Populismus lohnt sich, aber welcher mehr?

Schröder war's

Die antiamerikanische Kampagne der SPD zeitigt größere Wirkung als die antisemitische Rhetorik Möllemanns.

Selbst wenn Jürgen W. Möllemanns Anhänger mit ihrem Vorhaben scheitern sollten, ihn an der Spitze der FDP zu halten, wird die Identitätskrise der liberalen Partei weitergehen. Denn weder die verdienten alten Liberalen in der FDP noch die loyalen Möllemann-Unterstützer an der Basis bilden die Mehrheit in der Partei. Die gegenwärtige Krise wird von Guido Westerwelle wesentlich besser repräsentiert als von einer dieser Gruppen.

Der Bundesvorsitzende zeigte sich gleichermaßen verärgert über die Kritiker, die von einer »Haiderisierung« der FDP sprachen, wie über Möllemann, der auf seinem Streit mit den Juden insistierte. Doch während er sich vom Populismus seines Stellvertreters distanzierte, erlaubte er doch gleichzeitig, dass Möllemann so viele Protestwähler wie möglich anzog. Westerwelles selbstgerechte Analyse des katastrophalen FDP-Images wird vielleicht den erfolgreichsten Populisten der Partei das Amt kosten. Aber es bleibt unklar, ob sich der Vorsitzende in Zukunft dafür entscheidet, seine eigenen populistischen Impulse zu zügeln.

Denn leider scheint die erfolreiche Wiederwahlkampagne von Bundeskanzler Gerhard Schröder zu lehren, dass sich Populismus auszahlt. Möllemann hätte nicht einmal zu träumen gewagt, für eine nationalistische und populistische Kampagne solch eindrucksvolle Unterstützung zu erhalten wie der Kanzler der Neuen Mitte.

Angesichts der drohenden Wahlniederlage nutzte Schröder einen strategischen Vorteil aus. Er fand die richtigen Worte für die Opfer des Hochwassers, in öffentlichen Reden pries er das »deutsche Volk« und bescheinigte ihm, es sei den Herausforderungen gewachsen.

So war es eine SPD geführte Regierung, die das Tabu brach, Begriffe zu verwenden, die seit dem Zweiten Weltkrieg mit der Ideologie der Nazis assoziiert werden. Die gleiche Regierung hatte bereits zuvor ein anderes Tabu überwunden: dass Deutschland sich nie wieder an militärischen Einsätzen beteiligen dürfe. Und es war der Kanzler dieser Regierung, der zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik eine antiamerikanische Kampagne auflegte, um der deutschen Öffentlichkeit wieder und wieder zu erzählen: »Deutsche Außenpolitik wird in Berlin gemacht!« Die rhetorischen Akzente von Peter Struck, Ludwig Stiegler und Herta Däubler-Gmelin sind lediglich Variationen dieses Themas.

Schröders einseitige Entscheidung, eine antiamerikanische Kampagne zu führen, mag nur auf den Wahlsieg bezogen gewesen sein. Aber sein großer Erfolg bestand darin, dass er damit nicht nur für PDS-Wähler attraktiver wurde, sondern auch die antiamerikanische Linke in seiner eigenen Partei ermutigt hat. Wie weit sich diese Partei von den Prinzipien der transatlantischen Partnerschaft gelöst hat, zeigen auch die Äußerungen von SPD-Nachwuchspolitikern.

»Wir dürfen nicht die Handlanger der USA sein«, erklärte in der vergangenen Woche Michael Clivot, Vorsitzender der Jungsozialisten im Saarland, der drohend hinzufügte: »Wenn sie unsere Freundschaft nicht wünschen oder sich nicht entsprechend verhalten, dann müssen sie mit Konsequenzen rechnen.« Er kritisiert auch die Europäische Union dafür, dass sie sich von den USA »an der Nase herumführen« lasse.

Die führenden Politiker der SPD werden sicherlich erklären, dass dieser Juso-Landesvorsitzende nur eine isolierte Stimme in der Partei sei. Mit den gleichen Argumenten aber versuchte auch der Bundesvorstand der FDP jahrelang, die anti-israelische Rhetorik von Möllemann zu kaschieren.

Gerhard Schröder hat einen Paradigmenwechsel in der Außenpolitik seines Landes zu verantworten. Nur zwölf Jahre zuvor unternahm der damalige US-Präsident große diplomatische Anstrengungen, um die Vorbehalte einiger EU-Mitgliedsstaaten gegen die deutsche Wiedervereinigung zu zerstreuen. Diese fürchteten, dass ein geeintes Deutschland den Multilaterismus und die Westbindung aufgeben und stattdessen einen eigenen Weg gehen könne. Nachdem Schröder im Wahlkampf den »deutschen Weg« propagierte, muss er in seiner zweiten Amtszeit die Welt nun davon überzeugen, dass diese Befürchtungen noch immer unbegründet sind. Die SPD muss also versuchen, ihren Wahlkampf-Populismus mit ihrer Regierungsverantwortung zu vereinen. Danke ihrer Wahlniederlage stellt sich dieses Problem der FDP nicht.