Hass und weg

Eine Ausstellung rassistischer Schmierereien

Viel Lob für ihr Handeln zu erhalten, ohne Nachahmer zu finden, ist das Los von Irmela Mensah-Schramm. Seit 1986 beseitigt sie Nazisprüche von Wänden, Bänken und Telefonzellen. Was mit dem Abreißen eines Aufklebers mit den Worten »Freiheit für Rudolf Heß« begann, ist zu einer Ich-AG im Entsorgungssektor mit angegliedertem Weiterverwertungsbetrieb geworden. Denn mittlerweile fotografiert Mensah-Schramm die Objekte, bevor sie sie mit Spachtel, Farbe oder Lösungsmittel verschwinden lässt. Schon 6 735 Fotos lagern in unzähligen Kartons in ihrem Schlafzimmer.

Der Eifer, mit dem sie faschistische Losungen übermalt, wegspachtelt oder auflöst, blieb auch den Nazis nicht verborgen. Sie sprühten auf einen Verteilerkasten: »Zecken-Oma wir kriegen Dich!« Angst um ihre Gesundheit bekam Mensah-Schramm deswegen nicht, wohl aber wegen ihrer ständigen Verwendung von Lösungsmitteln. Denn auch diese Drohung beantwortete sie mit dem kleinen, immer griffbereiten Acetonfläschchen. Nebenbei machte sie sogleich ein neues Foto für ihre Sammlung.

Ihr Aktionismus brachte Mensah-Schramm noch weiteren Ärger ein. Die Polizei hinterließ zwar keine Drohungen, schrieb aber Anzeigen. Entweder wegen Sachbeschädigung oder wegen des »Verwendens verfassungsfeindlicher Symbole«. Damit dürfte jetzt wohl Schluss sein. Denn aus dem umfangreichen Material konzipierte sie die Ausstellung »Hass-Schmierereien. Fotografiert und vernichtet«. Und die wird noch bis zum 7. Februar in der Landespolizeischule in Berlin-Spandau gezeigt. 850 Polizeischüler bekommen so einen kleinen Eindruck, was gelebte »Erfüllung der staatsbürgerlichen Pflicht« (Mensah-Schramm) tatsächlich bedeutet.

Die angehenden Polizisten sind allerdings geteilter Meinung darüber, was sie von dieser Pflicht halten sollen. Während die einen die Aktion gut finden, meinen andere: »Was sie da macht, ist strafbar.« Jürgen Krohn, Lehrer für politische Bildung an der Landespolizeischule, erklärte, die Strafanzeigen seien geschrieben worden, weil einige Polizisten unsicher seien, ob sie sich strafbar machten, wenn sie nichts täten. Denn »politische Auseinandersetzung ist nicht unsere Aufgabe«.

Mensah-Schramm will vor allem zum Nachdenken und Nachahmen anregen. Die Nazis predigten Hass, sie setze ein Signal dagegen. »Wenn ich mehrere Male am Tag Cola-Werbung sehe, bekomme ich darauf Durst. Mit den Nazischmierereien ist das ähnlich. Es steht da, also stimmt es.« Die Besucher der vergangenen Ausstellungen zeigten sich begeistert. Aber ihrem Beispiel folgen mochte niemand. Möglicherweise ist ihr weißer »Anti-Hass-Anzug«, den sie während ihrer Touren trägt, nicht elegant genug.

So bleibt die Unterstützung punktuell und sachbezogen. Einmal borgte ihr ein BVG-Angestellter einen Stuhl, ein Mitarbeiter eines Restaurants organisierte aufopferungsvoll eine Leiter und ein Polizist hielt ihr kurzfristig den Spachtel. Die in dufthemmende Materialien verpackte Flasche Aceton gehört wohl auch in Zukunft nicht zum Standardrepertoire in deutschen Taschen und Rucksäcken.

udo van lengen