Von Goslar nach Afrika

Die Deutschen im Krieg von melis vardar

Der Irakkrieg war völkerrechtswidrig, weil drei von fünf Vetomächten des UN-Sicherheitsrates zufällig keine »Bedrohung des Weltfriedens« ausmachen wollten. Hätten sie zugestimmt, wäre die Klage über den »Bruch des Völkerrechts« hinfällig geworden.

Für die Beurteilung des Krieges aber ist beides irrelevant, das Recht und dessen Bruch. jedenfalls dann, wenn man die Dinge aus einer emanzipatorischen Perspektive betrachtet. Schließlich kennt das Völkerrecht nur Staaten, nicht aber Individuen als Rechtssubjekte. Umgekehrt hat die Verteidigung nationalstaatlicher Souveränität nichts mit Befreiung zu tun.

Dass Staaten stets auch die Interessen ihrer Nationalökonomien vertreten, ist gleichermaßen richtig wie banal. Daneben zählt aber die Frage, welches Regime mit welchen Mitteln zu welchem Preis beseitigt wird und was darauf folgt. Hier liegen die entscheidenden Unterschiede etwa zwischen dem vietnamesischen Einmarsch in Kambodscha und dem US-amerikanischen auf Grenada, zwischen den Kriegen gegen Jugoslawien und gegen den Irak.

Auch das rot-grüne Milieu bewertet beide Kriege unterschiedlich. Sah etwa Jürgen Habermas im Kosovokrieg eine »Weltinnenpolitik« walten, die dem »kosmopolitischen Recht einer Weltbürgergesellschaft« Geltung verschaffe, brandmarkte er noch nach dem Fall Bagdads den »imperialen Anspruch«, der die »politische Lebensform und Kultur einer bestimmten Demokratie für alle Gesellschaften exemplarisch« erkläre. Heute jedoch neigt man im rot-grünen Milieu wieder zur Intervention. Jüngst forderte Bettina Gaus im taz-Leitartikel: »Freiwillige vor!« In den Kongo nämlich.

Denn humanitäre und friedenstiftende Maßnahme ist, wenn die Deutschen dabei sind. Krieg ist, wenn es die Amis alleine tun. Egal, ob sich Deutschland an der Intervention im Kongo doch stärker beteiligt oder sich hinter Frankreich einreiht – vor dem Brandenburger Tor wird es ruhig bleiben. Gerhard Schröder wird nicht in Goslar sein lautes Nein zum Krieg verkünden.

Überhaupt Goslar. Dort hat die Bayer-Tochter H.C. Starck ihren Hauptsitz, die zu den führenden Firmen des Coltanhandels gehört. Dieses Erz wird für die Produktion von Handys benötigt. Große Coltanvorkommen finden sich wo? Im Kongo.

Das heißt nicht, die »Operation Artemis« zielte primär auf den Zugang zu Ressourcen. Aber auf Assoziationsketten, die den Irakkrieg begleiteten, wird man vergeblich warten. Bettlaken und Spiegel-Titel mit der Parole »Kein Blut für Coltan« wird es nicht geben.

Dass einige ein stärkeres Engagement scheuen, weil unsere Jungs selten in Afrika waren, gilt nicht. Auch auf dem Balkan griff man nicht auf Erfahrungen der Bundeswehr, sondern der Wehrmacht zurück. Die gäbe es auch in Afrika.

Und dafür braucht man den Soldaten, wie ihn der damalige Generalinspekteur der Bundeswehr Klaus Naumann Mitte der Neunziger forderte, »der auch fern der Heimat versucht, Krisen von seinem Land fern zu halten. Eine neue Dimension für deutsche Soldaten, die ähnliches in diesem Jahrhundert bislang nur zweimal vor 1945 erlebten.« Zum Beispiel anlässlich einer friedensstiftenden Maßnahme im Land der Hereros.