Blok-Blockade blockiert

Nach dem Ende des Gerichtsverfahrens, mit dem ihm die staatliche Förderung entzogen werden sollte, darf der belgische Vlaams Blok davon träumen, an der Regierung beteiligt zu werden.

Der Versuch, den rechtsextremen Vlaams Blok (VB) auf gerichtlichem Weg von der staatlichen Finanzierung abzuschneiden (Jungle World, 14/01), ist wohl endgültig gescheitert. Zwar gab sich Belgien Mitte der neunziger Jahre, nach den ersten Erfolgen der Partei, ein eigens auf den VB zugeschnittenes Gesetz, nach dem rassistischen Vereinigungen die staatliche Förderung entzogen werden kann. Vor zwei Jahren klagten die Liga für Menschenrechte und das Zentrum für Rassismusbekämpfung gegen drei Trägervereine des VB, über die jährlich staatliche Fördermittel in Höhe von rund vier Millionen Euro an den Blok fließen. In der Folge entzündete sich der Konflikt jedoch weniger an der Politik der rechtsextremen Partei als an der Frage der Zuständigkeit für die Klage, die von allen bürgerlichen und linksbürgerlichen Parlamentsparteien unterstützt wurde.

Das Berufungsgericht, das oberste Gericht des Königreichs, erklärte sich nun in zweiter und letzter Instanz für unzuständig. Und zwar mit einer Begründung, der es an juristischer Spitzfindigkeit nicht mangelt. Sie läuft darauf hinaus, dass es sich um ein politisches Verfahren handle, und dafür sei das mit Kriminalsachen befasste Schwurgericht zuständig. Nur noch die an der Regierung beteiligten französischsprachigen Sozialdemokraten und niederländischsprachigen Grünen (Agalev) wollen das gerichtliche Vorgehen gegen die Neofaschisten fortsetzen; ihnen werden jedoch geringe Chancen eingeräumt. Die Gazet van Antwerpen kommentierte, der VB dürfe nicht im Gerichtssaal bekämpft werden, »sondern zum Beispiel, indem die Probleme behandelt werden, die der Vlaams Blok anspricht«.

Und dafür fand sich auch gleich eine ganze Reihe von Freiwilligen. Ward Beysen etwa, ein aus der VB-Hochburg Antwerpen stammender Europaabgeordneter, der Anfang des Jahres aus der liberalen VLD ausgetreten ist, stellte Ende Februar das Programm seiner neu gegründeten Partei »Liberaal Appel« (LA) vor, nach seinen Worten eine »vernünftige rechte Alternative«. Dazu gehören die Abschiebung von illegalisierten Flüchtlingen, mehr Polizei, eine »unternehmerfreundliche Politik« und die Aufhebung der nächtlichen Geschwindigkeitsbegrenzung auf der Autobahn. Man könnte auch sagen: ein etwas weniger unappetitlicher Vlaams Blok. Als »infame Lügen« bezeichnete ein LA-Sprecher jedoch Gerüchte, nach denen mit dem VB bereits Gespräche über eine Zusammenarbeit geführt würden. Man sei lediglich »gegen den Cordon sanitaire rund um den Vlaams Blok, weil er undemokratisch ist«. 1991, als der VB plötzlich sein Wahlergebnis verdreifachte und in den flämischen Landesteilen zwölf Prozent erreichte, schlossen die anderen Parteien ein informelles Abkommen, das seitdem in den beiden Landesteilen etwas unterschiedlich interpretiert wird. Während man in Flandern lediglich ein Koalitionsverbot darunter versteht, geht man in Brüssel und Wallonien weiter und hält sich an ein politisches Kontaktverbot.

Auch eine Riege von 35 so genannten Intellektuellen, die am 10. März als neu gegründete Bewegung »Pro Flandria« mit einem »Denkanstoß« an die Öffentlichkeit getreten sind, will die »Normalisierung« des Blok. »Es steht einer Demokratie schlecht zu Gesicht, eine ganze Bevölkerungsgruppe mundtot zu machen, die immerhin 600 000 Personen umfasst«, sagt Manu Ruys, ein früherer Chefredakteur der angesehenen niederländischsprachigen Tageszeitung De Standaard. Er zieht den Schluss, der Vlaams Blok müsse an Regierungen beteiligt werden, »um sich nass zu machen«. Dann werde er sich, ähnlich wie Haiders FPÖ in Österreich, selbst entzaubern.

Das ist die offizielle Begründung für die geplante »Entdiabolisierung« des Vlaams Blok, die man immer wieder zu hören bekommt. Doch die Mitglieder von »Pro Flandria« können nicht verhehlen, dass sie ein weiter gehendes Interesse verfolgen. Die meisten von ihnen kommen aus der konservativen bis rechtskonservativen Umgebung der Nieuw-Vlaamse Alliantie, der christdemokratischen CD&V sowie aus Beysens ehemaliger Partei, der VLD. Am 18. Mai finden Wahlen in Belgien statt, bei denen die derzeitige sozialdemokratisch-liberal-grüne Regierung mit einer Niederlage rechnen muss. Da käme es der politischen Rechten zupass, die Schmuddelkinder vom rechten Rand als Mehrheitsbeschaffer zu integrieren. Auf fast zehn Prozent kam der Vlaams Blok in Belgien bei den letzten Wahlen, in seiner Hochburg Antwerpen, der größten Stadt Belgiens, holte er ein Drittel der Stimmen und wurde stärkste Partei. Im Mai rechnet man mit zwölf Prozent, die für die restliche Rechte einfach verloren gehen, wenn die Isolierung des VB anhält.

Warum also nicht den Versuch wagen, die Blockade des Blok zu durchbrechen? Zumal der VB aus jedem der Skandale und Skandälchen, die in Belgien schon beinahe endemisch sind, Kapital schlagen kann. Da er nirgends an der Regierung beteiligt ist, kann er vergiftete Lebensmittel, Kinderschänder und Nepotismus als Auswüchse des »korrupten Regimes« anprangern und sich selbst als Retter präsentieren. Das jüngste Beispiel liefert ein kleiner Skandal in Antwerpen, über den die Stadtregierung stolperte. Ein halbes Dutzend Regionalpolitiker aus allen wichtigen Parteien bezahlte private Luxusgüter mit dienstlichen Kreditkarten. Bei den Neuwahlen, die wahrscheinlich auch im Mai stattfinden werden, ist ein sehr großer Erfolg des Vlaams Blok absehbar.

Eines dürfte klar sein: Was immer Rechtsausscherer wie Beysen anstellen, die autoritätsversessene und rassistische Stammwählerschaft werden sie dem Blok nicht ohne weiteres abluchsen können. Und dieses Wählerpotenzial wächst weiterhin beständig an. »Unsere Wähler«, freut sich der Parteivorsitzende Frank Vanhecke, »wissen sehr gut, dass das Original besser ist als die blasse Kopie vom Liberaal Appel.« Und da muss man ihm ausnahmsweise uneingeschränkt Recht geben.