Der Prinz of Wales schreibt

From Charles With Love

Weil es der ewige Prinz nicht auf den Thron schafft, verschafft sich Charles mit Briefen Gehör.

So ungefähr alle 14 Tage scheinen sich britische Spitzenpolitiker bei der Durchsicht ihrer Post sehr aufzuregen. Denn dann hat ihnen der Kronprinz Charles wieder einmal geschrieben. His Royal Highness nähme in diesen Episteln zu allem und jedem Stellung, nerve dabei ungemein und sei dadurch ein großes Ärgernis, hieß es in den letzten Wochen aus anonymen Quellen aus den meisten Ministerien.

Lediglich Schatzkanzler Gordon Brown bleibe von der Post des Prinzen verschont, aber der stehe ja schließlich auch im Ruf, ein heimlicher Republikaner zu sein. Dass Prinz Charles mit einem monarchiefeindlichen Politiker eine Korrespondenz unterhält, kann man nicht erwarten. Was sollte der Prinz diesem Menschen auch zu sagen haben? Bitte lassen Sie das Königshaus in Ruhe, ich hänge an meinem Job?

Der Lordkanzler Lord Irvine of Lairg werde dagegen, so behauptete ein Regierungsmitarbeiter, von Charles »regelrecht mit Briefen bombardiert«, wobei der Thronfolger kaum ein Thema auszulassen scheint: Von den Menschenrechten und Klagen über das drohende Verbot der Fuchsjagd bis hin zu Vorhaltungen wegen allzu forscher Privatisierungsmaßnahmen reiche das Repertoire des Verfassers. Einige der Presse zugespielte Briefe sollten Charles wohl gezielt desavouieren und ihn als notorischen Nörgler erscheinen lassen, der sich in Dinge einmischt, die ihn partout nichts angehen. In diese Richtung zielte wohl auch der geschickt gestreute Hinweis, Charles zeige sich selbst an der Lösung einiger ungeklärter Morde extrem interessiert.

Gerade in diesem Punkt lässt sich dem Prinzen jedoch kaum ein ehrenrühriges Motiv nachweisen, versucht er doch in seinen Briefen an Politiker und Juristen offenkundig nur, die Ermittlungen in zwei spektakulären rassistischen Mordfällen nicht einschlafen zu lassen.

Der eine Fall ist der Mord an dem elfjährigen Damilola Olufemi Taylor, der im November 2000 auf dem Heimweg von der Schule wohl von einer Jugendgang überfallen und erstochen wurde. Das andere Opfer heißt Stephen Lawrence, er wurde wahrscheinlich von weißen Jugendlichen erstochen. Der Mord, der von den Anklagebehörden als »zweifellos rassistisch motiviert« bezeichnet wurde, gilt bis heute als nicht aufgeklärt.

Wie hartnäckig Charles bei Themen sein kann, die ihm am Herzen liegen, bewies er schon in den siebziger Jahren. Da erhielt der damalige Premier Harold Wilson erste Briefe vom damals noch jungen Kronprinzen. Zu Themen, die damals eigentlich niemanden weiter interessierten. Charles wies den Politiker zum Beispiel bereits vor 30 Jahren darauf hin, dass die Lachse im Atlantik durch Umweltverschmutzung bedroht seien; später sollte er die Ökologie zu einem seiner Hobbies machen.

Dass sein Engagement für die Umwelt und die Menschenrechte sowie sein Interesse an einer Architektur, die sich hauptsächlich an den Bedürfnissen ihrer Bewohner orientiert, kaum zu seinem luxuriösen Upper Class-Lebensstil passt, ist dabei nur ein Nebenwiderspruch.

Denn wie viele seiner Vorgänger leidet der 53jährige vor allem darunter, dass er auf einen Job hin erzogen wurde, der auf sich warten lässt.

Britische Könige machen es ihren designierten Nachfolgern dabei grundsätzlich nicht leicht. George II. etwa bezeichnete seinen Sohn Frederick öffentlich gerne als den »größten Idioten, der je geboren wurde«, mit dem Erfolg, dass der Kronprinz sich schon früh für revolutionäre Ideen begeisterte.

Am längsten wartete wohl Edward VII. auf die Thronbesteigung. Seine Mutter, Queen Victoria, traute ihrem Sohn nicht, zumal der verschiedene Versuche machte, ihr schriftlich Vorschläge für eine bessere Amtsführung zu unterbreiten: »Wir leben in radikalen Zeiten«, erklärte er der in späteren Jahren völlig zurückgezogen Lebenden in einem Brief aus dem Jahr 1869, »und je mehr die Menschen ihre Königin sehen, umso besser ist das für sie und das Land«.

Queen Victoria nahm diese Einmischungsversuche sehr übel. Ihr Premier Gladstone muss jedoch geahnt haben, wie zermürbend die Warterei auf die Thronbesteigung für Edward sein musste - zumal sich der Kronprinz die Zeit nicht nur mit für die Monarchie weitgehend nicht bedrohlichen Hobbies wie Glücksspiel, Kurtisanen und Völlerei vertrieb. Im Gegenteil: Der Prince of Wales war mit einigen radikalen Politikern und sogar mit Anhängern des republikanischen Gedankens wie Joseph Chamberlain und Sir Charles Dilke befreundet.

Als Premierminister Gladstone der Queen vorschlug, den renitenten Regenten in spe wenigstens zum Vizekönig von Irland zu machen, lehnte die Königin jedoch ab. Und Edward hatte weiter viel Zeit, sich über soziale Ungerechtigkeiten im Empire Gedanken zu machen. 1884 übernahm er so zum Beispiel den Vorsitz der königlichen Kommission, die sich mit der Wohnsituation der Armen beschäftigte. Im Oberhaus hielt er zu diesem Thema eine unerhörte Rede, in der er drastische Reformen forderte.

Edward nutzte damit das einzige Privileg aus, dass Kronprinzen haben: Sie dürfen sich öffentlich zu politischen Fragen äußern, tragen sie dann erst einmal die Krone, ist es damit vorbei. Die jährliche, vom jeweils amtierenden Premierminister geschriebene Thronrede zu verlesen ist die einzige erlaubte politische Betätigung - und selbst dabei ist Contenance gefragt. Elizabeth II. schaffte es mit einer bewunderungswürdigen Energieleistung zum Beispiel jahrelang, die Statements der ihr sehr verhassten Margaret Thatcher ohne auch nur das kleinste Naserümpfen vorzutragen.

Ob King Charles ebenso gelassen wird vorlesen können, scheint derzeit unklar. Immerhin können sich die jetzt noch von seinen regelmäßigen Briefen so genervten britischen Politiker darauf verlassen, dass er ihnen als König nicht mehr schreiben wird. Davon zeigte sich jedenfalls Ed Mayo, Direktor des ökologisch orientierten britischen Thinktanks »New Economics Foundation« und ein enger Ratgeber seiner Hoheit, gegenüber dem Guardian überzeugt. Denn mit der Thronbesteigung würden »noch mehr Kontrollfreaks als jetzt« darauf achten, was Charles so äußere.