In die Röhre gucken

Der Elektronikkonzern Grundig wurde Anfang Januar an das taiwanesische Unternehmen Sampo verkauft. Zu hohe Löhne waren nicht der Grund für die Krise bei Grundig, meint corell wex

Alles so schön bunt hier«, sang Nina Hagen einst in ihrem Lied »TV-Glotzer«. Es ist nicht überliefert, ob sie dabei in einen Fernseher der Marke Grundig starrte. Aber es ist nicht unwahrscheinlich. Im Jahr 1978, als ihr Album erschien, war das Unternehmen Grundig auf dem Höhepunkt seines Erfolges. 25 Jahre später wurde es an die taiwanesische Firma Sampo für 100 Millionen Euro verkauft.

Interessant ist die Legende, mit der der Niedergang des fränkischen Traditionsunternehmens erklärt wird. Die hohen Löhne am Standort Deutschland seien schuld daran. Die Übernahme durch eine taiwanesische Firma scheint diese These zu bestätigen.

Dabei ist ein wichtiges Kriterium für die Wirtschaftlichkeit eines Unternehmens die Höhe der Lohnstückkosten, die sich aus dem Verhältnis der Produktivität zu den Löhnen ergibt. Und die sind in Deutschland im internationalen Vergleich gering, wie Untersuchungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) oder der Bericht der Enquetekommission des Bundestags zur Globalisierung der Weltwirtschaft zeigen.

Es sind letztlich populäre Standortlegenden, dass Deutschland in den vergangenen Jahren im Übermaß Arbeitsplätze ans Ausland verloren habe oder unattraktiv für Investitionen sei. Hierzulande seien in den vergangenen 20 Jahren sogar neue Arbeitsplätze entstanden, was nur durch die gleichzeitige Zunahme der Bevölkerung verdeckt werde, behauptet der Wirtschaftsjournalist Günter Heismann in seinem Buch »Die entfesselte Ökonomie« und belegt seine These mit Zahlen des Statistischen Bundesamtes.

Zwar sind im Bereich der Produktion von billigen Fernsehgeräten die Löhne im Trikont tatsächlich niedriger. In dieser Sparte musste Grundig auch große Einbrüche hinnehmen. Mit verschiedenen Sparmaßnahmen versuchte das Unternehmen, rentabler zu werden und die Produktivität zu erhöhen. Doch der Umsatz konnte nicht gesteigert werden. Also schloss man einige Produktionsstätten, und schließlich mussten immer weniger Angestellte immer mehr Betriebsrenten erwirtschaften. Grundig soll dadurch mit 60 Millionen Euro belastet worden sein.

Doch es wäre zu einfach, den Grund für die Pleite Grundigs nur in den niedrigen Löhnen oder den schlechten Standards für den Umweltschutz etwa in China zu suchen. Es wurden dort auch größere und modernere Fabriken errichtet als in Deutschland.

Ein anderer Grund für die Krise bei Grundig waren die Fehler des Managements. So soll der Erwerb einiger Hotels durch Max Grundig das Unternehmen stark belastet haben. Der Entzug finanzieller Mittel schwächte die Ausgangsbasis des Unternehmens Anfang der achtziger Jahre. Es fehlte das Geld, um in den US-amerikanischen Markt vorzudringen. Im Nachhinein stellte sich das als entscheidender Nachteil heraus, denn in den USA ist die Binnenkonjunktur viel stärker und die Konsumrate viel höher als hierzulande.

Nach dem Tode Max Grundigs im Jahre 1989 wurde die Firma endgültig von der Krise erfasst. Unter Mithilfe des Freistaates Bayern übernahm ein Bankenkonsortium Grundig und gewann als Anteilseigner die Firma Philipps. Sie gab jedoch bereits 1994 wieder auf, bewahrte aber durch Verlustübernahmen den Konzern vor der Pleite.

Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung in den neunziger Jahren erlebte der Konzern auch wieder einige bessere Jahre. Allerdings wurden die Gewinne nicht sinnvoll investiert. So verlagerte man unter großem Aufwand die Produktion von Fernsehgeräten von Nürnberg nach Wien, wo sie bald darauf unrentabel wurde. Und zwar vor allem deshalb, weil der Bau der kleinen tragbaren TV-Geräte an den türkischen Zulieferer Beko vergeben wurde und die Auslastung des Wiener Standorts nicht mehr gegeben war.

Vor drei Jahren holte man sich dann Harald Klippel, den Marketingchef des Konkurrenten Loewe, ins Haus, der 75 Prozent des Produktangebots austauschen ließ. Man wollte den Erfolg von Loewe kopieren, der mit seinen höherwertigen Produkten auch eine entsprechend höhere Wertschöpfung erzielt. Aber die Rechnung ging nicht auf. Grundig konnte mit seinem großen Sortiment nicht die gleiche Nische besetzen wie Loewe.

So sehr die Belegschaft auch freiwillig auf Löhne verzichtete, so weit die IG Metall dem Unternehmen mit einem Haustarifvertrag entgegenkam, der Niedergang war nicht mehr abzuwenden. Für Sampo ist die Übernahme ein gutes Geschäft, wenn man bedenkt, was das taiwanesische Unternehmen für die 100 Millionen Euro erwirbt: eine erstklassige Traditionsmarke mit einem hervorragenden Vertriebsnetz. Zu Recht bemerkte die Taipei Times, dass Sampo wie andere asiatische Firmen zwar stark in der Fabrikation sei, nicht aber in der Etablierung einer Marke. Für den guten Namen übernimmt man nun die Schulden von Grundig.

Den Beschäftigten ist die Erleichterung jedenfalls anzumerken, und auch die deutsche Presse ist durchaus zufrieden, denn eine Woche nach der Übernahme verkündeten der Geschäftsführer von Sampo, Ho Heng-chun, und der Vorstandsvorsitzende von Grundig, Hans Peter Kohlhammer, dass keine weiteren der nur noch 2 900 Stellen abgebaut würden.

Dieses Versprechen darf allerdings bezweifelt werden. Denn der Vertrieb von Grundig ist weniger an den großen europäischen Ländern als am deutschen Markt orientiert, wo man mit einem Anteil von 20 Prozent gut vertreten ist. In dieser Hinsicht könnte Sampo sich neu orientieren, was auch Arbeitsplätze in Deutschland kosten könnte.

Auch die Taipei Times warnte schon vor den Risiken der Übernahme. Man müsse die verschiedenen Unternehmenskulturen berücksichtigen. Zudem gebe es noch bestimmte Klauseln im Übernahmevertrag, die Sampo den Ausstieg ermöglichen könnten, wenn Grundig bis zum Jahr 2005 keine schwarzen Zahlen schreibe. Erreichen will Sampo die positive Bilanz vor allem durch einen höheren Umsatz, die Geräte Grundigs sollen auch in China verkauft werden. Umgekehrt sollen Waschmaschinen und Kühlschränke von Sampo unter dem Markennamen Grundig in Europa vertrieben werden.

Was aber bleibt in Fürth, dem Sitz von Grundig? Vor allem ein Radiomuseum auf dem ehemaligen Firmengelände und die Max-Grundig-Anlage in der Innenstadt. Fast höhnisch guckt aus dem Schaufenster gegenüber der Anlage ein Grundig-Fernseher der so genannten Fine-Arts-Serie, der 2 000 Euro kostet und den sich wohl keiner der arbeitslosen ehemaligen Beschäftigten von Grundig leisten kann.