PDS-Wahlkampf auf dem Alexanderplatz

Grenzgänger

Schwungvoll sollte es zugehen beim großen Wahlkampfauftakt der PDS auf dem Berliner Alexanderplatz am Donnerstag der vorigen Woche. Der Moderator versucht, Stimmung zu machen, doch seine flotten Sprüche verpuffen wirkungslos. Das Publikum ist mit sich selbst beschäftigt. Wo gibt es Wurst?

Die erste Rednerin steht bereit. Charismatisch ist sie nicht, intelligent auch nicht. Gabi Zimmer betritt die Bühne. Sie spricht, macht merkwürdige Pausen zwischen den Worten und gibt sich alle Mühe. Dennoch muss man fürchten, dass nicht nur die Zuhörer einschlafen. Zimmers originellste Idee ist eine Abwandlung der wohl beliebtesten Pazifistenparole. Aus Schwertern und Pflugscharen werden Bomben und Kindergärten im Osten.

Große Vorbilder bemüht die PDS, um zu retten, was schon verloren scheint. Aus den Tiefen der Mottenkiste gekramt, taucht Hoffmann von Fallersleben auf, ein großer Querdenker vor dem Herrn. Mit bitterem Spott soll er seinerzeit die sozialen Zustände angegriffen und die Herrschenden verhöhnt haben.

Im Auftrag der Partei belebt das Duo »Grenzgänger« die Tradition des deutschen Volksliedes. Eindringlich beschwören die beiden die Berliner, ja eigentlich die ganze Republik, aufzustehen und nicht länger tatenlos zuzusehen. »Der deutsche Michel lebt«, droht die Stimme aus den Boxen. »Heute wie damals sitzt er mit einer Dose Bier vor dem Fernseher«, heißt es, nicht ohne darauf hinzuweisen, dass es damals noch keinen Fernseher gegeben habe. Man will die PDS-Anhänger nicht unnötig ins Grübeln bringen.

Sie regen sich nur dann, wenn gegen die Reichen und Mächtigen gewettert wird. Und wenn ihr Liebling Gregor Gysi spricht. Er braucht nur den Mund zu öffnen, schon lachen sie schallend und freuen sich über jeden Kalauer. Ein Highlight jagt das nächste, sogar eine Weltpremiere wird geboten. Doch schon nach den ersten Takten des Wahlkampfliedes wünscht man sich nichts sehnlicher als ein hartes Durchgreifen der Geschmackspolizei gegen das dargebotene musikalische Verbrechen.

Beschworen wird auch die feministische Speerspitze der Berliner PDS im Kampf für eine bessere Welt. So viele Frauen befinden sich an der Spitze der Liste, das schafft sonst keine Partei. Frauen sind stark, Frauen sind besser, und Frauen sind schön anzusehen. Das Auge verlangt nach Bestätigung. Also betritt eine nach der anderen die Bühne. Schon halten sich vier Damen an den Händen, bloß Petra Pau fehlt, sie muss noch ihren abschließenden Satz ins Mikro sprechen.

Das geht daneben. Zu früh macht sie sich auf den Weg zu den Genossinnen, die Worte verhallen ungehört. Oh je, jetzt stolpert sie auch noch, fängt sich nur knapp und greift nach einer Hand. Das ist das Signal. Fast gleichzeitig strecken die fünf kämpferisch die Arme in den Himmel. Ein Bild für die Ewigkeit, fast so betörend wie der neue Wahlkampfslogan: »Heute popp' ich, morgen kiff' ich, übermorgen wähl' ich: PDS.« Liebe PDS, heute lachst du, morgen weinst du, übermorgen bist du: draußen.