Landwirte gegen EU-Beitritt

Ackern ohne Gewinn

Die polnischen Landwirte füchten den EU-Beitritt. Dennoch beteiligen sich nur noch wenige an den Aktionen der nationalistischen Bauernpartei Samoobrona.

Der polnische Verwaltungsminister Krzysztof Janik ist stolz auf seine Landsleute. In der vergangenen Woche bescheinigte er ihnen »politische Reife«, weil sich Ende Juni nur wenige Polen an den Protesten des nationalistischen Anführers der Bauernpartei Samoobrona (Selbstverteidigung) beteiligt hatten. Andrzej Lepper hatte eine ganze Reihe von Demonstrationen in mehreren Städten angekündigt, die das ganze Land lahm legen und ihm an die Regierung helfen sollten.

Seit 1992 hatten Lepper und seine Partei mit Protesten gegen den EU-Beitritt und gegen die Öffnung des polnischen Agrarmarktes für Billigimporte für Aufsehen gesorgt. In den vergangenen drei Jahren mit so großem Erfolg, dass die Proteste als Gefahr für das politische System eingestuft wurden (Jungle World, 35-36/99). Die diesjährige Demonstration in Radom, für die Tausende Teilnehmer angekündigt waren und bei der Lepper anwesend war, dauerte etwa eine Viertelstunde. Nur etwa 100 Anhänger der Samoobrona kamen.

Die Mitte Mai von Lepper organisierte Besetzung des Landwirtschaftsministeriums war ebenfalls kein Erfolg. 200 Anhänger der Samoobrona stürmten das Ministerium und verlangten ein Gespräch mit dem Landwirtschaftsminister Jaroslaw Kalinowski darüber, wie die Rentabilität der landwirtschaftlichen Produktion zu verbessern sei. Die Demonstranten warfen mit Flaschen, ein paar Fensterscheiben zerbrachen. Schließlich setzte die Polizei Tränengas ein und räumte das Gebäude.

Lepper bezeichnet sich als Nationalist, aber »nicht so einer, der zum Abschlachten von Juden auffordert, sondern jemand, der darauf besteht, dass in Polen die Polen regieren sollen«, wie auf der Webseite von Samoobrona zu lesen ist. Es war daher kein Zufall, dass bei dem von Lepper organisierten »Sturm« auf das Landwirtschaftsministerium auch Parolen wie »Juden nach Israel« gerufen wurden.

Nach einer Umfrage des Zentrums zur Untersuchung der Öffentlichen Meinung (CBOS) ist Leppers Stern in letzter Zeit allerdings im Sinken begriffen. Während bei Umfragen im Oktober des vergangenen Jahres noch 53 Prozent der Polen angaben, ihm zu vertrauen, waren es Mitte dieses Jahres noch 38 Prozent.

Ein Grund für den Vertrauensverlust könnte sein, dass Lepper sein Image des politischen Saubermannes nicht mehr aufrechterhalten kann. Wie die Zeitung Dziennik Lodzki im Mai berichtete, erhielt die im vergangenen Jahr gegründete Gewerkschaft der Landwirte Ojczyzna (Vaterland) in letzter Zeit Hunderte Beitrittsanträge enttäuschter Mitglieder der Samoobrona, die behaupten, Lepper habe ihnen für den Wahlkampf geliehenes Geld nicht zurückgezahlt. Der Populist gilt nun scheinbar selbst bei vielen seiner Anhänger als zwielichtige Gestalt.

Leppers politisches Anliegen ist dagegen so aktuell wie nie zuvor. Kurz vor dem Beitritt zur EU befürchten immer mehr Bauern, dass ihre Höfe dem Wettbewerb nicht standhalten werden. Sie sorgen sich vor allem wegen der vergleichsweise schlechten Qualität des polnischen Ackerlandes. Die besten Böden machen nur 3,3 Prozent der nutzbaren Fläche aus, über 30 Prozent sind hingegen nur für den Anbau von Kartoffeln und Roggen geeignet. Doch für diese beiden Nutzformen zahlt die EU keine Beihilfen.

Hinzu kommt, dass der Beitrag der polnischen Landwirtschaft zum Inlandsprodukt jährlich sinkt. Vor zwei Jahren betrug er nur 3,6 Prozent, während gleichzeitig mehr als ein Viertel aller Beschäftigten in der Landwirtschaft tätig ist. In Frankreich beträgt der Anteil der Agrarwirtschaft 3,3 Prozent, aber auch nur vier Prozent aller Beschäftigten arbeiten in diesem Sektor.

Für große Aufregung sorgen daher Äußerungen wie die des dänischen Premiers Anders Rasmussen. Wenn Polen nicht bereit sei, bis Ende des Jahres die Beitrittsverhandlungen abzuschließen, könnte sich die Aufnahme des Landes bis zum Jahr 2007 verzögern, drohte er Anfang Juli nach der Übernahme der EU-Präsidentschaft.

Umstritten ist vor allem die von der Erweiterungskommission vorgeschlagene Regelung der Agrarbeihilfen. Demnach werden die neuen Mitglieder im ersten Jahr nur ein Viertel der in der EU geltenden Subventionen erhalten, während sie gleichzeitig ihre Märkte für alle EU-Landwirtschaftsprodukte öffnen müssen. Bis zum Jahr 2013 sollen die Zuwendungen dann allmählich erhöht werden.

Auch die deutsche Regierung verschärfte in den vergangenen Wochen ihren Ton. Vor der Bundestagswahl könne man weiteren finanziellen Absprachen mit den Bewerberländern nicht zustimmen, hieß es in einer Stellungnahme. Beim Thema Direktbeihilfe für Landwirte müsse eine harte Position eingenommen werden.

Die Äußerungen der Bundesregierung lösten bei polnischen Politikern und in der Presse empörte Reaktionen aus. Der polnische Landwirtschaftsminister und Vizepremier, Jaroslaw Kalinowski, erklärte, die EU-Erweiterung sei in großer Gefahr, wenn die polnischen Bauern keine Direktzahlungen erhalten. Die deutschen Forderungen stellten den vereinbarten Zeitplan der Beitrittsgespräche in Frage und seien ein sehr schlechtes Zeichen für weitere Verhandlungen.

Auch die an der Regierung beteiligte Polnische Bauernpartei (PSL) bekräftigte, dass sie den EU-Beitritt strikt ablehne, falls die polnischen Landwirte nicht in gleicher Höhe Subventionen erhielten wie ihre Kollegen in Westeuropa. Vor allem Lepper machte wie gewöhnlich durch besonders ausfällige Bermerkungen auf sich aufmerksam. Der Landwirtschaftsminister sei »ein Scheißkerl, der seit langem weiß, dass die Union Polen betrügen will«, um es ausschließlich als einen Absatzmarkt zu benutzen, erklärte er im Parlament.

Doch die Zeiten, in denen Lepper mit solchen Beschimpfungen großen Zuspruch verzeichnen konnte, sind inzwischen vorbei. Zu Beginn ihrer Amtszeit hatte die Koalition noch versucht, Lepper in die Regierung einzubinden. Trotz seiner antisemitischen und regierungsfeindlichen Ausfälle wurde er zum Vizemarschall des polnischen Parlaments gewählt. Nach nur fünf Wochen Amtszeit war damit allerdings wieder Schluss. Die Mehrheit des polnischen Abgeordnetenhauses sprach Lepper das Misstrauen aus, nachdem er mehrere hohe Politiker der Korruption bezichtigt und den Außenminister Wlodzimierz Cimoszewicz als eine »Kanaille« bezeichnet hatte.