Jungle Brother

ich-ag der woche

Schon vor der geistig-moralischen Wende zeigte der backende Überlebenskünstler Rüdiger Nehberg den satten Deutschen, welchen Luxus der Wohlfahrtsstaat darstellt. 1981 startete er ohne jegliche Ausrüstung zu seinem »Deutschlandmarsch«, präsentierte einem schaudernd staunenden Fernsehpublikum, wie man die heimische Ringelnatter auszutzelt, und dozierte über das nussige Aroma gegrillter Krabbeltiere. Seit Jahrzehnten parliert der selbst ernannte »Sir Vival« über die »Maßlosigkeit« der modernen Welt.

Für sein neuestes Abenteuer lässt sich der rüstige Rentner in finsterer Nacht per Helikopter 1 000 Kilometer tief im brasilianischen Urwald aussetzen, lediglich ausgerüstet mit einem knappen Höschen und Ersatzbatterien für sein Hörgerät, um dann den Weg zurück in die Zivilisation zu finden. Die Tiere des Dschungels werden sich verblüfft die Augen reiben beim Anblick eines greisen Nackedeis in Bermudashorts und selbst gebastelten Badelatschen. Vor wilden Tieren fürchte er sich nicht. Schon bei seiner ersten Expedition nach Amazonien verdarb er potenziellen Essern mittels einer Mundharmonika und deutschen Liedgutes den Appetit.

Ganz fit ist der mittlerweile 68jährige Nehberg nicht mehr: Schmerzen in den Fußgelenken lassen ihn fast humpeln, die Sehkraft schwindet und die Hörleistung rangiert bei zehn Prozent. Dennoch schont der Pensionär in vorbildlicher Weise das Gesundheitssystem: Warum gleich den Arzt konsultieren, wenn das Rheuma plagt oder der Stuhl unkontrolliert aus dem Darm herausdrückt? Wer sich beim »Großlieferanten Regenwald« auskennt, weiß, »wo Schmerztabletten an den Bäumen wachsen und wie man den Durchfall gestoppt kriegt«.

titus engelschall