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Wir haben uns unsere Leserinnen und Leser anders vorgestellt. Die politischen Ressorts dachten sich ihren ideellen Gesamtleser immer als Menschen, der durch die harte Schule des Klassen- und Straßenkampfes ging, aber trotzdem, oder gerade deshalb, kritisch gegenüber linken Gewissheiten sei.

Woche für Woche wartet er begierig auf die von uns präsentierten Informationen aus der bösen Welt des Kapitals und auf die Debattenbeiträge, die ihn hin und wieder verstören mögen, aber auch manch wertvolle Anregung mitgeben auf den revolutionären Weg. Das Feuilleton dachte eher an die hommes et femmes de lettres, denen kein Sujet zu exotisch und komplex, aber auch keine Fernsehserie zu trivial ist, als dass sie nicht mehr darüber wissen wollten.

Nachdem wir einen Blick in unseren Leserbriefkasten geworfen haben, sind wir zu dem Schluss gekommen, dass wir wohl alle umdenken müssen. Nicht die in mühevoller Forschungsarbeit erstellten Dossiers regen Sie zum Schreiben an, auch nicht die von unseren KorrespondentInnen an exotischen und gefährlichen Orten wie Eberswalde, Wien und São Paulo recherchierten Stories.

Sehen wir einmal von jenen unter Ihnen ab, die sich gegen den Vorwurf verwahren wollen, Faschisten zu sein, scheinen Sie sich vornehmlich für Buddhismus, Denglish und die PDS zu interessieren. Ja, es gab sogar einen Leserbrief gegen die Einführung der LeserInnenworld. Solche performativen Widersprüche lieben wir besonders. Zu dem geplanten Sit-in vor unserem Fahrstuhl, mit dem diese Forderung durchgesetzt werden sollte, kam es allerdings nicht.

Und das ist auch besser so. Denn auch wenn wir mit Kritik an den religiösen Vorstellungen unserer Zeitgenossinnen und -genossen nicht sparsam sind, halten wir uns dennoch an Buddha, der einst sagte: »Entwickle deine eigene Erlösung. Verlass dich nicht auf andere.« Was aber nicht heißen soll, dass wir nicht auf Ihre gut gemeinten Ratschläge hörten. Der Feldversuch geht weiter. Wir sind gespannt.