Einsatz hinter der Front

Obwohl die Bundesregierung ihre Ablehnung des Irakkrieges immer wieder proklamiert, kooperiert die Bundeswehr mit den US-Truppen. Auch über alle Bündnisverpflichtungen hinaus. von frank brendle

Nicht nur die USA sind irritiert, mit der Haltung der Bundesregierung zum Irakkrieg kommt auch die deutsche Friedensbewegung nicht zurecht. Ob die Regierungsäußerungen gegen den Krieg ernst zu nehmen oder als Täuschungsmanöver zu werten sind, darüber gehen die Meinungen weit auseinander. Es überwiegt allerdings die Skepsis. So stellte zum Beispiel der Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft, Erwin Eisenhardt, fest, dass »zwar gegen den Krieg gesprochen wird, aber faktisch die Vorbereitungen für eine zumindest passive Unterstützung des Krieges auf Hochtouren laufen«.

Tatsächlich scheint die Bundesregierung bemüht, sich zumindest gewisse Optionen offen zu halten. Mitglieder der Regierungsparteien weisen gern auf die »Verpflichtungen« hin, die sich aus dem Völkerrecht oder dem Nato-Bündnis ergäben.

Ohne größere Diskussionen entschied das Bundeskabinett im vergangenen Jahr, dem US-Militär ungehinderte Überflugs- und Transitrechte im Bundesgebiet zu gewähren. Seit Monaten finden umfangreiche Truppenbewegungen statt. Menschen und Material werden entweder direkt von US-Stützpunkten in Deutschland in Richtung Irak transportiert, oder die militärischen Flughäfen in Frankfurt am Main, Ramstein und Spangdahlem dienen als Umschlagplätze bzw. Transitstationen.

Der Stab des fünften US-Korps in Heidelberg wird komplett nach Kuwait verlegt. Das fünfte Korps mit seinen 41 000 Soldaten ist neben einem Einsatz in Europa speziell auf die Kriegführung im Nahen Osten trainiert. Auf dem Stützpunkt Grafenwöhr in der Oberpfalz üben die Einheiten derzeit ihren Einsatz im Irak. Außerdem haben die US-Militärs freie Hand, in ihren Kommandoeinrichtungen den Truppenaufmarsch im Nahen Osten vorzubereiten und zu koordinieren; in Frage kommt hier etwa das Kommando der US-Streitkräfte in Europa nahe Stuttgart. Sogar die Möglichkeit, dass Kampfflugzeuge direkt von deutschen Flughäfen ins Kriegsgebiet fliegen, wird von der Bundesregierung eingeräumt.

Amerikanische Einheiten den deutschen Luftraum, die Straßen und weitere Infrastruktureinrichtungen wie etwa den Hafen des Bundeslandes Bremen benutzen zu lassen, ergibt sich keineswegs so selbstverständlich aus den Nato-Verpflichtungen, wie es von der Bundesregierung behauptet wird.

Dieter Deisenroth, Richter am Bundesverwaltungsgericht und Vertreter der Juristen und Juristinnen gegen atomare, biologische und chemische Waffen (Ialana), kommt in einer Stellungnahme zu dem Schluss, die Bundesregierung sei verpflichtet, die Bewegungsfreiheit der US-Streitkräfte zu behindern, wenn sich diese zu einem Angriffskrieg gegen den Irak rüsteten. Der Kern seiner Argumentation ist, dass ein nicht von den UN gedeckter Angriff auf den Irak ein Verstoß gegen das Völkerrecht und das Grundgesetz sei: »Völkerrechtswidrig handelt freilich nicht nur der Aggressor, sondern auch derjenige Staat, der einem Aggressor hilft, etwa indem er auf seinem Hoheitsgebiet dessen kriegsrelevante Aktionen duldet oder gar unterstützt.« Dass sich Bundeswehrpanzer amerikanischen Militärtransportern in den Weg stellen, ist freilich eine absurde Vorstellung.

Im Gegenteil stellt sich die Bundeswehr nun schützend vor die US-Kasernen in der Bundesrepublik. 95 Objekte werden ab sofort von 7 000 Bundeswehrsoldaten bewacht, was bei der Truppe nicht nur Freude hervorrief. Die FAZ kolportierte Mitte Januar Bedenken aus der Bundeswehrführung, der Ausbildungsbetrieb drohe Schaden zu nehmen, wenn nun noch 7 000 Mann aus den Heimatverbänden zum Wachschutz befohlen würden. Schließlich seien schon 10 000 Soldaten permanent im Auslandseinsatz.

Der Vorwurf einer direkten deutschen Kriegsunterstützung bezieht sich zum Beispiel auf die umstrittenen Awacs-Einsätze. Etwa 170 Bundeswehrsoldaten fliegen in den insgesamt 17 Aufklärungsflugzeugen der Nato mit, und sie sollen das auch tun, wenn der Krieg gegen den Irak beginnt. Offiziell natürlich nur, um den Luftraum der Nato-Staaten zu überwachen.

Dass sie dabei nicht in Kriegshandlungen gegen den Irak verwickelt werden, ist eine Illusion. Ernsthaft kann niemand davon ausgehen, die Aufklärungsinstrumente lieferten, wenn die Maschinen an der türkisch-irakischen Grenze entlangfliegen, nicht auch kriegswichtige Informationen. So sieht das auch die CDU und fordert ein Bundestagsmandat für den Kriegsfall.

Die sechs deutschen Spürpanzer vom Typ Fuchs bleiben in Kuwait stationiert, wo sie gegenwärtig im Rahmen der Operation »Enduring Freedom« untätig im Wüstensand schmoren. Die Terroristen, deren biologische und chemische Waffen aufzuspüren Aufgabe der »Füchse« ist, sind bisher ausgeblieben. Da könnte der Irakkrieg eine Abwechslung bieten.

Selbstredend käme man den US-Truppen bei Angriffen zur Hilfe, gerne auch »im Grenzbereich« zum Irak, wie Hans-Ulrich Klose (SPD), der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Deutschen Bundestag, vor knapp zwei Monaten erklärte. Dann würde wohl auch darüber hinweggesehen, dass der Irakkrieg im Gegensatz zu »Enduring Freedom« vermutlich keine Uno-Maßnahme sein wird.

Über die direkten militärischen Maßnahmen hinaus ersetzen Bundeswehrsoldaten in Afghanistan US- und britische Einheiten. Gemeinsam mit den Niederlanden übernimmt das deutsche Kontingent am 10. Februar die Führung der Afghanistan-Schutztruppe (Isaf) von den Briten. Das deutsche Kommando Spezialkräfte (KSK), das bis Ende des vergangenen Jahres stets von US-Spezialeinheiten eskortiert wurde, streift mittlerweile alleine durch die afghanischen Berge, um verborgene Kämpfer von al-Qaida aufzustöbern. Solche Entsatzmaßnahmen erleichtern den USA den Aufmarsch rund um den Irak. Zuletzt bewies Verteidigungsminister Peter Struck seinen guten Willen, indem er anbot, verletzte US-Soldaten mit den »fliegenden Krankenhäusern« der Bundeswehr aus Saudi-Arabien zur Behandlung nach Deutschland zu transportieren.

Für die politischen Unstimmigkeiten mit den USA, zu denen die wiederholten Stellungnahmen der Bundesregierung gegen den Krieg führten, wird mit Dienstleistungen bezahlt. Zwar kämen die USA zur Not auch ohne jegliche deutsche Unterstützung aus, der Preis für einen Bruch – man denke an die deutsch-amerikanischen Handelsbeziehungen – wäre für die deutsche Seite dann allerdings doch zu hoch. Da fährt Deutschland besser, wenn man es sich dank stillschweigender Kooperation nicht völlig mit den USA und dank weitreichender Enthaltung von direkten Militäreinsätzen nicht mit den arabischen Staaten verdirbt.