Neue Ausgabe der Phase 2 beschlagnahmt

Gebt das Heft frei!

Die Antifa-Zeitschrift Phase 2 wurde vom bayerischen Zoll beschlagnahmt. Nun steht die Existenz des Blattes auf dem Spiel.

Die linksradikale Zeitschrift Phase 2 ist unfreiwillig in eine neue Phase ihrer Existenz eingetreten. Am Nikolaustag gab es keine Geschenke, sondern Zöllner am bayrischen Grenzübergang Schirnding fanden in einem Auto die gesamte in Tschechien gedruckte aktuelle Auflage und beschlagnahmten sie. Die Tatsache, dass das Heft im Ausland gedruckt wurde, reichte den Polizeibeamten als Anfangsverdacht offensichtlich aus, es erst einmal sicherzustellen.

Das ist doppeltes Pech, denn ausgerechnet mit dieser Ausgabe wollten die BlattmacherInnen eine Art Neuauftritt wagen, erklärt Lars Freitag, ein Mitglied der Redaktion, der Jungle World. Mit einem neuen Layout wollte man das Heft eigentlich an neue LeserInnen bringen. Eine Werbekampagne war auch schon geplant.

Für Publicity hat die Aktion der bayerischen Grenzbeamten zwar gesorgt. Doch sie hilft herzlich wenig, weil die Hefte jetzt erst einmal in der Asservatenkammer des Zollfahndungsamts in Nürnberg bis auf weiteres verschwunden sind. Das Amtsgericht Wunsiedel entschied am 11. Dezember, die ganze Auflage einzubehalten. Der Verdacht auf Steuervergehen und verfassungsfeindliche Inhalte rechtfertige das. Bis die zuständigen Behörden diese Verdachtsmomente geprüft haben, kann jedoch ziemlich viel Zeit vergehen. Zu viel Zeit für ein Periodikum wie die Phase 2. Die Redaktion betrachtet die Beschlagnahme deshalb auch als Versuch, das Erscheinen des Heftes ganz zu verhindern.

Auch wenn Diskussionsmedien der radikalen Linken, zu denen sich Phase 2 zählt, wegen ihrer Inhalte juristisch verhältnismäßig schwer anzugreifen seien, so wollten staatliche Stellen doch jede sich bietende Gelegenheit ergreifen, deren Verbreitung zu sabotieren, mutmaßt die Redaktion. »Statt konkrete Inhalte zu kriminalisieren, wird jetzt im Rahmen der bestehenden Gesetze dazu übergegangen, das Erscheinen der Zeitschrift insgesamt unmöglich zu machen«, klagt die Redaktion. Das undeklarierte Passieren der Grenze dürfte in diesem Fall eine dankbare Gelegenheit gewesen sein. Mit der Beschlagnahme sollten keine Straftaten verfolgt werden, sondern es werde »die Generalprävention staatlicher Stellen gegen linksradikale Publikationen und Aktivitäten« fortgesetzt.

Das Heft wurde im Frühjahr 2001 gegründet, im Anschluss an den Antifakongress in Göttingen, und war als Diskussionsorgan für radikale Linke konzipiert, die an einer überregionalen politischen Organisierung interessiert waren. Außer dem Bündnis gegen Rechts (BgR) Leipzig, der Antifa (M) Göttingen und der Antifaschistischen Aktion Berlin (AAB), denen die Redaktion aber sowieso schon ziemlich nahe steht, beteiligten sich jedoch weniger Politgruppen als erwartet.

Im Ergebnis fand schon bald eine erste Konzeptionsänderung statt, das Heft ging in seine nächste Phase. »Wir begannen, Ansätze aufzugreifen, von denen wir denken, dass sie für die gesamte Linke von Bedeutung sind, und versuchten dabei im Blick zu behalten, wie sich aus diesen Ansätzen eine Politik entwickeln ließe«, erzählt Lars Freitag.

Welche Bedeutung Phase 2 heute für die radikale Linke hat, lässt sich schwer abschätzen. Offiziell wird eine Auflage von 4 000 Exemplaren gedruckt, doch ein Feedback von Politgruppen gebe es nicht, so Freitag. »Aber in Gesprächen - eben inoffiziell - erfahren wir immer wieder, dass in vielen Städten über unsere Inhalte diskutiert wird. Auch wenn es als Abschluss der Diskussionen dann in der Regel kein öffentliches Gruppenstatement gibt.« Dass die Zeitschrift nicht für eine bundesweite Organisierung der Linken gesorgt hat, kann man ihr wohl schwerlich anlasten. Das hätte eher die »Bewegung« schaffen müssen, deren Diskussionsorgan Phase 2 sein sollte.

Doch im Moment werden die Inhalte der sechsten Ausgabe nicht von der deutschen Linken gelesen, sondern von deutschen Behörden. Waren diese, etwa der Verfassungsschutz, der das Heft in seinem letzten Bericht erwähnte, vorher noch LeserInnen wie alle anderen, sind sie diesmal privilegiert. Der Zollfahnder Raimar Dyba aus Nürnberg erklärt sich jedoch nicht für zuständig, die Inhalte zu untersuchen. »Das ist nicht unsere Sache, wir prüfen hier nur das Vorliegen einer Steuerstraftat. Hier wurden Sachen über die Grenze gebracht, ohne sie dem Zoll zu erklären, und wir haben die gesamte Auflage jetzt hier, um den Umfang des Steuervergehens einzuschätzen. Der Inhalt interessiert uns nur als Staatsbürger.«

Für die Prüfung auf verfassungsfeindliche Inhalte ist die Staatsanwaltschaft Hof zuständig. Ihr wurde der ganze Vorgang vom Zoll jedoch erst am vergangenen Mittwoch auf den Tisch gelegt. Der zuständige Staatsanwalt, Ernst Tschanett, sagt: »Wir müssen uns das Ganze erst noch ansehen, werden es jedoch so schnell wie möglich bearbeiten.« Wie lange das dauern wird, bleibt offen. Die Redaktion der Phase 2 rechnet mit einem halben Jahr.

Der Verlust der kompletten Auflage sei zwar ein »finanziell kaum zu verkraftender Schlag«, die Redaktion werde jedoch alles daran setzen, sowohl die Nummer 6 als auch weitere Hefte unter die Leute zu bringen. Die aktuelle Ausgabe mit dem Schwerpunkt »Gefangen im Kapitalismus - Bürgerlichkeit, Staat, Glückseligkeit« kann zum einen vollständig im Internet gelesen werden www.phase-zwei.org, zum anderen soll bis Weihnachten auf jeden Fall eine Druckversion herauskommen.

Auch der Plan, neue LeserInnen anzusprechen, wird nicht aufgegeben. »Obwohl es uns«, so Freitag, »lieber gewesen wäre, an die ganzen Leute, die wir jetzt ansprechen, mit einem Heft in der Hand heranzutreten.«

Politische Periodika in Tschechien drucken zu lassen, könne er auf jeden Fall nicht empfehlen, meint Freitag zum Abschied, zumindest nicht bis zum Jahr 2004, dann werde der Warenverkehr an dieser Grenze freigegeben.