»Wir sind alles außer rechts«

Vivien Hellwig

Die Friedensbewegung wird zu einem nicht geringen Teil von Schülerinnen und Schülern getragen. In Berlin beteiligten sich am 20. März rund 70 000 SchülerInnen an einem Schulstreik und demonstrierten gegen den Krieg.

Vivien Hellwig war eine von ihnen. Die 19jährige besucht das John-Lennon-Gymnasium in Berlin-Mitte und engagiert sich in der Initiative SchülerInnen gegen den Krieg. Mit ihr sprachen Christian Honnens und Stefan Wirner.

Mit welchen Aktionen habt ihr bisher gegen den Krieg demonstriert?

Zuerst haben wir den Schülerstreik am Tag X organisiert, am Freitag danach haben wir eine große Veranstaltung abgehalten unter der Frage: Wie weiter nach dem Schülerstreik? Wir wollten uns mit Leuten treffen und diskutieren, was man so machen kann. Außerdem haben wir auf allen großen Demonstrationen an den vergangenen Samstagen Jugendblöcke gebildet und alle Jugendlichen aufgefordert, teilzunehmen und Stimmung zu machen. Wir haben auch vor einem Betrieb, vor Siemens in Berlin, Flugblätter verteilt.

Warum vor Siemens?

Wir wollten vor einem Betrieb demonstrieren, der mit Rüstung zu tun hat. Wir wollten mit den Beschäftigten sprechen und sie auffordern, auch etwas gegen den Krieg zu tun.

Wie organisiert man einen Schülerstreik?

Wir treffen uns jeden Freitag. Irgendwann kamen dann immer mehr Vertreter verschiedener Schulen hinzu, am Ende waren es 30 Berliner Schulen. Wir haben eine Telefonkette gebildet und Flyer gedruckt für den Streik am Tag X. Dann sind wir mit der Unterstützung von Studenten an die Schulen gegangen und haben Flugblätter verteilt. Als der Krieg begann, haben wir die verschiedenen Leute an den Schulen angerufen und gesagt, dass es losgeht.

Da kommen ein paar Leute zusammen, gehen dann in die Klassenzimmer und sagen: Jetzt geht’s los?

An manchen Schulen wurde das schon vorher diskutiert und die ganze Schule beteiligte sich, da haben auch die Lehrer und die Rektoren teilweise mitgemacht und gesagt: Okay, ihr dürft raus. Dann sammelten sich die Leute vor den Schulen. Im Prenzlauer Berg war es so, dass eine richtige Demonstration, von der Polizei begleitet, zum Alexanderplatz zog.

An anderen Schulen, an denen es problematischer war, sind die aktivsten Schüler durch die Klassen gegangen und haben gesagt: Heute ist ein Schülerstreik, und wenn ihr mitmachen wollt, dann treffen wir uns um zehn vor der Schule.

Welche Probleme gab es?

Ich habe von Schulen gehört, an denen den Schülern mit Verweisen und Tadeln gedroht wurde, wenn sie sich am Streik beteiligten. Da gab es dann keine Aufforderung von den Schulsprechern oder der Schulleitung zu demonstrieren, sondern man musste es untereinander abmachen.

Die Lehrer sind auf eurer Seite?

Das ist von Schule zu Schule unterschiedlich. Es gibt auch Lehrer, die den Krieg richtig finden.

Arbeitet deine Grupppe mit den Schülervertretungen zusammen?

Wir haben Kontakt zum Landesschülerausschuss. Die Schülervertretungen sagen aber auch, dass sie eigentlich keine politische Ausrichtung haben dürften. Der Landesschülerausschuss hat den Streik trotzdem unterstützt.

Gab es denn von anderer Seite Versuche, euch an euren Aktionen zu hindern?

Es war nicht so problematisch wie beim Afghanistankrieg, weil ja jetzt die Regierung auch gegen den Krieg ist. Wir hatten in unserem Büro allerdings schon Besuch von der Polizei. Auch auf unserem Treffen war mal ein Polizist, der aber ziemlich schnell weggeschickt wurde.

Die Taliban in Afghanistan haben ja Mädchen den Schulbesuch verboten. Wie siehst du das als Schülerin?

Ich finde es schlimm, was dort damals geschah, genauso wie die Diktatur im Irak, aber ich glaube nicht, dass Krieg dagegen ein sinnvolles Mittel ist. Gerade der Afghanistankrieg hat den Terror eher noch verschärft oder Leute in die Arme von Terroristen getrieben.

Wie beurteilt ihr denn die momentane Haltung der Bundesregierung?

Wir sind uns einig, dass wir gegen die Überflugrechte sind, und wir verstehen es nicht, dass die Regierung gegen den Krieg ist, aber die Militärbasen schützt. Andererseits diskutieren wir auch darüber, wie scharf man die Bundesregierung angreifen und kritisieren sollte. Dazu gibt es unterschiedliche Meinungen.

Inwiefern?

Es gibt Leute, die behaupten, man dürfe die Regierung nicht zu sehr angreifen, weil man dann viele Kriegsgegner, die ihre Hoffnung auf Schröder setzen, vergraulen würde. Andere sagen, dass die Regierung nur aus wirtschaftlichen und machtpolitischen Interessen gegen diesen Krieg ist. Wir hatten darüber noch keine ausführlichen Diskussionen, wir wollen sie aber führen. Wir veranstalten im April eine Jugendkonferenz, bei der dies auch ein Thema sein wird.

Tauchen bei euren Protesten auch rechte Jugendliche auf?

Am Tag X sollen auch Nazis demonstriert haben. Bei uns sind aber alle gegen Rechts. Solche Leute haben auf unseren Demos nichts zu suchen.

Begreift ihr euch als links?

Nicht direkt. Wir sind alles außer rechts. Es sind wirklich ganz verschiedene Schüler, es kommen auch immer neue dazu, von denen man nicht weiß, welche politischen Ansichten sie sonst so haben. Es ist ein Schülerbündnis, das sich erstmal gegen den Krieg ausspricht. Es sind bei uns Linke vertreten, aber auch Leute, die ich der Mitte zurechne.

Seit wann denkst du über Politik, über Themen wie Krieg und Frieden nach?

Ich beschäftige mich damit, seit ich 13 Jahre alt bin, seither bin ich politisch aktiv. Früher hab ich mich aber mehr gegen Rassismus und Faschismus engagiert.

Wie bist du dazu gekommen? Gab es Leute, die dich dazu inspiriert haben?

Es kam schon ein wenig durch meine Mutter, die auch engagiert ist und sich Gedanken macht. Später hatte es natürlich mehr mit meinen Freunden zu tun, mit denen ich mich ausgetauscht habe.

Deine Eltern unterstützen dein politisches Engagement?

Mein Vater stimmt zwar nicht immer mit dem überein, was ich denke, er findet es aber generell gut, dass ich mich politisch engagiere.

Wie denkst du über Amerika?

In unserem Schülerbündnis gibt es auf jeden Fall keine antiamerikanische Stimmung, es geht gegen die dortige Regierung, die Rüstungsindustrie, die Ölkonzerne. Niemand ist gegen die amerikanische Bevölkerung, man versucht eher, Kontakte herzustellen.

Und was hältst du von den USA, mal abgesehen von der Frage des Krieges?

Das Land ist für mich schwer einzuschätzen. Man sieht irgendwelche Sitcoms im Fernsehen, und das soll dann Amerika sein. Leider war ich selbst noch nie dort. Ich kenne aber Amerikaner, die nach Deutschland gekommen sind, um hier zu studieren. Die sind genauso wie wir.

Was willst du mal machen, wenn du mit der Schule fertig bist?

Ich will Dokumentarfilmerin werden. Eigentlich wollte ich mich jetzt um meine Zukunft kümmern, aber dafür habe ich gerade zu wenig Zeit.

Die Jugendkonferenz ist für alle Jugendlichen offen und findet am 13. April in Berlin, im Haus des DGB in der Keithstraße 1–3, statt.