Antifaschistische Kampagne gegen den Dresdener Neonazitreff Klub

Ein Heim fürs Reich

In Dresden richtet sich eine antifaschistische Kampagne gegen den Neonazitreff Klub Thor. von arthur leone

Auf den ersten Blick macht das zweistöckige Gebäude im Dresdener Stadtteil Uebigau einen unscheinbaren Eindruck. Die Außenwand des Hauses in der Sternstraße ist zwar an mehreren Stellen übertüncht und die Leuchtreklame mit den Worten »Thor - Heilige Lieder« scheint bereits zum Ziel von Steinwürfen geworden zu sein. Spätestens an der Tür ist dann aber klar, um welches Objekt es sich handelt. Ein Zettel verkündet, wer die Schwelle überschreite, betrete nun das »Deutsche Reich«. Solche Sprüche kommen an bei völkischen Gemütern. Kein Wunder also, dass am 24. Mai dieses Jahres 250 Neonazis aus ganz Sachsen, aber auch aus anderen Bundesländern kamen, um die Eröffnung des Klub Thor zu feiern.

Er hat nach einem halben Jahr schon eine ähnliche Bedeutung für die Neonaziszene erlangt wie der Club 88 in Neumünster oder wie einst das Haus des Nationalen Jugendblocks in Zittau. Auch in Dresden hat es ein solches Projekt schon einmal gegeben. Von 1999 bis Anfang 2000 betrieb der stadtbekannte Neonazi Helmar Braun das Café Germania. Er musste seine Kneipe jedoch nach einer Antifa-Kampagne und aus wirtschaftlichen Gründen wieder schließen.

Nun treffen sich die Kameraden aus Dresden und Umgebung eben im Klub Thor und tun, was Nazis in ihrer Freizeit eben so zu tun pflegen: saufen, grillen, grölen. Gefährlich ist der Club vor allem deshalb, weil dort Aktionen vorbereitet und neue Anhänger rekrutiert werden. Von dem Haus in der Sternstraße brachen mehrfach Gruppen von Neonazis zu nächtlichen Übergriffen auf, etwa auf ein linkes Wohnprojekt.

Das Thor war auch der Treffpunkt für die gemeinsame Busfahrt zum jüngsten Aufmarsch in Wunsiedel, dort wurden die Fahrkarten verkauft. Und während des Nazimarsches am 27. Juli in Dresden fungierte der Club als Treff für Nazis. Nach der Einschätzung des Antifa-Recherche-Teams (Art) ist der Laden »derzeit der wichtigste Bestandteil der hiesigen Neonazi-Infrastruktur«.

Die offiziellen Mieter des Hauses sind lokale Neonazikader. Einer von ihnen, Sven Hagendorf, ist als Akteur der Anti-Antifa bekannt und war auf unzähligen Demonstrationen mit seiner Videokamera anwesend, um Antifaschisten zu filmen. Zur Bundestagswahl wollte er als Kandidat der NPD antreten, konnte aber nicht genug Unterstützungsunterschriften zusammenbringen. Derzeit ist er Kreisvorsitzender der NPD in Dresden.

Der zweite Hauptmieter ist der einschlägig bekannte Ronny Thomas, der vor Hagendorf Kreisvorsitzender der NPD war und später wegen gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung im Knast landete. Er war an einem Überfall im Mai 1998 beteiligt. Als er aus dem Gefängnis kam, entwickelte er sich schnell zur zentralen Figur der Dresdner Szene. Er ist es, der die Kontakte zu Kadern in anderen Bundesländern hält, Aufmärsche organisiert und anmeldet. Vor einiger Zeit tauchte Thomas auf Steffen Hupkas Liste mit Vorschlägen der »Revolutionären Plattform« in der NPD für einen neuen Parteivorstand auf. Beide, Thomas und Hagendorf, sind Mitglieder der Hiflsgemeinschaft für Nationale Gefangene (HNG).

Die beiden Funktionäre stehen für genau die Szene, aus der sich das Stammpublikum des Thor rekrutiert. Es handelt sich dabei um eine relativ stabile Gruppe, die unter verschiedenen Namen immer wieder ihr Unwesen treibt: als »Freie Kräfte Dresden« oder »Anti-Antifa Dresden«. Die Clique machte immer wieder bei Aufmärschen auf sich aufmerksam, zuletzt im Oktober in Leipzig und München. Am 9. November störte sie eine Gedenkveranstaltung an der Dresdner Synagoge mit antisemitischen Flugblättern und im vergangenen Dezember attackierte sie die Teilnehmer einer antirassistischen Demonstration.

Das Publikum des Thor pflegt nicht nur enge Kontakte zu den Kameraden in der Sächsischen Schweiz und ganz besonders zu den mittlerweile verbotenen Skinheads Sächsische Schweiz (SSS). Sie legen auch besonderen Wert auf überregionale Verbindungen, beispielsweise nach Sachsen-Anhalt.

Mittlerweile hat ein Bündnis aus Antifagruppen, Jusos und alternativen Projekten eine Kampagne unter dem Namen »Thor muss weg« gestartet. Am 18. Dezember ist eine Kundgebung vor dem Haus des Vermieters geplant. Doch die Neonazis sind bereits zur Gegenoffensive übergegangen. So drohen sie nicht nur im Internet den Teilnehmern der Kampagne. Als am 20. November eine Infoveranstaltung zum Thor stattfinden sollte, machten sich 25 Nazis von ihrem Klub auf den Weg, um die Versammlung zu sprengen.

Da genau das jedoch erwartet worden war, konnten sich die Veranstalter und die Gäste zunächst einschließen und die Polizei rufen. Sie nahm dann zwar die Personalien der Neonazis auf, ließ sie jedoch laufen. So konnten die Neonazis ungestört einige Veranstaltungsteilnehmer attackieren, darunter den Landesvorsitzenden der Jusos, Henning Homann. Die Initiatoren der Kampagne wollen sich jedoch nicht einschüchtern lassen. »Wir wollen verhindern, dass sich Rechtsextremisten ungehindert in der Stadt ausbreiten«, sagt Alexa Anders, eine Sprecherin der Initiative.

Wie sicher sich die Nazis inzwischen fühlen, zeigt sich auch daran, dass sich die Schlägertruppe inzwischen öffentlich ganz unverblümt als Opfer darzustellen versucht. Auf der Webseite des Thor ist zu lesen: »Von wem die Gewalt letztendlich immer ausgeht und ihren Anfang nimmt ist klar! Nicht von uns!!!«

Und auch die Sächsische Zeitung (SZ) weiß nicht so recht zwischen »linken und rechten Extremisten« zu unterscheiden: »Thorwandschießen - das klingt zwar nach einer witzigen Kampagne. Doch leider ist sie das ganz und gar nicht. Der Verfassungsschutz berichtet vor allem über Straftaten aus dem linken Lager.« Gemeint waren Farbbeutel- und Steinwürfe auf die Wand und das Eingangsschild des Thor.

Dennoch stehen die Chancen für die Kampagne nicht schlecht. Der Mietvertrag des Naziklubs ist bis zum Mai des nächsten Jahres befristet.