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Dieses Produkt, das Sie in Ihren Händen halten und das Woche für Woche fröhlich verkündet »Die Welt ist schlecht, Deutschland noch schlechter, lasst uns feiern!«, ist unter gar nicht so unbeschwingten Bedingungen entstanden. Eine Grippewelle grassiert in diesem Vorort von Sibirien, in dem Redaktion und Verlag aus unerfindlichen Gründen ihre Büroräume bezogen haben.

Wären wir in einem normalen kapitalistischen Betrieb beschäftigt, wäre das kein Problem. Bei einem Schnupfen schreibt ein griechischer Arzt in Kreuzberg zwei Wochen krank, bei Husten gibt's eine Woche dazu, und für eine einigermaßen nachweisbare Herbstdepression kann man eine sechswöchige Kur auf den Malediven abgreifen, auf Kosten der Krankenkasse, versteht sich.

Da wir aber dummerweise Lohnabhängige und Kapitalisten in Personalunion sind, enden unsere inneren Klassenkämpfe zumeist mit dem Sieg des Kapitals. So brütete der Revolutionsexperte mit triefender Nase über einem Aufstand in Westafrika, der Redakteur für Innenpolitik sah beim Bearbeiten der Texte über die Ost-Sozialisten genauso matschig aus wie die PDS-Führung am Wahlabend. Nur das Feuilleton war halbwegs gesund, durfte dafür aber eine extradicke Beilage zur Buchmesse redigieren, die Sie in der Mitte der Zeitung finden.

Die Geschäftsführung vermutet die Hauptursache für die eklatanten Ausfälle der Arbeitskraft woanders. So kommt die Nichtraucherinitiative Deutschland e.V. in einer wissenschaftlichen Untersuchung zu dem beeindruckenden Ergebnis, dass ein Raucher sein Unternehmen bis 1 500 Euro im Jahr kostet. Kein Wunder, dass die Geschäftsführung neulich per Dienstanweisung das Rauchen verbot. Nur für den Fall schwerer Entzugserscheinungen wurde ein Päckchen der Marke »R 1 Minima« angeschafft, das sich die gesamte Redaktion teilen musste.

Wenn Sie sehen wollen, wie Mitarbeiter der Jungle World schnupfend und röchelnd, ausgestattet mit Gehhilfen und Nikotinpflastern für ihre Zeitung werben, besuchen Sie unseren Stand auf der Frankfurter Buchmesse. Dort können Sie auch den Namen und die Adresse des griechischen Arztes erfahren. Sie werden sie brauchen.