Deutsche Rüstungsexporte in den Irak

Boulevard der Krauts

Es war bitterkalt und schneite. Aus der U-Bahn-Station am Siemensdamm in Berlin kamen um fünf Uhr morgens mehrere hundert Menschen mit Transparenten zu einer Antikriegsdemonstration. Protestiert wurde vor dem Werksgelände der Siemens AG in Berlin. Der Vorwurf an das Unternehmen lautete, es produziere Rüstungsgüter und habe den Irak aufgerüstet. Die Polizei setzte Wasserwerfer und Knüppel im Schneetreiben ein, um die Blockade vor dem Werkstor zu beenden.

Diese Demonstration fand während des zweiten Golfkrieges im Januar 1991 statt. Dass solche Proteste heute nötiger wären denn je, bewies in der vorigen Woche ein Bericht der taz. Der Zeitung liegt eine Kopie des Rüstungsberichts der irakischen Regierung an den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (UN) vor.

Darin sollen über 80 deutsche Unternehmen genannt sein, die seit den siebziger Jahren Anlagen, Bauteile und technisches Know-how zur Aufrüstung des Irak geliefert hätten. Die taz nennt u.a. die Unternehmen Daimler-Benz, MBB, MAN, Degussa, Carl Zeiss, Preussag, Hochtief, Iveco Magirus und Siemens. Die Zahl der deutschen Unternehmen sei größer als die der Firmen aller anderen Länder zusammen.

Ähnliches berichtete am vergangenen Mittwoch die Süddeutsche Zeitung. 60 Prozent der Lieferungen für die irakische Giftgasproduktion seien aus Deutschland gekommen. Auf dem Gelände der Giftgasfabrik Samarra sollen Waffeninspektoren der Uno in den neunziger Jahren eine der wichtigsten Straßen »Sauerkraut-Boulevard« genannt haben.

Nun sollte man annehmen, dass diese deutsch-irakischen Rüstungsgeschäfte der Friedensbewegung eine entschiedene Kritik wert seien. Doch die Gruppen, die ansonsten gerne zu Demonstrationen gegen den US-Imperialismus aufrufen, schweigen bislang angesichts der Vorwürfe gegen deutsche Unternehmen. Auch von der PDS, der die kleinste Veränderung in der Straßenverkehrsordnung einen Rundbrief wert ist, kam hierzu bisher nichts.

Dieses Schweigen der Friedensbewegung markiert eine ihrer Schwachstellen im Jahr 2002. Sie starrt auf die USA und vergisst oftmals die Kritik an der rot-grünen Regierung und den deutschen Unternehmen. Dabei hätte jedem halbwegs skeptischen Menschen das Wahlkampfversprechen des Bundeskanzlers Gerhard Schröder, dass Deutschland sich nicht an einem Krieg gegen den Irak beteilige, von Anfang an fragwürdig erscheinen müssen.

Hatte nicht die rot-grüne Regierung einen Krieg gegen Jugoslawien geführt? War es nicht Schröder, der militärische Interventionen nicht länger »tabuisieren« wollte, wie er es nannte? Waren das nicht bereits hinreichende Gründe zu bezweifeln, dass die deutsche Ablehnung eines Krieges gegen den Irak nun ausgerechnet Friedenspolitik sei? Musste man nicht hinter Schröders Versprechen andere Motive vermuten?

Sein Wunsch, die Wahl zu gewinnen, war sicher eines davon. Die enge Verflechtung der deutschen Wirtschaft mit dem Regime im Irak womöglich ein anderes. Eine schärfere Kritik an der deutschen Regierung, der deutschen Wirtschaft und ihren Interessen würde die Proteste gegen den drohenden Krieg jedenfalls glaubwürdiger machen. Statt vor eine US-Kaserne könnte man durchaus auch mal wieder vor das Tor einer deutschen Firma ziehen.