Die Bretagne

Action bretonne

Einst kollaborierten bretonische Nationalisten mit den Nazis, später legten sie Bomben.

Der französische Rechtsextremist Jean-Marie Le Pen ist Bretone. Besonders beliebt ist er bei der bretonischen Unabhängigkeitsbewegung dennoch nicht. Anhänger der linksnationalistischen Separatisten-Organisation Emgann (Der Kampf) schütteten im Mai, nach dem ersten Wahlgang der französischen Präsidentschaftswahlen, 50 Kilo Dünger vor das Haus Le Pens im bretonischen La-Trinité-sur-Mer.

Denn seit Ende des Zweiten Weltkriegs achten die meisten bretonischen Separatisten darauf, sich von Rechtsextremen abzugrenzen. Während der Besetzung Frankreichs diskreditierten sich einige maßgebliche Gruppierungen durch ihre Kollaboration mit den Deutschen bei der Mehrheit der Bretonen und im ganzen Land. Die Deutschen sollten sie in ihrem Kampf um Unabhängigkeit einen entscheidenden Schritt voranbringen.

Damit wollte man endlich den Unionsvertrag von Vannes revidieren, mit dem 1532 die »immer währende Union des Landes und Herzogtums Bretagne mit dem Königreich und der Krone Frankreichs« festgelegt worden war. Mit diesem Vertrag wurde die Bretagne eine französische Provinz. Nach der französischen Revolution wurde sie in eine Region mit fünf Departments umgewandelt. Anfangs hatte das Gebiet eine eigene Sprache, die allmählich, unter dem Druck der Zentralregierung, vom Französichen verdrängt wurde.

Der Unionsvertrag verbietet es, einen unabhängigen bretonischen Staat zu gründen - sehr zum Missfallen vieler bretonischer Separatisten, deren Ziel ein eigener Staat ist. Neben dieser Maximalforderung sind die Verteidigung der Sprache und Traditionen, die »Anerkennung ihrer eigenen Geschichte« und der Kampf gegen den französischen Zentralismus seit Jahrhunderten erklärte Ziele der Regionalisten.

Anfang des 20. Jahrhunderts begeisterten sich die meisten Bretonen für den Kampf der Unabhängigkeitsbewegung. Ihre Vertreter in der Sozialistischen Föderation der Bretagne, die katholische Vereinigung Bleun Brug und die Union der bretonischen Jugend (Unvaniez Yaouankiz Breiz) beschränkten sich allerdings auf kulturelle Aktivitäten und lange Reden.

Während des Zweiten Weltkriegs ergriffen einige Separatisten die Möglichkeiten, die ihnen die Nazis boten. Zur Freude der Deutschen, für die die Region eine besondere Bedeutung bei der atlantischen Verteidigung des Reichs hatte.

1940 gründeten ehemalige Mitglieder der Bretonischen Nationalistischen Partei den rechtsextremen Bretonischen Nationalrat. Die Gründer waren vom Kampf der IRA inspiriert und verstanden sich als Teil der faschistischen Bewegung in Europa. In seiner Zeitung L'Heure Bretonne verbreitete der Nationalrat antisemitisches und antifranzösisches Gedankengut und wurde dabei von den deutschen Besatzern finanziell unterstützt.

Daneben profilierten sich vor allem die bretonischen Zeitungen Gwalarn und Arvor mit antisemitischer Hetze. Beide Organe wurden von Roparz Hemon gegründet, dem so genannten Pionier der Kollaboration. Er war auch Chef von Radio Paris, das von der deutschen Propagandastaffel bezahlt und kontrolliert wurde. Hemon bezeichnete sich als »Anhänger einer treuen Kollaboration mit all den Völkern, die in unseren Augen das neue Europa bilden«. Soviel Anhänglichkeit wurde belohnt. 1941 sponserten ihm die Besatzer das keltische Institut der Bretagne. Aber auch Künstler wie die Gruppe Seiz Breur (Sieben Brüder), die sich für moderne bretonische Kunst engagierte, ließen sich von den Nazis aushalten.

Die Rechnung der Deutschen ging allerdings nicht auf. Ein Großteil der bretonischen Bevölkerung distanzierte sich von der politischen Ausrichtung der Befreiungsbewegung und wollten mit dem Nationalrat nichts zu tun haben.

Die Deutschen, die die Bretonen für sich gewinnen wollten, ersetzten darauf die unbeliebten Mitglieder des Rats durch gemäßigtere Separatisten. Kurz darauf gründeten die Extremisten die Kampfgruppe Bezen Perrot, die sich der Besatzungsmacht als Hilfstruppe anbot.

So nahmen im Sommer 1944 mit Nazi-Uniformen bekleidete Mitglieder der Miliz an den Kämpfen gegen die Resistance teil und waren an der Ermordung französischer Widerstandskämpfer beteiligt.

Die Kollaboration mit den Nazis diskreditierte die Unabhängigkeitsbewegung auch in den Augen der meisten Bretonen. Mehrheitlich hatten sie den französischen Widerstand unterstützt. Dennoch stand für viele Franzosen lange Zeit der bretonische Regionalismus für die Kollaboration mit den Nazis, erst ab den sechziger Jahren wurde er mit Terrorismus assoziiert.

1964 entstand die bretonische Befreiungsfront (Front de Libération de la Bretagne, FLB), die sich im Untergrund organisierte. Zwischen 1964 und 1969 führte die FLB mehr als dreißig Terroranschläge in ganz Frankreich durch, von Molotowcocktailwürfen gegen eine Unterpräfektur über Brandstiftungen bis zur völligen Zerstörung einer Kaserne der Bereitschaftspolizei. 1969 wurden ungefähr fünfzig Anhänger dieser Organisation verhaftet.

Anfang der siebziger Jahre gründete sich die Revolutionäre Bretonische Armee (ARB), die im folgenden durch mehrere Terroranschläge auf sich aufmerksam machte. 1982 wurde die linksnationalistische Gruppe Emgann gegründet, die im Ruf stand, den legalen Arm der militanten ARB zu bilden.

Um sich von rechten Nationalisten abzugrenzen, trat sie 1987 in die bretonische antifaschistische Front ein. Auf der extremen Rechten existieren einige bretonische Organisationen, wie zum Beispiel die Bretonische Regionalistische Bewegung, die gegen Immigranten und Nicht-Bretonen hetzen.

Im April 2000 verübte die ARB einen Anschlag auf die McDonald's-Filiale in Quévert, bei dem die 28jährige Angestellte Laurence Turbec ums Leben kam. Die Anschläge hatten erstmals ein Todesopfer gefordert. Kurz darauf wurden 13 mutmaßliche ARB-Mitglieder festgenommen (Jungle World, 22/00). Seither ist es still geworden um den militanten Separatismus im Nordosten Frankreichs.

Seit Ende der sechziger Jahre gelangte die gemäßigte Union Démocratique Bretonne (UDB) zu einer gewissen Bedeutung. Die UDB ist in der Bretagne eine Fünf-Pozent-Partei und steht den französischen Sozialdemokraten nahe.

Insgesamt tritt der bretonische Nationalismus derzeit eher als als kulturelle denn als politische Bewegung auf. So bescheiden die Erfolge der politischen Gruppen ausfallen, so groß ist die Beliebtheit, die sich etwa die Festivals keltischer Musik oder der bretonischsprachige Fernsehkanal erfreuen.

Wohl auch deshalb kommt der Bretone Le Pen hier nicht so gut an. Nur rund zehn Prozent erzielte er bei den Präsidentschaftswahlen in der Bretagne, gegenüber 18 Prozent im Landesdurchschnitt.