Nachrichten

Von Distomo nach Dresden

NS-Entschädigungsprozess. Die Anwesenheit des Ministerialrats Otto Löffler aus dem Bundesfinanzministerium bewies, dass es der Bundesregierung mehr ums Geld als um die Anerkennung von Verbrechen geht. Am vergangenen Donnerstag fand vor dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe der Prozess statt, der entscheiden wird, ob Opfer des Nationalsozialismus aus dem Ausland auch jetzt noch persönliche Entschädigungsansprüche gegenüber der Bundesrepublik geltend machen können. Bei den Klägern handelt es sich um Überlebende eines SS-Massakers am 10. Juni 1944 im griechischen Distomo. (Jungle World, 24/03)

Zu Beginn seines Plädoyer verlas der Anwalt der Bundesregierung, Achim Krämer, eine Erklärung, in der das begangene Unrecht deutscher Truppen im Zweiten Weltkrieg nicht nur in Distomo »zutiefst bedauert« wird, um anschließend darauf hinzuweisen, dass eine gerichtliche Entscheidung für eine nachträgliche Entschädigung der Opfer immense Konsequenzen habe. Wohl wahr! Allerdings bezog sich Krämer nicht etwa darauf, dass allein weitere 50 000 Klagen griechischer NS-Opfer zu erwarten wären. Vielmehr folgerte er, dass die britische Regierung dann von Deutschen wegen der Bombardierung Dresdens verklagt werden könne. Mit dem Hinweis auf die Rechtslage zum Zeitpunkt des Massakers stellte Krämer den formalen Anspruch der Opfer auf Entschädigung in Frage. Es war eben Krieg.

Ganz offensichtlich will die Bundesregierung eine Prüfung des Falles durch das Bundesverfassungsgericht vermeiden. Schließlich wurden dort 1996 die Ansprüche von NS-Zwangsarbeitern bestätigt. Das Urteil wird am 26. Juni in Karlsruhe verkündet.

Ein Koffer in Dresden

Terrorismus. Er sollte dort explodieren, wo er abgestellt worden war. Das scheint bisher das einzige zu sein, was das Landeskriminalamt Sachsen über den mit 1,6 Kilogramm Sprengstoff gefüllten Koffer mit relativer Sicherheit weiß, der am vorletzten Freitag auf dem Dresdner Hauptbahnhof entdeckt wurde.

Offenbar wurde der Koffer absichtlich neben einem Getränkeautomaten postiert. »Bei der Explosion wäre auch dieser Automat zerrissen worden«, sagte der Präsident des Landeskriminalamts, Peter Raisch, der Süddeutschen Zeitung. »Dadurch wären weitere Metallteile durch die Gegend geschossen und hätten noch größere Verwüstungen angerichtet.«

Eine Ahnung, wer den Koffer abgestellt haben könnte, hat die Dresdner Polizei bislang noch nicht. »Wir halten vom irrationalen Täter bis zur politisch motivierten Tat alles für möglich«, sagte Raisch. Verbindungen zur Organisation Skinheads Sächsische Schweiz (SSS) seien überprüft, aber als nicht stichhaltig abgehakt worden.

Ansage im Hinterhof

Außenpolitik. Die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Serbien und Montenegro, dem ehemaligen Jugoslawien, waren schon einmal besser. Wie die Deutsche Welle kürzlich berichtete, soll das Auswärtige Amt die serbische Regierung unter Druck setzen, um den Verkauf eines Stahlwerkes an ein US-amerikanisches Unternehmen zu verhindern. Demnach soll der deutsche Botschafter in Belgrad in einer offiziellen Note mit wirtschaftlichen und rechtlichen Konsequenzen gedroht haben, wenn die Entscheidung nicht rückgängig gemacht werde.

Es geht um den Verkauf des serbischen Eisen- und Stahlwerks Sartid an U.S. Steel Kosice in der Slowakei, ein Tochterunternehmen von U.S. Steel. Auch deutsche Unternehmen hatten sich interessiert gezeigt. Der deutsche Botschafter in Serbien behauptet, die deutschen Interessenten seien »rechtswidrig« benachteiligt worden. Wenn das Geschäft nicht rückgängig gemacht werde, könnten deutsche Unternehmen ihre Investitionen in Serbien und Montenegro einstellen.

Die Konkurrenz schläft nicht

Konservative Pläne. Während die Grünen auf ihrem Sonderparteitag am vergangenen Wochenende in Cottbus noch so taten, als würde ein wenig um die Zustimmung zur Agenda 2010 gerungen, meldete das konservative Lager bereits neue Pläne.

Nichts Geringeres als das Grundgesetz steht zur Disposition, damit künftig nicht nur Individuen und Unternehmen, sondern auch die Bundesländer miteinander konkurrieren können, etwa um die zahlungskräftigsten Studierenden oder die abschreckendsten Leistungen für Sozialhilfeberechtigte. Die Höhe der Sozialhilfe und der gesamte Bildungsbereich sollen nach einem Verfassungsentwurf, den der CDU-Vorstand in den nächsten Tagen diskutieren soll, alleinige Sache der Länder sein. Dass die Realisierung solcher Vorschläge dazu beitragen würde, unterschiedliche Lebensverhältnisse in den einzelnen Bundesländern zu befördern, sei den Autoren des Verfassungsentwurfes nach Angaben des Spiegel durchaus bewusst.

Mit einem weiteren Gesetzentwurf will die Union »Überreglementierungen in verschiedenen Bereichen des Arbeitsrechts« beseitigen, wie der zweite Vorsitzende der Fraktion, Friedrich Merz, es gegenüber der Welt am Sonntag ausdrückte. Zum Beispiel soll an der Arbeitslosenversicherung gespart und der Kündigungsschutz gelockert werden, Abweichungen von Tarifverträgen sollen möglich sein und Arbeitslose während der Probezeit untertariflich bezahlt werden können. Das alles läuft wie immer unter dem Label »Modernisierung«.

Nichts Gutes verheißt auch die Meldung des Spiegel, dass rechte Lobbygruppen wie der Bürgerkonvent (Jungle World, 23/03) und die Initative Neue Soziale Marktwirtschaft enger zusammenarbeiten wollen. Vorgesehen ist zum Beispiel die Gründung einer gemeinsamen Stiftung. Das Ziel der Kooperation ist es, mehr Druck auf die Bundesregierung ausüben zu können, um sie dahin zu bringen, wohin sie von sich aus schon will.