Ein Ziel, viele Wege

Einig sind sich die diversen Gruppen der US-Friedensbewegung nur in ihrer Gegnerschaft zum Irakkrieg. Die Kontakte zu Bürgerrechtsorganisationen und Gewerkschaften könnten besser sein. von tim blömeke

Argumente gegen einen Angriff auf den Irak gibt es viele. Es gehe ohnehin nur um Öl, die Regierung Bush wolle von der schlechten Wirtschaftslage ablenken, der Angriff sei nicht provoziert und völkerrechtswidrig, es dürfe keinen Krieg ohne eine weitere UN-Resolution geben, keinen Krieg ohne den Kongress, es existiere kein plausibles Konzept für einen Irak nach dem Krieg, der Angriff sei ein weiterer Schlag gegen die unterdrückten Völker der Welt, insbesondere das palästinensische, der gesamte militärpolitische Diskurs sei männlich kodiert und gehöre dekonstruiert, man dürfe nicht töten, die Regierung opfere in einem Krieg die Kinder der irakischen und amerikanischen Arbeiterklasse für die Interessen des US-Kapitals …

So unterschiedlich, wie die möglichen Argumente sind, präsentiert sich die US-amerikanische Antikriegsbewegung. Liberale Organisationen wie das National Council of Churches und die National Organization of Women (Now) beteiligen sich ebenso wie Teile der gemeinhin als konservativ geltenden Gewerkschaftsbewegung.

Auf Seiten der Linken findet sich ein Großteil des Global Justice Movement, das 1999 in Seattle erstmals die Aufmerksamkeit der internationalen Öffentlichkeit erwarb, aber auch viele weniger spektakulär agierende antirassistische Gruppen des Urban Racial Justice Movement, die als Erben der Bürgerrechtsbewegung seit Jahrzehnten gegen Polizeigewalt, die Praxis des Racial Profiling und andere Formen der Benachteiligung von Minderheiten eintreten. 30 Stadtparlamente rufen ebenso zum Protest gegen den Krieg auf wie die War Resisters League und Altlinke wie Tom Hayden, einer der Protagonisten der Bewegung gegen den Vietnamkrieg.

Hayden sieht ein »Ausmaß an Gärung, wie es zu einem vergleichbaren Zeitpunkt des Vietnamkrieges 1965 nicht vorstellbar war«. Das Potenzial der Antikriegsbewegung, eine echte Massenbasis zu entwickeln, ist in der Tat beeindruckend. Gleichzeitig stellt die damit zwangsläufig verbundene Heterogenität ein bedeutendes Hindernis bei der Suche nach einem gemeinsamen Programm dar.

Der palästinensische Exilintellektuelle Edward Said sieht einen Krieg kommen, »dessen Ziel die Absetzung Saddams und seiner Männer ist und eine neue Landkarte der gesamten Region«. Er beschreibt im Magazin Znet den »Mahlstrom ununterbrochener Gewalt gegen ein ganzes Volk« (das palästinensische), während die Palästinensische Autonomiebehörde unerklärlicherweise um Frieden bemüht sei.

»Bemerkenswerterweise jedoch scheint die große Masse dieses heroischen Volkes willens zu sein, weiter ihren Weg zu gehen, ohne Frieden und ohne Schonung, blutend, hungrig, sterbend, Tag für Tag. Was könnte entmutigender sein für den durchschnittlichen Einwohner von Gaza, der weiterhin Widerstand gegen die israelische Besatzung leistet, als seine Führer auf den Knien zu sehen, als Bittsteller vor den Amerikanern.«

Said betrachtet die »Feigheit« und »Hilflosigkeit« der Autonomiebehörde als charakteristisch für die Reaktion der gesamten arabischen Welt gegenüber den Kriegsdrohungen der USA und der rassistischen Stigmatisierung der Araber durch den Westen.

Diese Position ist zwar nicht repräsentativ für die gesamte US-Linke. Dennoch wird Said in den USA als Exponent der akademischen Linken und der Antiglobalisierungsbewegung angesehen, die zu großen Teilen die Unterstützung der israelischen Regierung durch die USA ablehnt und einen Angriff auf den Irak im Kontext des Nahostkonfliktes betrachtet. In einer der ersten und immer noch aktivsten Organisationen gegen den Krieg, International Answer, spielt die Free Palestine Alliance eine führende Rolle.

Eine Erweiterung der Antikriegsbewegung um liberale und / oder jüdische Organisationen ist mit solchen Positionen nicht zu haben. Die Vizepräsidentin von Now, Olga Vives, zum Beispiel erklärt eine »ausgewogene« Position im israelisch-palästinensischen Konflikt zur Bedingung für eine Beteiligung ihrer Organisation an der Friedensbewegung. »Answers Monopol muss gebrochen werden, und es wird gebrochen«, meint dazu David McReynolds von der klassisch friedensbewegten War Resisters League.

Die außenpolitische Fixierung der Antikriegsbewegung ist zudem wenig geeignet, um die Unterstützung von Gruppen außerhalb der weißen Mittelschicht zu gewinnen. Dabei liegt die Befürwortung eines Krieges unter Afroamerikanern nach einer Studie des Joint Center for Political and Economic Studies lediglich bei 19 Prozent. Mit Parolen wie »Stoppt den Krieg gegen den Irak« sind afroamerikanische und Latino-Aktivisten aber kaum dazu zu bewegen, sich einem der vielen Antikriegsforen anzuschließen, auch wenn die etablierte Bürgerrechtsorganisation NAACP (National Association for the Advancement of Colored People) sich bereits in mehreren Resolutionen gegen den Krieg ausgesprochen hat und zu Demonstrationen aufruft.

Racial Justice 9-11 (RJ 9-11) ist ein relativ neues Bündnis mit dem expliziten Anspruch, den Widerstand gegen den Krieg in Communities von Schwarzen, Latinos und anderen »non-whites« zu stärken. Mittlerweile sind der Koalition über 60 lokale Gruppierungen beigetreten. Der Koordinator Hany Khalil fordert, den Krieg gegen den Irak im Kontext des Krieges gegen den Terror und der damit verbundenen verschärften Repression gegen Minderheiten und Immigranten zu kritisieren.

Dieser Ansatz trifft sich auf halbem Weg mit der Gründungserklärung der US Labor Against War (US-Law). Nachdem bereits im vergangenen Jahr der kalifornische Gewerkschaftsverband eine Resolution gegen den Krieg verabschiedete, trafen sich am 11. Januar in Chicago über 100 Delegierte von Gewerkschaften aus dem gesamten Bundesgebiet, um über eine gemeinsame Erklärung gegen den Krieg zu verhandeln.

In der US-Law-Gründungserklärung werden unter anderem die sozialpolitischen Implikationen eines Irakkrieges als Argumente genannt: »Die Milliarden Dollar, die zur Vorbereitung und Durchführung dieses Krieges ausgegeben werden, fehlen in unseren Schulen, Krankenhäusern, im Wohnungsbau und der Social Security«, heißt es dort. »Der Krieg ist ein Vorwand für Angriffe auf Arbeiter- und Bürgerrechte, Rechte der Immigranten und Menschenrechte in den USA.«

Die Antikriegsbewegung befindet sich in der Mobilisierungsphase. Größere Gruppen wie Not In Our Name und United for Peace werden von einer Vielzahl kleinerer Basisorganisationen getragen. Aus dieser Umgebung kommen wiederum »Outreach«-Organisationen wie RJ 9-11 oder Code Pink, die sich auf die Rekrutierung spezieller Zielgruppen verlegen.

Code Pink versucht beispielsweise, Frauen als »Hüterinnen des Lebens« gegen den Krieg zu mobilisieren. Solche Ansätze sind mit den linken Positionen nur insofern kompatibel, als dass sie als gemeinsames Ziel den Widerstand gegen den Krieg formulieren. Von einer einheitlichen Argumentation ist die Bewegung weit entfernt.

Deshalb könnte es mit der Massenbasis auch schnell wieder vorbei sein, meint John Cavanagh vom linken Institute for Policy Studies: »Die meisten Leute haben nur gegen einen Präventivkrieg der USA etwas einzuwenden. Im Falle einer klaren Provokation durch den Irak und einer starken internationalen Unterstützung löst sich das alles in Luft auf.«

Sollte allerdings der momentan wahrscheinliche Gang der Ereignisse eintreten, ein von den USA und wenigen anderen Regierungen geführter Angriff mit einer bestenfalls umstrittenen Begründung, könnte die Antikriegsbewegung der USA in all ihrer Heterogenität von Dauer sein.