Es ist angerichtet

Die SPD verliert in Hessen und in Niedersachsen von stefan wirner

Wie viele Regierungen kann ein Mensch in seinem Leben eigentlich ertragen? 16 Jahre regierte Helmut Kohl mit der Union und der FDP in Deutschland. Als die Leute nicht mehr glauben wollten, dass der Aufschwung irgendwann komme, im nächsten Frühjahr oder im Sommer oder im Herbst, und die Arbeitslosigkeit sinke, wenn es endlich der Wirtschaft besser gehe, da entschieden sie sich für das so genannte »rot-grüne Chaos«. Da war sie plötzlich, die Mehrheit links von der CDU, wie Willy Brandt sie einmal genannt hatte, und Gerhard Schröder wurde Kanzler.

Die zweifache Niederlage der SPD am vergangenen Wochenende könnte nun den Anfang vom Ende der rot-grünen Ära bedeuten. Niedersachsen und Hessen sind nicht irgendwelche Bundesländer. Christian Wulff, der geübte Herausforderer, wird nach Ernst Albrecht erst der zweite christdemokratische Ministerpräsident in Hannover nach dem Krieg sein. Und in Hessen, wo Roland Koch (CDU) die absolute Mehrheit errang, bildeten Joschka Fischer und Manfred Börner 1985 die erste rot-grüne Landesregierung.

Mit dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Sigmar Gabriel erlitt am Sonntag gerade der Politiker der SPD eine schmerzliche Niederlage, der bereits als Nachfolger Gerhard Schröders im Gespräch war. Koch hingegen empfahl sich mit seinem »brutalstmöglichen« Sieg als Kanzlerkandidat der Union bei der nächsten Bundestagswahl.

Die Union und die FDP werden die Angriffe auf die rot-grüne Bundesregierung nun verstärken. Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) kündigte am Wahlabend an, man werde einen »Politikwechsel erzwingen«. Er nannte auch die entscheidenden Forderungen, auf die sich die SPD einlassen müsse. Es solle Steuererleichterungen für den Mittelstand geben, der Arbeitsmarkt solle dereguliert und die Reform der sozialen Sicherungssysteme in Angriff genommen werden.

Auch wenn auf dem Papier weiter eine rot-grüne Regierung an der Macht ist, wird die Politik wieder mehr denn je seit dem Jahr 1998 von den Konservativen und den Liberalen bestimmt werden. Friedrich Merz, Guido Westerwelle und die so genannten Wirtschaftsexperten imitieren schon seit Monaten erfolgreich in den Talkshows die Stimmen der Beschäftigten und jammern über das im Portemonnaie fehlende Geld und über die hohe Arbeitslosigkeit. Aber was sie mit Reformen meinen, zielt auf eine umfassende Aufhebung der Rechte der Beschäftigten und den Abbau des Sozialstaates unter dem Slogan »mehr Eigenverantwortung«.

Wer bei diesem Projekt u.a. noch im Wege steht, sagte Friedrich Merz (CDU) am Sonntag in der Sendung von Sabine Christiansen. »Wir müssen auch ein gehöriges Stück des Machtanspruchs der deutschen Gewerkschaften zurückweisen«, forderte er. Wenn der Vorsitzende der Gewerkschaft Verdi, Frank Bsirske, im Fall einer Einschränkung des Flächentarifvertrages einen eisigen Wind ankündige, der dann durch das Land ziehe, »dann lassen wir ihn mal wehen, den eisigen Wind«, drohte Merz.

Dass Politiker wie er in der Zukunft wieder mehr zu sagen haben, haben die Niedersachsen und die Hessen am vorigen Sonntag bewirkt. Bleibt nur zu hoffen, dass die Leute, bevor sie unter einem Bundeskanzler Roland Koch auf »mehr Wachstum« und »mehr Beschäftigung« warten, sich noch etwas Besseres einfallen lassen.