»Episode II« von George Lucas

Wie das Böse entsteht

Im Weltall von George Lucas darf geliebt werden. Ansonsten verzichtet »Episode II« auf sinnlose Innovationen und verlässt sich auf kampferprobte Waffen.

Ungefähr eine Woche vor dem weltweiten Start von »Episode II« konnte man alles über »Star Wars - Das Phänomen« lesen, jedoch nichts über »Star Wars - Der Neue Film«. Weil ihn bis zu diesem Zeitpunkt die Presse einfach noch nicht hatte sehen dürfen. Von einem »Star Wars«-Fieber, wie es grassierte, bevor »Episode I« in die Kinos kam, kann zumindest in Deutschland keine Rede sein. In den USA werden dagegen nach ersten Schätzungen bis zu 2,6 Millionen Amerikaner in der Startwoche blau machen und lieber ins Kino rennen, was einem prognostizierten volkswirtschaftlichen Schaden von 300 Millionen Dollar entspricht. Bei uns wird es vielleicht gerade mal ein paar Schulschwänzer mehr als sonst geben.

Das Imperium, das metaphorisch bekämpft wird, wird bei »Star Wars« eben auch weiterhin die USA sein; der Imperator heißt nun zwar George Bush; die Jedi-Ritter, die in der ersten Folge der »Star Wars«-Saga noch als Metapher für den rebellierenden Vietcong gedeutet wurden, stehen jedoch wohl selbst beim antiautoritären, aber auch konservativen George Lucas kaum für die aufrechten Krieger von al-Qaida.

Die Angst vor verwackelten Raubkopien, die bei Pressevorführungen gezogen werden könnten, war groß. Deshalb wurden die Voraufführungen so dicht vor den offiziellen Starttermin gelegt. Schließlich sollte die Spannung bis zum Tag X grenzenlos bleiben, um sich dann endlich eruptiv entladen zu können. Ob die Strategie aufgehen wird, ist fraglich. Nach »Episode I« hat »Star Wars« den Nimbus verloren, ein reiner Selbstläufer zu sein, den ohnehin alle sehen wollen. Und in Internet-Tauschbörsen, so berichtete die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, ist inzwischen trotz Sicherheitsvorkehrungen wie bei der Nasa prompt nach den Pressevorführungen eine Kopie des Films aufgetaucht. Sämtliche Security-Checks, die bei den Previews durchgeführt wurden, scheinen nichts gebracht zu haben, weil zumindest eine Stelle irgendwo undicht war.

Das Drumherum, die Legenden und Mythen über George Lucas und das »Star Wars«-Phänomen und auch die Geschichten über irgendwelche Hirnis, die bereits seit Monaten vor einem Premierenkino auf den Start der neuen Folge warten, ersetzen bisher das Reden über den Film selbst. Die Geschichten von Lucas, dem Popcorn-Kino-Innovator, werden wieder aufbereitet und an seinen legendären Merchandise-Coup wird erinnert, der ihm die Rechte an sämtlichem »Star Wars«-Nippes sicherte, ihn zum Milliardär und auch die Figurenhersteller reich machte.

Vor dem Start von »Episode I - Die dunkle Bedrohung« ging es ebenfalls nur darum, wie der ehemalige New-Hollywood-Aufsteiger mit seinen Weltraumabenteuern das Filmbusiness komplett umwälzte, und als man dann den Film als ersten Teil der zweiten »Star Wars«-Staffel sah, die jedoch chronologisch vor der ersten angesiedelt ist, war die Enttäuschung groß. Außer flauen Special Effects und entsetzlichen neuen Figuren bot der Film nur das übliche Potpourri aus Action, Esoterik, kruden Dialogen und Schauspielern, die zu Statisten degradiert wurden; von der Fortschreibung eines Mythos erwartete man doch etwas mehr.

»Episode I« wurde dann auch nicht der erfolgreichste Film aller Zeiten und verlor das ausgerufene Rennen gegen »Titanic« haushoch. Dieses Mal tritt die neue Folge der Saga vor allem gegen »Spiderman« an, der in den USA gerade ein Blockbuster ist. Superhelden gegen Superheld, lautet die Devise, die Schlacht gewinnen wird in jedem Fall Hollywood. Die Parallelen zwischen »Star Wars« und »Spiderman« sind erstaunlich; die unfairen Mittel, die »Titanic« mit dem Teenie-Traumpaar Leonardo DiCaprio und Kate Winslet einsetzte, verkneift sich »Spiderman«. Es geht darin eher um das, was auch schon immer den »Krieg der Sterne« ausmachte: um den klar strukturierten Kampf zwischen Gut und Böse, um geheimnisvolle Kräfte und um eine Liebe, die nicht sein darf.

Liebe. Für »Star Wars« ist das etwas unerhört Neues. Wahrscheinlich hat Lucas aus seiner Niederlage gegen »Titanic« gelernt, denn sämtliche Trailer zu »Episode II« rücken die Liebe zwischen Anakin (Hayden Christensen), der später bekanntermaßen zu Darth Vader, dem ultimativ Bösen, mutiert, und Prinzessin Padmé (Natalie Portman) in den Mittelpunkt. Die bittersüße Romanze in stets hyperverkitschtem Ambiente soll die Emotionen der Teenager wecken. Knutschen im Weltraum erscheint deshalb so sensationell, weil in »Star Wars« die Schauspielerin Carrie Fisher als Prinzessin Leia noch ihren Busen mit Klebeband zuschnüren musste, denn die Regieanweisung lautete: »Keine wippenden Brüste im Weltall.« Die gibt es allerdings immer noch nicht, damit »Episode II« auch ja mit der Altersfreigabe ab sechs Jahre in die Kinos kommen kann.

Ob die wie in das Spektakel hineinmontiert wirkende Schnulze den »Titanic«-Effekt auslösen wird, bleibt zweifelhaft. Von wirklich überbordender Leidenschaft findet sich nämlich keine Spur, und Christensen, dessen seitlich geflochtener Haarzopf wirkt, als habe er beim letzten Urlaub auf Gomera Langeweile gehabt, spielt den Romeo so stocksteif, dass man selbst dem ausgewachsenen Darth Vader mehr Sinn für Sinnlichkeit zutrauen würde.

»Angriff der Klonkrieger« ist dennoch besser als »Die dunkle Bedrohung« geworden. Das liegt - abgesehen von der Lovestory - daran, dass erst gar nicht mehr versucht wurde, großartig sinnlose Neuerungen einzuführen. Der nervige Jar Jar Binks aus der »Episode I« hat nur einen Kurzauftritt, und statt eines müden Rennens in einer Arena, das an Ben Hur erinnert, gibt es wieder anständige Verfolgungsjagden durch Asteroidenfelder wie damals in »Das Imperium schlägt zurück«.

Das wirklich Interessante an »Episode II« könnte sein, dass ein Sequel von »Star Wars« erstmalig nicht nur auf seine eigene Kosmologie aufbaut und sich nicht nur um sich selbst »once upon a time in a galaxy far, far away« dreht, sondern dass man es im Hier und Jetzt ansiedeln und auf die Gegenwart beziehen kann. Selbst mit der Debatte um den Amoklauf in Erfurt lässt sich die Geschichte verbinden.

Anakin wird grenzenlos böse werden, das weiß man bereits, und im Verlauf von »Episode II« wird seine aggressive Veranlagung auch immer deutlicher. Doch obwohl Anakin sozusagen von Natur aus arrogant ist und aufrührerische Machtphantasien hegt, als ihm von Obi-Wan Kenobi seine Grenzen aufgezeigt werden, steckt in ihm doch kein Gen, das ihn zwangsläufig zum Serienkiller werden lässt. Er ist nicht böse, sondern er wird vielmehr böse gemacht. Als glubschäugige Nomadenfreaks seine Mutter töten, dreht er durch, missbraucht seine Macht und tötet alle, »auch die Mütter und Kinder«, weil sie »wie Tiere sind«. Anakin muss grenzenloses Leid erdulden, erst das macht ihn zum Schlächter. Somit lautet die sozialpädagogische bis marxistische These von »Episode II«: Nur eine schlechte Welt gebiert Monster.

Auch auf einer anderen Ebene wird die Bedeutung von »Star Wars« für die Hysterie nach Erfurt transparent. Im selben Jahr, in dem »Star Wars« in die Kinos kam, eroberte das Ballergame »Space Invaders« weltweit die Spielhallen. Darin ging es darum, möglichst viele feindliche Raumschiffe abzuknallen. Die Gewaltdebatte rund um Computerspiele wurde eröffnet und immer wieder die Inspiration des Spiels durch »Star Wars« betont. In letzter Konsequenz kann man den Film entsprechend auch für die Ego-Shooter-Games, die Robert Steinhäuser exzessiv gezockt haben soll, verantwortlich machen.

»Episode II« weist natürlich vor allem Parallelen zum Weltraum-Shooter auf, bedient sich jedoch erstaunlicherweise in einer Sequenz bei einem ganz anderen Genre aus der Welt der Computergames. So geraten Anakin und Padmé in eine Droidenfabrik, in der sich alle Abläufe so gestalten wie in einem Jump & Run-Game. Anakin muss riesigen Pressen ausweichen, sich nebenbei pelzige Flatterviecher vom Leib halten und außerdem die Prinzessin retten. Super Mario und Donkey Kong lassen grüßen. George Lucas scheint hiermit eine offene Rechnung begleichen zu wollen. So wie die Computerspielindustrie seine Ideen ausgebeutet hat, bedient er sich nun wiederum bei ihr.

Wie es in »Episode III« weitergehen wird, kann man sich nach dem »Angriff der Klonkrieger« auch schon denken. Anakin wird endgültig böse werden, weil er seiner Liebe, die ja eh nicht sein darf, da echte Helden für so was keine Zeit haben sollen, beraubt wird. Wäre Liebe möglich, müsste er nicht hassen, könnte die Message in »Episode III« lauten. Es wird jedenfalls noch einmal richtig dramatisch werden.

»Episode II - Angriff der Klonkrieger«, USA 2002. R: George Lucas. Start: 16. Mai