Kalt geträumt

Der reimende SA-Standartenführer Gerhard Schumann wurde noch in den achtziger Jahren mit Preisen ausgezeichnet. Führers Bettlektüre IV. von marcel steinbach und annelies senf

Doch als er aufstund fuhr der Feuerschein / Des Auserwählten um sein Haupt. Und niedersteigend / Trug er die Fackel in die Nacht hinein. / Die Millionen beugten sich ihm schweigend. / Erlöst. Der Himmel flammte morgenbleich. / Die Sonne wuchs. Und mit ihr wuchs das Reich.« Gerhard Schumann verstand es, Adolf Hitler wie einen aus höheren Sphären herabsteigenden Heiland zu preisen, was ihm mehrere nationalsozialistische Literaturpreise einbrachte.

Schumann, geboren 1911, bekannte sich sehr früh zum Nationalsozialismus. Bereits 1930 trat er in die NSDAP, den Nationalsozialistischen Studentenbund (NSDTB) und die SA ein. Innerhalb kürzester Zeit schaffte er es zum Standartenführer der SA, er wurde Mitglied des Kulturkreises der SA, und 1938 wurde er von Goebbels in den Reichskultursenat beziehungsweise in den Präsidialrat der Reichsschrifttumskammer berufen. 1939 meldete er sich als Kriegsfreiwilliger und ging 1944 zur Waffen-SS, wo er 1945 den Rang des SS-Obersturmführers erlangte.

Der »Ritter am heiligen Gral Deutscher Kultur«, wie er sich selbst gern bezeichnete, sah sich einer literarischen Elite zugehörig. Seine den Nationalsozialismus verherrlichende Lyrik ist geprägt von dem Verlangen nach der »Wiedergeburt eines geistigen deutschen Reiches«. Dieses Reich sollte nach seiner Vorstellung aus der Sehnsucht und Not des Volkes, aus Blut und Erde neu entstehen. In den »Liedern vom Reich« (1935) sieht er sich aus einem »kalten Traum aufwachend und fühlend«, wie er sich »neu empfing«. Er schöpfte Hoffnung, da er sich auf einer »Strömung des Ganzen mitschwimmen« sah. An sie »verlor er sich selbst« und fand dabei Volk und Reich: »Und hingebeugt zu schwörender Verpflichtung / so knieten wir, blickhart und herzensweich. / Und über uns im Licht der Dom, das Reich.«

Um das Schicksal des neuen Reiches zu vollenden, schreitet die Volksgemeinschaft, angetrieben durch die ihr Kraft verleihende Sehnsucht, zur Tat. Folglich habe sich der oder die Einzelne einer höheren Idee und einer großen Politik für Volk und Nation zu verschreiben und zu unterwerfen. Ganz im Sinne des völkischen Nationalismus sieht Schumann ein Volk marschieren, das sich sein Schicksal sucht. Doch allein geführt durch Schwur und Zwang, »irrten sie selbstverbrannt durch die Plane«, im Kampf um das Schicksal nahe dem Zusammenbruch. Wie ein Geschenk des Himmels kam dann die Rettung: »Aus tausend Augen glomm das letzte Hoffen! / Aus tausend Herzen brach der stumme Schrei: Den Führer! Knechte uns! Herr mach uns frei!«

Wie kaum ein zweiter Dichter der NS-Zeit vermochte Schumann den völkischen Zeitgeist in Worte zu fassen. So lobte der Völkische Beobachter an seinem Buch »Das Reich« (1934) die »unmittelbar in unser Dasein wirkende Lebensmacht«. Ähnliches schrieb ein SA-Führer in einem Brief an ihn: »Die Saat, die du geworfen, ist herrlich aufgegangen in heißen, jungen Herzen.« Schumann gelang es, der Barbarei einen poetisch-geistigen Schein zu verleihen; nicht zuletzt deshalb war er auch in den »SS Leitheften« ein gern gelesener Autor.

Seine bekanntesten Gedichtbände waren »Die Lieder vom Reich« (1935), »Die Lieder vom Krieg« (1941), »Bewährung« (1940) und »Wir aber sind das Korn« (1936). Für den letztgenannten Band erhielt er 1936 von Joseph Goebbels den Nationalen Buchpreis verliehen.

Die Verherrlichung der Person Hitlers, die Schumann in unzähligen Führergedichten zelebrierte, brachte seine Bücher nach 1945 auf die Liste der auszusondernden Literatur, die von den Alliierten zusammengestellt wurde. Doch unbelehrbar schrieb Schumann nach seiner Gefangenschaft und Internierung weiter, bis er 1995 starb. Ab 1950 war er als Geschäftsführer des Europäischen Buchklubs tätig. Bis in die achtziger Jahre publizierte er seine Nazi-Literatur in dem von ihm 1962 gegründeten Hohenstaufen-Verlag, dessen Mitgesellschafter 1981 der rechtsextreme Verleger Gerd Sudholt wurde. Bis heute wird Schumann, einer der am meisten gefeierten nationalsozialistischen Schriftsteller, in rechtsextremen Kreisen verehrt, entsprechende kulturelle Institutionen überhäuften ihn mit Preisen. So erhielt er nicht nur 1971 den Lyrik-Ehrenring des Deutschen Kulturwerkes europäischen Geistes (DKEG), das sich der »Pflege volkshaft-konservativer Literatur« verschrieben hat, sondern auch 1983 dessen Schillerpreis des deutschen Volkes »für Liebe und tapferes Bekennen zu Volk und Vaterland« sowie 1981 die Ulrich-von-Hutten-Medaille des gleichnamigen Freundeskreises. Das DKEG wurde 1950 von dem ehemaligen Kollegen Schumanns in der Reichsschrifttumskammer, Herbert Böhmer, gegründet. Gemeinsam mit dem Freundeskreis Ulrich von Hutten, mit dem die Nachfolgeorganisation des DKEG, die Deutsche Kulturgemeinschaft (DKG), personell eng verknüpft ist, richtet das Kulturwerk jährlich eine so genannte Gästewoche aus. Sie dient der Förderung von Kontakten zwischen alten und jungen, deutschen und europäischen Neonazis.

Hätte man doch nur getan, was Thomas Mann 1945 in seinem offenen Brief an Deutschland verlangte: Bücher, die zwischen 1933 und 1945 gedruckt werden konnten, seien weniger als wertlos und nicht gut in die Hand zu nehmen und gehörten demzufolge eingestampft, »ein Geruch von Blut und Schande haftet an ihnen«. Da dies jedoch nicht geschah, wird Schumann auch heute noch rezipiert, zum Beispiel von rechten Bands.

Besonders auffällig ist dies in der Neofolk-Szene, die wie viele andere versucht, unter dem Deckmäntelchen der Kultur braune Ideologie zu transportieren. Dieselben sprachlichen Bilder, die schon Schumann bemühte, findet man in den Texten solcher Bands wieder. Das Korn, welches wächst und sich nicht unterkriegen lässt, und das ewige Feuer, welches in jungen Herzen brennt, besingt zum Beispiel die Jenaer Band Forseti auf ihrer CD »Jenzig« (2002): »Feuer muß brennen, Flammen lodern durch die Nacht. / Wasser muß fließen, ungezähmte heil’ge Kraft. / Erde muß wachsen, das des Lebens Korn gedeiht. / Durch nebelgraue Lüfte zieht ein Raunen von Unsterblichkeit.«