Barry Bonds, der neue Superstar des Baseball in den USA

Mit durchschlagendem Erfolg

Barry Bonds heißt der neue Superstar und Rekordhalter des Baseball in den USA. Aber niemand kann ihn leiden.

Der Name klingt ja gar nicht schlecht: Barry Bonds. Da steckt nicht nur 007 drin, sondern auch die seit Brigitte Bardot, Bertolt Brecht und Boris Becker betörende Alliteration mit B. Die sich in seinem Fall sogar noch steigern lässt: Baseballspieler Barry Bonds.

Seine Arbeit macht der Mann auch gar nicht schlecht. Bonds ist der beste oder zumindest einer der besten Baseballspieler der bisherigen Geschichte. Ganz oben ist der Profi der San Francisco Giants bereits angelangt, aber ist der Spieler, der gerade in seinem 17. Profijahr endlich und zum ersten Mal in den World Series stand, nämlich gegen die Anaheim Angels, wirklich besser als Babe Ruth oder Joe DiMaggio?

Darüber wird zur Zeit in den USA gestritten, und wer Material über Barry Bonds sucht, findet Formulierungen, die neidisch machen auf die Leidenschaft und Emphase, mit der in den USA über Sport berichtet und ein solcher Streit ausgetragen wird: »Dämon Amerikas«, »Fäulnis« und »Krebsgeschwür« ist da zu lesen oder auch: »Barry Bonds ist das geistige Abfallrohr des Baseball.«

Immerhin, er hält die wichtigsten Rekorde, die in dieser von der Statistik besessenen Sportart vergeben werden, seit dem vergangenen Jahr zum Beispiel die bekannteste Bestmarke, den Homerun-pro-Saison-Rekord: 73! Und er ist der einzige Baseballprofi, der vier Mal zum MVP gewählt wurde, zum wertvollsten Spieler seiner Liga.

Ganz nebenbei gehört Bonds auch zu den nur vier Spielern, die über 600 Homeruns in ihrer Karriere schafften. Die Statistikbibel Total Baseball hat ihn zum besten Spieler der National League, einer der beiden Profiligen in den USA, ausgerufen, und zwar in den Jahren 1990, 1991, 1992, 1993, 1995, 1996, 1998, 2000 und 2001.

An den sportlichen Meriten des Mannes, dessen Vater Bobby bereits ein erfolgreicher Profi war und dessen Patenonkel Willie Mays ebenfalls zu den vier Spielern im 600er-Homerun-Club gehört, zweifelt keiner. Aber weder die Verwandtschaft noch die Leistungen verhelfen Bonds zu großer Popularität. Er gilt als arrogant und prahlerisch, als Beleg gilt ein weithin sichtbarer großer diamantbesetzter Ohrring, den er auch im Spiel trägt.

Dass die Abneigung mit seinen Erfolgen noch größer wird, wird unter anderem dadurch ersichtlich, dass ein speziell für die World Series komponierter »Anti-Barry-Rap« im Radio zum Hit wurde. Und kurz vor seinem Homerun-Rekord erhielt Bonds eine Morddrohung, die das FBI ernst nahm. Zunächst ging man davon aus, dass es sich wegen Bonds schwarzer Hautfarbe bei dem Anrufer um einen Rassisten handele, aber er hasste schlicht den Menschen Bonds.

Das passiert oft. »Es ist eine Schande, dass ein Wichser wie Barry Bonds nun Homerun-Rekordhalter ist«, heißt es in einem Leserbrief an die Los Angeles Times. »Hoffentlich kommt mal einer mit Stil und Integrität und haut ihm eine runter.« Chet Coppok, ein Baseballexperte im Radio, sagt freimütig: »Ich sehne mich nach dem Tag, an dem Bonds den Major League Baseball endlich verlässt. Man wird ihn keine zehn Sekunden lang vermissen.«

Sogar die Kollegen hassen ihn. Bei seinem früheren Verein, den Pittsburgh Pirates, wo er 1986 seine Karriere in der Major League begann, gab es im Jahr 1992 eine teaminterne Abstimmung; die meisten wollten »lieber ohne Bonds verlieren, als mit ihm gewinnen«. Danach wechselte er nach San Francisco, wo er das damalige Rekordjahresgehalt von mehr als 7,5 Millionen Dollar bezog.

Sein Kollege Curt Schilling sagt: »Wenn Bonds zurücktritt, geht er als das größte Arschloch, das je gelebt hat. Fragen Sie irgendeinen in seinem Team oder seinem Club.« Das muss man nicht lange nachrecherchieren. Als Bonds im letzten Jahr den 500. Homerun seiner Karriere schlug, gratulierte ihm kein einziger seiner Mitspieler.

Mit seinem Teamkollegen Jeff Kent lieferte sich Bonds erst vor wenigen Wochen während eines Spiels beinahe eine Schlägerei. »Die hassen sich seit dem Tag, als Kent 1997 in die Stadt kam«, sagt Ray Ratto vom San Francisco Chronicle. »Wer von denen länger lebt, wird zur Beerdigung des anderen kommen. Nur um sicherzugehen, dass er auch wirklich tot ist.«

Jeff Kent ist, so sieht es zumindest David Grann von der New York Times, der Repräsentant eines alten Baseballideals, er repräsentiere »die romantische Vorstellung einer reisenden Bruderschaft von lauter working class heroes - die Jungs des Sommers«.

Damit hat ein Barry Bonds nichts zu tun. Er verkündet lieber, er wolle gerne 16 Millionen Dollar im Jahr verdienen, die 15, die er gegenwärtig erhält, seien zu wenig. »Die Leute sagen, ich solle glücklich sein, ich bekäme ja so viel Geld«, erzählte er jüngst in einem Interview. »Ich habe dieses Geld aber verdient. Ich gebe davon nichts ab. Du kannst sagen, was du willst: Mir steht dieses Geld zu. Ich habe dafür gearbeitet.«

Dass er obendrein, anders als die anderen Spieler, seinen privaten Betreuerstab hat, wird ihm auch übel genommen: ein paar Bodyguards, einen Gymnastiktrainer, einen Krafttrainer, und seinen Schulfreund Steve Hoskins als Pressesprecher. Bei Auswärtsspielen nimmt sich Barry Bonds eine eigene Hotelsuite, und für die Heimspiele im Pacific Bell Park, dem Stadion der Giants, hat er sich in der Umkleidekabine ein kleines Wohnzimmer mit einem Bett, einer schwenkbaren Massagebank und einem ziemlich großen Fernseher einrichten lassen, vor dem er schon mal eine Runde schläft. Kurz vor dem Spielbeginn wird er von seinem persönlichen Assistenten geweckt. Bonds begründet das damit, dass er seine Leistungen nur ausgeruht erbringen könne.

Der Erfolg gibt ihm Recht, aber er verstößt gegen den von Baseballprofis geforderten Habitus des aufrechten Arbeitsmannes mit all seinem machistischen Beiwerk. Jeff Kent fragt, wenn Bonds mit seinem dicken Ohrring die Umkleidekabine betreten hat, schon mal umstehende Mitspieler und Reporter, ob hier etwa Schwule oder Frauen im Raum seien. Auch das ist ein Ausdruck des im Baseball ausgedrückten proletarischen Männlichkeitsideals.

David Grann veröffentlichte jüngst einen Essay über die Frage, ob der Baseball noch die US-Gesellschaft widerspiegele. Früher, so vermutet er, habe es eine »old hero machine« gegeben. Die eng an die Clubs und ihre Besitzer gebundenen Journalisten hätten aus den großen Stars übermenschliche Helden und Vorbilder gemacht. In den siebziger Jahren, mit der Verbreitung des Fernsehens und vor allem dank des Umstands, dass nach einem Gerichtsurteil aus Baseballprofis Arbeitskraftanbieter wurden, die nicht mehr lebenslang den Clubbesitzern gehörten, sondern ihre Verträge frei aushandeln konnten, seien die Helden entmythifiziert worden.

Die »old hero machine« habe nicht mehr so effektiv arbeiten können. Von einer »antihero machine« könne man jedoch erst seit Barry Bonds sprechen. »Je näher er dem Homerun-Rekord kam, und je mehr er in einem anderen Zeitalter für seine Grazie und Stärke als Held gefeiert worden wäre, desto mehr wurde er zu einem neuen Archetyp: zum Beispiel eines modernen verdorbenen Athleten. Das Symbol für die grassierende Habgier und Selbstsucht des Baseball, nur komplett mit einem diamantenen Ohrring.«

Barry Bonds sagt zu den Angriffen auf seine Person wenig. »Ich denke nicht groß darüber nach. Ich lese kaum Zeitungen und wenn, dann nur den Wirtschaftsteil«, brummelte er jüngst in einem seiner seltenen Interviews.

Einmal, das ist verbürgt, lauschte er einer lokalen Sporttalkshow im Radio und rief dann in der Sendung an. »Ich bin nicht arrogant«, beschied er dem verdutzten Moderator, »ich bin gut. Da gibt es einen Unterschied.«

Dass ihn die überwältigende Mehrheit der Baseballfans aufrichtig hasst, stört ihn nicht. »Von mir wird erwartet, dass ich in aller Welt nur Freunde habe«, ereiferte er sich gegenüber einem Fernsehreporter. »Was soll das? Erscheint Ihnen das nicht absurd?« Es kann ihm egal sein, er hat nämlich bei diesen World Series einmal mehr bewiesen, dass ein Barry Bonds auf niemanden angewiesen ist.

»Bonds machte aus dieser World Series seinen ganz persönlichen Laufstall«, schrieb die New York Times zu seinem Auftritt und machte aus den San Francisco Giants ein »one man team«. Der Chefcoach der Giants, Dusty Baker, formuliert es so: »Hoffentlich können wir auch noch ein paar andere Jungs in dieser Schlägerparade platzieren.« Das ist nämlich das Problem der Giants, Bonds' Teamkollegen spielten in den World Series gegen den Außenseiter Anaheim Angels bestenfalls durchschnittlich.

Da klingen seine Kommentare beinah kollegial. »Nein, frustiert bin ich nicht. Vielleicht enttäuscht.« Es lag also alles an ihm, in den ersten drei Spielen gelang ihm je ein Homerun. Auch das hat es in der Geschichte des professionellen Baseball noch nie gegeben.

Wenn Barry Bonds im heimischen Pacific Bell Park seine Homeruns drischt, plumpsen die Bälle meist in die San Francisco Bay. Dort warten Fans in Booten, um die Bälle einzusammeln. Auch die Firma »Taco Bell« hat sich in der Bay Area aufgebaut. Sie verspricht kostenlose Tacos für jeden US-Bürger, wenn Bonds oder irgendein anderer Spieler mit einem Homerun ein 15 Fuß großes Ziel trifft, das in einer kleinen Bucht hinter dem Zaun des right-field schwimmt.

Eine Runde Tacos für alle, vielleicht würde dann selbst Barry Bonds geliebt.