»Thierse: Gegendarstellung, S. 2«

Zwischen »Gottschalk im Freudenhaus« und »Diese Knospen blühen ganzjährig« fand sich am Samstag in der Bild-Zeitung eine Schlagzeile, die noch erregender, noch erotisierender, noch geiler war als alles dort bislang Denkbare. Sie lautete: »Thierse: Gegendarstellung, S. 2«.

Puh.

Der Bär, an den Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) wegen seines Bartes erinnert, hat sich mal wieder gezeigt. Der Kerl kann kämpfen, könnte man meinen. Schließlich gelang es Thierse, den etwa zehn Millionen Lesern der Bild-Zeitung mitzuteilen, dass er »die Abgeordneten nicht eingeladen« hat, obwohl Bild geschrieben hatte, er habe alle Abgeordneten nach Paris eingeladen, in Wirklichkeit aber hatte doch der französische Parlamentspräsident die Deutschen eingeladen und Thierse hatte die Einladung bloß weitergeleitet, freilich mit der Bitte, dass doch alle gemeinsam fahren sollten.

Thierse vertraut darauf, dass die Leser durch sein juristisch gehoppeltes Textlein bemerken, dass, wie man früher sagte, »Bild lügt«.

Wahrscheinlich ahnt zwar sogar Thierse, dass das mittlerweile jeder weiß, aber in seinem Beraterstab wird man vielleicht vermuten, dass es der Bild-Zeitung unangenehm ist, eine Gegendarstellung akzeptieren zu müssen. Schließlich hat sich Bild ja eine Weile juristisch gewehrt, und nun, da das Ding im Blatt ist, leistet sich Bild noch den juristisch heiklen Luxus, auf derselben Seite eine »Anmerkung der Redaktion« zu platzieren, in der sie ihre Sicht der Dinge vorträgt.

Thierse wird, wenn er so ist, wie er aussieht, vermutlich gegen diese redaktionelle Anmerkung wieder vorgehen und sich womöglich freuen, wenn die megageile Headline »Thierse: Gegendarstellung, S.2« ein zweites Mal erscheint. Dann wird der Mann womöglich tatsächlich glauben, er schade Bild.

Dort freilich wird man sich nicht geschädigt sehen. Schließlich ist es der Bundestagspräsident, der endlich die Bild-Zeitung faktisch in eine verfassungsrechtlich geadelte Opposition verwandelt. Das Blatt, in dem »das Volk« Gehör findet.

Dass »Gottschalk im Freudenhaus« immer noch spannender ist, steht natürlich im gleichen Blatt.