Rechte Intellektuelle denken über den Arbeitsbegriff nach

Die Arbeit der Nation

Die intellektuelle Rechte diskutiert über den Arbeitsbegriff. »Nationalrevolutionäre« lassen sich dabei von linken Ökonomen inspirieren.

Gegen die Globalisierung«, »Frei, sozial, national« - solche Sprüche rangieren in der Hitliste der Nazi-Demo-Parolen derzeit ganz weit oben. Während jedoch die militanten Kameraden gegen die Globalisierung aufmarschieren wie am 1. Mai in Frankfurt am Main und eine »nationale Lösung der sozialen Frage« propagieren, biedern sich so genannte rechtspopulistische Parteien in ganz Europa den Konservativen als Koalitionspartner an, um neoliberale Konzepte durchzusetzen, wie es etwa die Freiheitliche Partei in Österreich vorgemacht hat. In ökonomischen Fragen gibt die extreme Rechte in Deutschland seit jeher ein widersprüchliches Bild ab. Deshalb dürften auch die Gedanken von Alain de Benoist zur »Ideologie der Arbeit« ein geteiltes Echo finden.

Der französische Rechtsextremist hat bislang vor allem mit zwei Konzepten von sich reden gemacht. So brachte er den Begriff »Ethnopluralismus« ins Spiel, der den völkischen Grundgedanken nicht mehr mit biologischen Rassenunterschieden, sondern mit angeblich wesenhaften Unterschieden zwischen Kulturen begründet. Außerdem formulierte Benoist das Konzept der »Metapolitik«, das die strategische Bedeutung eines rechten Kulturkampfes als Voraussetzung der politischen Machtübernahme betont.

Ein diskursiver Kniff dieses Konzepts besteht darin, linke Argumente verkürzt zu übernehmen und Theoretiker der Linken für die eigenen Zwecke zu vereinnahmen. So sollen, ganz im Sinne der rechtsextremen Querfrontstrategie, Diskussionen zwischen links und rechts simuliert werden. Benoist bezeichnet zum Beispiel den Ethnopluralismus als »wahren Antirassismus«, und bei seinem Plädoyer für einen rechten Kulturkampf bezieht er sich auf das Hegemoniekonzept des italienischen Marxisten Antonio Gramsci.

Im Zusammenhang mit der Debatte um das »Ende der Arbeit« versuchte Benoist auf eine ähnliche Weise auch André Gorz, einen exponierten Vertreter der französischen Linken, für seine Nouvelle Droite zu vereinnahmen. »André Gorz gehört zu denjenigen, die am besten erkannt haben, wie sehr das, was wir heute 'Arbeit' nennen, in seiner Gesamtheit eine Erfindung der Moderne ist«, schreibt Benoist in seinem Aufsatz »Die Ideologie der Arbeit«, den er bereits 1992 publizierte. Er greift Gorz' Überlegungen zur Arbeitsgesellschaft vor allem deshalb auf, weil sie ihm ein willkommenes zusätzliches Argument für seine Kritik an der Moderne liefern.

Das Christentum und den Liberalismus, die Benoist ansonsten wegen ihrer Behauptung universeller menschlicher Gleichheit bekämpft, macht er nun auch für einen Effekt des Kapitalismus verantwortlich. Er kritisiert die »Art und Weise, wie der Begriff 'Arbeit' heutzutage - in völligem Gegensatz zur idealen Vorstellung der Antike - unterschiedslos auf jegliche Form regelmäßiger Tätigkeit oder Beschäftigung angewendet wird«.

Der Text endet mit einem Zitat von Gorz: »Die wirtschaftliche Rationalisierung der Arbeit setzt sich also gegen den antiken Begriff der Freiheit durch. Sie brachte und bringt das Individuum hervor, das in seiner Arbeit entfremdet ist und es zwangsläufig in seinem Verbrauch und letzten Endes auch in seinen Bedürfnissen sein wird.« Auch Gorz' Forderung nach einer staatlich garantierten Existenzsicherung findet sich in einem Manifest der Nouvelle Droite, das Benoist mitverfasst hat. Analog zu seiner Rezeption Gramscis, die das materialistische Element der Hegemonietheorie unterschlägt, ignoriert er, dass es Gorz ausdrücklich um das universalistische Projekt der Überwindung des Kapitalismus zugunsten einer freien Assoziation geht.

Gorz macht im Anhang zur deutschen Ausgabe seines Buches »Arbeit zwischen Misere und Utopie« deutlich, dass er mit Benoists Vorstellungen von Gemeinschaft oder organischer Wirtschaft nichts zu tun haben will: »Die Idee einer 'Gemeinschaftsgesellschaft'«, wie sie Benoist vertrete, »drückt die Sehnsucht nach einer einfachen, transparenten, prämodernen Welt aus, in der die Gesellschaft wie eine ursprüngliche Gemeinschaft funktioniert, in der also die angeborene Zugehörigkeit zugleich die Identität jedes einzelnen Mitglieds und seine Rechte begründet. Diese Art angeborene Zugehörigkeit besitzt eine unvermeidliche rassistische Konnotation.«

Doch auch deutliche Abgrenzungen schützen nicht vor Vereinnahmungsversuchen. 1999 erschienen das Manifest der Nouvelle Droite und Benoists Aufsatz zusammen mit anderen Pamphleten des neurechten Theoretikers in einem Band der Edition Junge Freiheit auf deutsch. In der gleichnamigen Wochenzeitung schrieb Matthias Seegrün im Juni 2000 über die Thesen von Benoist. Eine längere Version dieses Artikels druckte auch die nationalrevolutionäre Zeitschrift wir selbst (Nr. 1/01).

Darin behauptet der Autor, dass die Gedanken von Gorz und Benoist »durchaus miteinander vereinbar« seien. Unterschiede bestünden lediglich in der »Wertung der Moderne, die je nach Betonung ihrer emanzipatorischen (Gorz) oder destruktiven Aspekte (Benoist) entweder vollendet oder in eine Postmoderne überwunden werden soll«. Ergänzend dazu heißt es nach einer ebenso langwierigen wie fehlerhaften Darstellung von Gorz' Konzept: »Während Gorz (...) einzig die Emanzipation des Individuums im Auge hat (...), geht es der Neuen Rechten daneben um eine Wiederverwurzelung des Menschen auf ethnisch-kultureller Basis als Antwort auf die als Folge der Moderne aufgekommene Identitätsfrage.« Der Autor suggeriert, Gorz' marxistische Kritik der kapitalistischen Arbeitsgesellschaft könnte problemlos von ihrem universalistischen Ausgangspunkt getrennt und mit Benoists Ethnopluralismus-Ideologie verknüpft werden.

Auch die übliche rechtsextreme Globalisierungsschelte, die Seegrün als exklusives Produkt der Neuen Rechten ausgibt, darf da nicht fehlen. Deren vorrangiges Ziel sei es, »den zunehmenden Vereinheitlichungstendenzen zu begegnen und die als wesentlichen Reichtum der Menschheit erkannte Vielfalt der Völker und Kulturen zu bewahren«. Doch gerade unter den »Bedingungen des globalen Kapitalismus« sei diese Vielfalt besonders bedroht. »Während die einen gezwungenermaßen ihre Heimat verlassen, erleben die anderen den fremden Zuzug zunehmend als 'Überfremdung'. (...) Im Gegensatz zu bestimmten fremdenfeindlichen Strömungen, die die Probleme der westlichen Gesellschaften auf die Immigration zurückführen, erkennt sie die primäre Ursache der Gesamtentwicklung in der Globalisierung der Wirtschaft.«

Von welchen »fremdenfeindlichen Strömungen« Seegrün die Neue Rechte hier abgrenzt, bleibt sein Geheimnis. Die Glatzkopffraktion jedenfalls hat neben Baseballschlägern mittlerweile die gleiche Antiglobalisierungsrhetorik im Gepäck wie ihre »intellektuellen« Kameraden.

Während wir selbst eher »nationalrevolutionär« ausgerichtet ist, neigt die Junge Freiheit stärker der neoliberalen Fraktion der extremen Rechten zu. Den JF-Lesern muss die Kapitalismuskritik erst noch schmackhaft gemacht werden. So findet sich in der JF folgende Bemerkung, die man in wir selbst vergeblich sucht: »Kritikern, die vielleicht schon eine neue Spielart von Kommunismus wittern, kann entgegengehalten werden, dass die Gorzsche Ökonomie zwar ein weitgehendes Zurückdrängen des Marktes, jedoch nicht dessen gänzliche Aufhebung bedeutet, da dieser weiterhin den makrosozialen Austausch sicherstellen soll.« Nationalliberale oder jungkonservative Befürworter des Neoliberalismus werden sich davon wohl kaum beruhigen lassen.

Trotz der Widersprüche zwischen der »nationalrevolutionären« und der neoliberalen Fraktion der extremen Rechten kann von Berührungsängsten nicht die Rede sein. So ist Seegrün nur einer von vielen, die sowohl in der JF als auch in wir selbst publizieren. Und die Junge Freiheit wiederum präsentierte Benoist trotz seiner Thesen zur Ökonomie mehrfach auf der Frankfurter Buchmesse. Es geht schließlich um Volk und Nation. Da ist die Wirtschaft Nebensache.