Die Union und das Zuwanderungsgesetz

Die große Volksabstimmung

Für Flüchtlinge und Migranten in Deutschland ist es ziemlich egal, ob der Bundeskanzler von der Union oder der SPD gestellt wird und ob der Scharfmacher an seiner Seite nun Otto Schily oder Günther Beckstein heißt. Weder das vollkommen verwässerte neue Staatsbürgerschaftsrecht noch das neue Zuwanderungsgesetz sind ein Grund, die rot-grüne Bundesregierung wiederzuwählen.

Ganz im Gegenteil: »Besser kein Zuwanderungsgesetz als dieses«, befand der Bayerische Flüchtlingsrat über die neue Zuwanderungsregelung, die nicht nur Internierungslager, so genannte Ausreisezentren, vorsieht, sondern auch die Residenzpflicht auf weitere Personengruppen ausdehnt und die rechtliche Stellung von Flüchtlingskindern weiter verschlechtert.

Derzeit macht eben ein Innenminister der SPD die Drecksarbeit. Schily schnürt die Anti-Terror-Pakete und setzt sich auf europäischer Ebene dafür ein, dass die Herkunftsländer der Flüchtlinge sowie die Transitstaaten in Zukunft mit Sanktionen rechnen müssen, wenn sie ihre Grenzen nicht dicht genug machen.

Ein Innenminister Beckstein würde das kaum anders machen. Er würde auch weder die Greencard wieder abschaffen, mit der die nützlichen, weil volkswirtschaftlich verwertbaren Ausländer ins Land geholt werden sollen, noch würde er das neue Zuwanderungsgesetz rückgängig machen, das dasselbe Ziel verfolgt. Da sind die Interessen der deutschen Wirtschaft vor, die der Union schon seit Monaten zu verstehen gibt, dass sie auf nützliche Migranten auch unter einem Bundeskanzler Edmund Stoiber nicht verzichten will.

Trotzdem werden die CDU und die CSU einen migrantenfeindlichen Wahlkampf führen. »Zuwanderung wird auch ein Hauptthema im Wahlkampf«, kündigte der Generalsekretär der CDU, Laurenz Meyer, schon einmal an. Und für den Fall, dass Bundespräsident Johannes Rau in den nächsten Tagen oder Wochen das neue Zuwanderungsgesetz unterschreiben sollte, das im Bundesrat unter verfassungsrechtlich fragwürdigen Umständen verabschiedet worden war, drohte der Fraktionsvorsitzende der Union, Friedrich Merz: »Die Bundestagswahl wird zur Volksabstimmung über das Zuwanderungsgesetz.«

Dabei fällt auf, dass der Kanzlerkandidat Edmund Stoiber, der in der Vergangenheit aus seiner rassistischen Grundhaltung kaum einen Hehl machte, sich in der aktuellen Debatte deutlich zurückhält. Das mag einerseits damit zusammenhängen, dass es für ihn angesichts seiner rhetorischen Fähigkeiten vielleicht besser ist, den Mund zu halten, um eine weitere Blamage wie bei seinem Auftritt in der ARD-Sendung »Christiansen« zu vermeiden.

Vielleicht hat die Union aber auch von der Taktik der FDP im Antisemitismusstreit gelernt. Der Chef mimt den liberalen Staatsmann und überlässt die dumpfen rechten Töne seinen Chargen. Etwa seiner rechten Hand Beckstein: »Wir werden mit Argumenten die Sorgen der Bürger ansprechen«, verkündete er im Interview mit der Münchner Abendzeitung. »Angesichts von vier Millionen Arbeitslosen ist auch das Zuwanderungsthema von großer Bedeutung.«

Das bewusste Schüren von Ressentiments rechtfertigt Beckstein damit, dass sich sonst »das Thema andere Sprachrohre« suche. »Womöglich hätten wir gar die Grundlage für eine rechtspopulistische Partei gelegt.« Das ist ein guter Witz: In Bayern ist seit Jahrzehnten eine rechtspopulistische Partei an der Regierung, die sich vorzüglich darauf versteht, Stimmung gegen Migranten zu machen.

Wie gesagt: Ob Stoiber oder ob Schröder Bundeskanzler ist, macht für Flüchtlinge und Migranten keinen Unterschied was die politischen und rechtlichen Auswirkungen angeht. Für die Stimmung in der Gesellschaft macht es aber sehr wohl einen.