Gute Laune schadet nicht

Das Scheitern der blau-schwarzen Regierung in Österreich bedeutet noch nicht, dass die rechtspopulistische FPÖ am Ende ist.

Kommt ein Mann zum Rabbi und beschwert sich. »Meine Wohnung ist zu klein, meine Frau ist mir fad und meine Kinder gehen mir auf die Nerven, das Leben ist schrecklich, was soll ich tun?« »Das wird schon wieder«, sagt der Rabbi, »nimm dir einfach ein paar Ziegen in die Wohnung.« Nach einer Woche kommt der Mann wieder. »Die Ziegen scheißen mir die Wohnung voll, sie stinken, sie meckern hysterisch und machen ein Theater, die Situation ist unerträglich!« »Jetzt schmeiß die Ziegen raus«, sagt der Rabbi. Am nächsten Tag fragt er ihn: »Und wie geht's dir jetzt?« »Wundervoll«, jubelt der Mann, »es ging mir nie besser!«

Dieser Witz beschreibt treffend die Stimmung in Österreich nach dem vorzeitigen Ende der blau-schwarzen Koalition. Jetzt, da die »Ziegen« weg sind, also einige Regierungsmitglieder der FPÖ nach monatelangen parteiinternen Querelen zurücktraten und damit die gesamte Regierung zu Fall brachten, fühlen sich viele Österreicher erleichtert. Was vorher als langweilige Stagnationsphase erschien, nämlich die ehemalige rot-schwarze Regierungszeit, danach sehnt sich jetzt jeder dritte Österreicher zurück.

Wenige Wochen vor den Neuwahlen, die voraussichtlich am 24. November stattfinden werden, hat das blau-schwarze Regierungsteam etliche Sympathien verloren. »Der frische Wind«, den selbst liberale Kommentatoren von einer blau-schwarzen Wende erwartet hatten, erwies sich als eine hysterische Operette der Tabubrüche. Auf dem Spielplan stand ein buntes Potpourri aus antisemitischen Beleidigungen, Besuchen im Irak, Rücktritten, Rücktritten von Rücktritten, der An- und gleichzeitigen Abschaffung von Kampfflugzeugen, der Demontage eigener Regierungsmitglieder und zuletzt der partiellen Selbstzerstörung der FPÖ. Jene Ziegenfreunde, die ihre Langeweile mit der Unterwerfung unter eine schneidig-fesche Führung zu kurieren hofften, haben genau das bekommen, was sie verdienten: eine Regierung, die der sozialdemokratische Wiener Bürgermeister Michael Häupl treffend als »Sauhaufen« bezeichnete.

Passend dazu zieht nun ausgerechnet ein Tierarzt, der bisherige Sozialminister Herbert Haupt, als Spitzenkandidat der Freiheitlichen in den Wahlkampf. Bisher fiel er vor allem durch Peinlichkeiten auf; so installierte er etwa als Frauenminister eine so genannte Männergleichstellungsabteilung. Nun soll er die zu erwartenden schweren Stimmenverluste der FPÖ an Jörg Haiders Stelle verantworten.

Haider hatte zunächst angekündigt, dass er die Parteiführung wieder übernehmen wolle. Doch nur drei Tage später, am vergangenen Samstag, zog er die Kandidatur zurück. Weil die FPÖ sich für den Kauf neuer Kampfflugzeuge entschieden habe, sei ihm klar geworden, dass die Partei wegen wirtschaftlicher Interessen »offensichtlich gelähmt« sei. So knapp begründete er seine überraschende Absage.

Viele Freunde schafft sich Haider mit seinen ständigen Meinungsänderungen nicht. In Umfragen ist die FPÖ auf 16 Prozent abgestürzt. Das sind zehn Prozent weniger als bei den letzten Parlamentswahlen. Was sicherlich nicht daran liegt, dass die von völkisch-kleinbürgerlichen Positionen gekennzeichnete Rest-FPÖ den abtrünnigen Wählern etwa zu rechtsextrem wäre, sondern eher daran, dass keiner versteht, warum die Partei freiwillig auf ihre neu erworbenen Pfründe verzichtet.

Das betrifft besonders den fälschlich als liberal bezeichneten Flügel der zurückgetretenen Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer. Ihre Fraktion bewies vor allem, dass sich völkische Grundüberzeugungen problemlos an eine neoliberale Pragmatik anpassen lassen. Jetzt kann sie nicht begreifen, wieso es plötzlich ein Problem damit geben soll, postfaschistische Ansätze politisch profitabel zu machen.

Dass die Freiheitliche Partei sich teilweise im Zustand der Selbstzerfleischung befindet und etliche Ortsgruppen sich selbst auflösen, sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie große Erfolge vorweisen konnte. Zwar sind es nicht die wenig beeindruckenden Veränderungen der Regierungspolitik, die der noch amtierende Bundeskanzler Wolfgang Schüssel als Errungenschaften von Schwarz-Blau anpreist. Die wirklichen Erfolge, die Schwarz-Blau verbuchen kann, sind vorrangig ideologische.

Zum ersten ist da eine bemerkenswerte und irreversible Verwahrlosung der politischen Sphäre. Das Prinzip der FPÖ ist bekannt, es geht um die Vorherrschaft eines reaktionären Diskurses, der Österreichs besondere Opferrolle betont. Der revanchistische Kurs gegen Tschechien wird mit Parolen gegen Atomkraftwerke, die EU und Ausländer bestritten, und wenn es um Frauenrechte geht, stehen von sowjetischen Truppen vergewaltigte Österreicherinnen im Vordergrund.

Humanitäre Motive wiederum sind die rhetorische Garnitur für die antisemitische Kumpanei Haiders mit Saddam Hussein. Dass dieser Politikstil in ganz Europa Schule macht, beweist Jürgen Möllemann. Gleichzeitig hat die FPÖ aber auch ihren eigenen Regierungssturz provoziert und Spekulationen über die Absichten dieser Strategie ausgelöst. Ein übergeordneter Plan ist aber leider für einen weiteren ideologischen Erfolg der Freiheitlichen gar nicht nötig, und das ist die zweite bittere Konsequenz aus dem blau-schwarzen Intermezzo. Denn wenn auch die Ziegen aus der österreichischen Wohnung ausgezogen sind, so haben sie doch in vielen anderen europäischen Häusern einen Platz gefunden.

Für diese Entwicklung war die Regierungsbeteiligung der FPÖ sicherlich der Präzedenzfall. Die EU hatte sich, ebenso wie Bundeskanzler Schüssel, eingebildet, die Rechtsextremen domestizieren zu können. Allerdings hat es sich gezeigt, dass auch in anderen europäischen Staaten das Gegenteil passieren kann.

Die Opposition reagiert bisher auf das Ende der Regierung, indem sie sich tot stellt. Bei der derzeitigen Stimmung könnte jedoch ausgerechnet diese Strategie die Akzeptanz einer rot-grünen Koalition steigern. Diese Konstellation ist mit 19 Prozent Zustimmung derzeit nur unwesentlich beliebter als die gescheiterte Regierungskoalition, deren Fortführung immerhin noch 18 Prozent der Wähler wünschen. Gerade der Mangel an neuen Ideen könnte sich für die derzeitige Opposition als günstig erweisen. Schließlich titelte die einflussreiche Kronenzeitung schon am Tag der Ausrufung der Neuwahlen: »Kein rot-grünes Experiment!«

Damit hat ein Wahlkampf begonnen, der nach den Einschätzungen vieler ebenso kurz wie mies ausfallen wird. Die ökorevanchistischen Parolen gegen das tschechische Atomkraftwerk in Temelin und die Hetze gegen die Benes-Dekrete werden für die FPÖ aller Voraussicht nach eine wichtige Rolle spielen. Auch rassistische und antisemitische Ausfälle dürften keine Überraschung darstellen.

Ob die vor zweieinhalb Jahren erfreulich starke Protestbewegung gegen Schwarz-Blau in diesem Wahlkampf noch eine Rolle spielt, ist fraglich. Die verbliebenen Donnerstagsdemonstranten haben zwar ihr Ziel erreicht und mit 131 Demonstrationen gegen die Regierung schließlich länger durchgehalten als ihre Gegnerin; Begeisterung ist unter den Widerständlern dennoch kaum zu spüren.

Triumphgefühle wären auch deswegen unangebracht, weil alle wissen, dass das Scheitern der Regierung nicht das Geringste mit der Kritik an ihr zu tun hat. Auch die Regierungsalternativen erscheinen nicht verlockend. Angesichts des unrühmlichen Endes der postfaschistischen Posse wäre ein bisschen bessere Laune aber angebracht. Zumindest bis nach den Neuwahlen.