Kontrolle ist alles

Großbritannien: Kampagne gegen Asylbewerber

Der Krieg gegen den Terrorismus fordert Opfer, in der Regel allerdings nicht in Europa. Um so entsetzter war die britische Öffentlichkeit, als bei einer Hausdurchsuchung Mitte Januar in Manchester der Polizist Stephen Oake von einem Algerier erstochen wurde. Die Durchsuchung galt islamistischen Gruppen, der Algerier war ein bereits abgelehnter Asylbewerber. In die Beileidsbekundungen mischten sich bald Vorwürfe gegen die Regierung. New Labour habe das Land zum Tummelplatz für Terroristen gemacht, erklärten die Konservativen.

Fazil Kawani, ein Sprecher der Wohlfahrtsorganisation Refugee Council, appelliert an die Vernunft: »Auch wenn wir tiefes Mitgefühl für Detective Constable Stephen Oake und seine Familie und Freunde empfinden, müssen die Medien und die Öffentlichkeit anerkennen, dass die überwältigende Mehrheit der Asylbewerber nicht kriminell ist.«

Aber vor dem Hintergrund eines möglichen Irakkriegs wächst die Furcht vor Vergeltungsschlägen irakischer oder islamistischer Gruppen. Seit dem Dezember des vergangenen Jahres verstärkt die Polizei den Druck auf Islamisten. Eine Durchsuchung einer Londoner Moschee im Januar brachte Propagandamaterial und Waffen zum Vorschein. Angeblich verhinderte Scotland Yard einen Giftgasanschlag in der Hauptstadt, als sechs Algerier verhaftet wurden.

Seitdem steht in der öffentlichen Debatte fest, dass Asylbewerber eine potenzielle Gefahr darstellen. Da nützt es nichts, dass antirassistische Gruppen darauf hinweisen, dass von über 88 000 Bewerbern im Jahr 2001 insgesamt drei terroristischer Aktivitäten verdächtigt werden.

Angeheizt wird die Angst vor dem Terror vor allem von den Boulevardblättern. Rupert Murdochs Sun startete eine Kampagne, um »den Asylwahnsinn zu beenden«. Täglich wird über neue »Skandale« rund ums Asyl berichtet. Angeblich hat schon über eine halbe Million Leser die gegen illegale Einwanderer gerichtete Petition des auflagenstärksten britischen Massenblattes unterschrieben. Und in einer Meinungsumfrage der Daily Mail sprachen sich 72 Prozent dafür aus, allen Asylbewerbern die Einreise zu verweigern.

Nicht nur die Boulevardpresse profitiert von der Debatte um Asyl und Terror. Im Januar errang die rechtsextreme British National Party (BNP) ihren fünften Parlamentssitz. Der rasante Aufstieg der Nationalisten beginnt, den politischen Eliten Angst zu machen. Um den Rechtsextremen die Unterstützung zu entziehen, folgt man ihren Vorschlägen.

Tatsächlich hat New Labour gerade erst schärfere Einwanderungsgesetze verabschiedet. Am vorletzten Montag erklärte Premierminister Tony Blair jedoch, die Regierung werde sich ab jetzt »der Asylbewerberflut entgegenstemmen«.

Er kündigte außerdem an, gegebenenfalls aus der Genfer Konvention auszusteigen, die Abschiebungen in Folterländer verbietet. »Das ist der Schlüssel, um die Bewerberzahlen wesentlich zu senken«, sagte Blair.

Die Tories dagegen fordern, alle Asylbewerber zu internieren, bis nachgewiesen sei, dass sie nicht mit dem Terrorismus in Verbindung stehen. »Wir haben die Kontrolle über unsere Grenzen verloren«, polemisierte der Oppositionsführer Ian Duncan Smith und sprach vom »nationalen Notstand«.

Die Kontrolle verlieren die Briten allerdings eher über den Rassismus auf der Straße. Seit dem Beginn der Kampagne der Sun nimmt die Anzahl rassistischer Angriffe auf Muslime stetig zu.

matthias becker, london