen. Es herrschte eine skurrile Atmosphäre in den gläsernen Türmen der Wohlstandsoase, die als Veranstaltungsort dienten. Immer wieder musste das Leid von Jenin herangezogen werden, um das zu illustrieren, was als »Unterdrückung« der arabischen Welt beschrieben wurde.

Nur in vagen Andeutungen dagegen wurde die Notwendigkeit politischer und gesellschaftlicher Reformen innerhalb der arabischen Länder angesprochen. Die repressiven politischen Verhältnisse in diesen Ländern, die patriarchalen Strukturen, die allgegenwärtige Korruption und die zunehmende Islamisierung der Gesellschaft wurden zwar von verschiedenen Rednern erwähnt, aber kaum als grundsätzliche Probleme wahrgenommen.

Angesichts der von diversen Teilnehmern erhobenen Forderung, die arabische Öffentlichkeit habe ihre Anstrengungen zu bündeln und gegenüber dem Westen eine einheitliche Position zu vertreten, wirkten die gleichzeitigen Bekenntnisse zu Pluralismus und demokratischem Wandel merkwürdig widersprüchlich.