Rechtsstaatliche Offensive kandidiert für den Bundestag

Schill stoppt Stoiber

Die Partei Rechtsstaatliche Offensive zwingt ihren Vorsitzenden zur Kandidatur. Ihr werden drei Prozent vorhergesagt.

Ronald Schill will nun doch im Herbst von der Elbe an die Spree ziehen. Dabei ist die Kandidatur der Partei Rechtsstaatliche Offensive (Schill-Partei) zur Bundestagswahl auf dem Parteitag am 22. Juni gegen den Willen des Vorsitzenden, des Hamburger Innensenators, beschlossen worden.

»Mein Herz schlägt für eine Teilnahme, aber mein Verstand spricht dagegen«, versuchte Schill in Hamburg die etwa 860 anwesenden Delegierten dazu zu bewegen, auf eine Kandidatur zu verzichten. Denn ein Erfolg sei kaum möglich. »Wir haben finanzielle, organisatorische und personelle Probleme. Wenn wir teilnehmen, wird das ein Desaster.« Vor allem klagte Schill über das Personal und die Querelen in der Partei. »Wir haben überproportional viele Querulanten. Das sind Einzelkämpfer, die sich gegenseitig die Köpfe einschlagen.« Die Partei sei derzeit »ein Anziehungspunkt für Glücksritter«. In der Hamburger Parteizentrale, berichtete Schill, seien schon fünf Bewerbungen für das Amt des Bundesaußenministers eingegangen. »Wenn wir nicht zur Bundestagswahl antreten, dann sind diese Querulanten der Hauptgrund.« Ihrer müsste man sich erst durch »einen Reinigungsprozess entledigen«.

»Meine Neigung anzutreten, ist sehr gering«, erklärte Schill im Januar, als Edmund Stoiber zum Kanzlerkandidaten der Union gekürt worden war. »Gegen Stoiber haben wir wenig Argumente.« Dennoch könnte man »sehr viel deutlicher Akzente« setzen. Dieses »Jein« des Vorsitzenden weckte bei manchen Mitgliedern große Hoffnungen. Schon vor dem Bundesparteitag am 11. Mai hatten sich die Parteifunktionäre Dieter Mückenberger aus Nordrhein-Westfalen, Hans-Joachim Selenz aus Niedersachen und Martin Moderegger aus Thüringen vehement für eine Kandidatur eingesetzt.

Allein die Satzung verhinderte einen entsprechenden Beschluss. Statt der nötigen 1 285 Mitglieder waren nur 1 039 anwesend. »Ich würde liebend gerne antreten«, verkündete Schill schon zu diesem Zeitpunkt, »wenn nicht - leider - gewichtige Gründe dieses Vorhaben zum Scheitern bringen würden.« Folgenlos blieb der Parteitag jedoch nicht. Der Bundesvorstand enthob die drei Herren ihrer Funktionen und verschob die Neugründungen von Landesverbänden. Denn wenn fünf neue Landesverbände neben denen in Hamburg und Sachsen-Anhalt entstünden, ahnten interne Kritiker, müsste der Bundesvorstand neu gewählt werden.

Doch am 22. Juni half dies alles nichts. Das Parteivolk wollte einfach nicht auf seinen Vorsitzenden hören. »Aus Verantwortung für Deutschland« wolle er nicht antreten, die Gefahr sei zu groß, knapp unter fünf Prozent zu bleiben und der Union notwendige Stimmen wegzunehmen. »Das würde ich mir nie verzeihen. Ich will nicht zum Steigbügelhalter von Rot-Grün werden.«

Dennoch stimmten 453 Mitglieder für eine Teilnahme, 386 dagegen. »Jetzt geht's los«, jubelten die Mitglieder, und der Vorsitzende verkündete: »Ihre Begeisterung zeigt, dass die Entscheidung anzutreten richtig ist. Ich nehme die Herausforderung an.« Der nunmehr Überzeugte begann auch sogleich mit dem Wahlkampf: »Wir lehren den Altparteien das Fürchten.« Die Liberalen und die Unionsparteien seien längst »domestiziert und sozialliberalisiert« und würden der Zuwanderung keinen Einhalt gebieten.

Schill setzt nach wie vor auf rassistische Ressentiments. Seiner Ansicht nach »verfrühstücken die arbeitslosen Ausländer und Zuwanderer unseren Wohlstand«, und die »32 000 Islamisten in Deutschland« bildeten »ein unerschöpfliches Reservoir für Terroristen«. Insbesondere die FDP, mit Jürgen Möllemann, der »sich nicht zu schade« sei, »Verständnis für terroristische Attentäter aufzubringen«, mache eine Kandidatur notwendig.

»Die Kandidatur ist keine ernst zu nehmende Konkurrenz«, bemüht sich dagegen der Generalsekretär der CDU, Laurenz Meyer, um Gelassenheit. Doch gleichzeitig betont er, dass jede Stimme für Schill eine verlorene Stimme sei. Klaus-Peter Schöppner, der Leiter des Emnid-Instituts, geht sogar noch weiter. »Die Schill-Partei könnte der Union rund drei Prozent der Stimmen wegnehmen. Dann könnte es für die mögliche Regierungsmehrheit von CDU/CSU ungemütlich werden.« Und Forsa-Chef Manfred Güllner weiß: »Wenn Schill sich früher festgelegt hätte, hätte er Erfolg gehabt, weil es in Deutschland gute Chancen für eine rechtspopulistische Partei gibt.« Auf etwa 15 Prozent schätzt er das Wählerpotenzial für die Rechtspopulisten.

Bevor die Schill-Partei aber wirklich antreten kann, muss sie noch einige Formalitäten erfüllen. Insgesamt 16 Landeslisten sind aufzustellen, Unterstützungsunterschriften sind bis zum 18. Juni beim Bundeswahlleiter einzureichen. So entscheiden zunächst nicht die Wähler, sondern die Mitglieder über die Perspektive der Partei. Dass mit der Kandidatur das »Ende der Partei« eingeläutet sei, wie manche Kommentatoren jetzt schon glauben, ist fragwürdig. Gelingt es den 6 100 Mitgliedern, trotz Kompetenzmängeln und Finanzsorgen bundesweite Strukturen aufzubauen und geschlossen in den Wahlkampf zu ziehen, ist auch ein Erfolg möglich. Nach einer Emnid-Umfrage vom Juni käme die Partei auf »elf Prozent der Stimmen«.

Misslingt der Einzug in den Bundestag, wird zumindest der Aufbau der Parteistrukturen ein gutes Stück vorangeschritten sein. Mittlerweile präsentierte Schill zwei Wahlkampfmanager, Detlef Münch aus Dortmund und Dirk Weßlau aus Barnim. Siegessicher verkündete Münch auf der Pressekonferenz: »Wer kein Zuwanderungsgesetz will, kann nur uns wählen.« Und Schill ergänzte: »Wir haben klare und eindeutige Positionen.« Wo er Recht hat, hat er Recht.