Oh yes, Olympia

Nicht die Spiele sind abzulehnen, sondern die Rituale des Protests. von tobias rapp

Erinnert sich eigentlich noch jemand an den Widerstand gegen die Expo 2000 in Hannover? Monatelang hatten linke Gruppen gegen die Expo mobilisiert, aus den verschiedensten Gründen: Weil die Expo der Gentrifizierung Vorschub leiste, weil der Expo fragwürdige ideologische Prämissen zu Grunde liegen würden, weil die Expo nur der Selbstdarstellung von multinationalen Großkonzernen diene. Dann ging die Expo los, und nachdem anfangs niemand hingehen wollte, weil die Eintrittspreise zu hoch waren, hörte man nach einer Weile ganz andere Geschichten: dass es eigentlich ganz lustig war, dass es eine Menge gut bezahlter und nicht weiter anstrengender Jobs gab. Dass sich abends nach Ausstellungsschluss Hunderte Expo-Mitarbeiter in den Pavillions zu sehr lustigen und lebendigen Partys trafen.

Erinnert sich eigentlich noch jemand an die Prognosen, die die Berliner Nolympia-Bewegung in die Welt setzte, für den Fall, dass die Olympischen Spiele 2000 an die Spree vergeben werden würden? Wie sehr die Olympischen Spiele dem sozialen Kahlschlag, der Luxussanierung armer Stadtviertel, der Verdrängung der angestammten Wohnbevölkerung zuarbeiten würde? Da haben die Berliner ja noch mal Glück gehabt, dass sie die Olympischen Spiele nicht bekommen haben, nicht auszudenken, was für eine soziale Verheerung die Veranstaltung in der Hauptstadt hätte anrichten können. Stattdessen bekam Sydney die Spiele zugesprochen, und den Bildern im Fernsehen nach zu urteilen, scheint es ein schönes Fest gewesen zu sein. Wieso auch nicht? Zigtausend Sportler kamen in die Stadt, zigtausend Medienleute und außerdem noch zigtausend Sportbegeisterte.

Es ist eins der großen Rätsel der Menschheit, warum sich Linke bevorzugt zusammenfinden, wenn es darum geht, solche Veranstaltungen zu verhindern. Warum?

Das Argument derjenigen, die sich nicht für Sport interessieren und nicht wollen, dass ihre Steuergelder für den Bau von Sportstätten ausgegeben werden, erscheinen noch am vernünftigsten. Aber gibt es Leute, die sich nicht für Kunst interessieren und die deshalb dagegen sind, dass Museen gebaut und unterhalten werden? Ist irgendjemand, der sich nicht für Kino interessiert, gegen die Berlinale? Und abgesehen davon – die Olympischen Spiele von 1976 in Montreal waren die letzten Spiele, die für die Veranstalter mit einem massiven Schuldenberg endeten. Seit den Spielen in Los Angeles 1984 sind Olympische Spiele wegen der Rundumkommerzialisierung ein gutes Geschäft (die Spiele in Moskau 1980 mussten auf solch profane Dinge wie »Wer soll das bezahlen?« keine Rücksicht nehmen).

Nun gibt es nicht wenige Sportinteressierte, die sich genau an dieser Kommerzialisierung stören. Führt sie doch dazu, dass fragwürdige Sportarten wie Beach Volleyball olympische Weihen erhalten. Andere Sportinteressierte stehen den Olympischen Spielen auch skeptisch gegenüber, weil das IOC ein korrupter Haufen ist und weil nach wie vor nicht konsequent genug gegen Doping vorgegangen wird. Wenn es so weit ist, hängt dann aber trotzdem jeder nächtelang vor dem Fernseher.

Die vier Goldmedaillen von Carl Lewis und die Siege von Michael Groß (»Flieg, Albatros, flieg!«) in Los Angeles 1984. Das Drama in Seoul 1988 um den kanadischen Sprinter Ben Johnson und seine Goldmedaille über 100 Meter, die ihm dann wegen Dopings aberkannt wurde. Die immer wieder grandiosen Siege der amerikanischen 4-mal-100-Meter-Staffeln. Die Silbermedaille für den sympathisch-stoffeligen Zehnkämpfer Frank Busemann in Atlanta 1996, der kämpfte, als würde sein Leben davon abhängen. Das wunderbare Spektakel der Läufer aus Kenia, die jedes Mal die Medaillen über die Langstrecken unter sich ausmachen. Die jamaikanische Sprinterin Merlene Ottey, die 1980 in Moskau Bronze über 200 Meter holte, 1984 Bronze über 100 und 200 Meter, 1988 Vierte über 200 Meter wurde, 1992 noch einmal Bronze über 200 Meter holte, 1996 dann zwei Mal Silber und einmal Bronze gewann und die schließlich 2000 in Sydney bei ihren sechsten Spielen über 4 mal 100 Meter noch einmal Silber gewinnt.

Will mir wirklich irgendjemand ernsthaft erzählen, eine Veranstaltung, die so viele bewegende Momente produziert hat, sei ablehnenswert?