Satz und Sieg

in die presse

Die Siegeslaune ist allenthalben spürbar. Auch bei der Berliner Zeitung. Was hat man sich nicht für eine Mühe gegeben und die Agenda 2010 unterstützt. Keine Ausgabe erschien, in der nicht die Gewerkschaften gemaßregelt wurden. Und jetzt, nachdem sich die IG Metall in Selbstauflösung befindet und der Kanzler triumphiert, ist es Zeit für ein Siegerinterview.

Ausgewählt wurde hierfür Eric Schweitzer, der 37jährige Präsident der Industrie- und Handelskammer Berlin. Er erklärte vorige Woche den Lesern, wie es weitergeht in der Hauptstadt, mit den Gewerkschaften und überhaupt.

Den kürzlich abgeschlossenen Tarifvertrag des Senats mit Verdi, der Arbeitszeitverkürzungen ohne Lohnausgleich mit sich bringt, beurteilte er so: »Das ist eine sehr gute Leistung des Senats. Pluspunkt Nummer eins ist, dass wirklich im Personalbereich Kosten gespart werden. Pluspunkt Nummer zwei: Es ist gemeinsam mit den Gewerkschaften gelungen.« Ob die Beschäftigten mit dem geringeren Lohn zurecht kommen – wen interessiert’s? Die Lehre aus der Geschichte lautet: »Wenn auch die Gewerkschaften ihrer verantwortungsvollen Rolle gerecht werden, dann werden sich auch bald die Diskussionen um ihre Existenzberechtigung verflüchtigen.« Wenn die Gewerkschaften keine mehr sind, dürfen sie bleiben.

Ähnlich sieht er die Rolle der in Berlin mitregierenden PDS. »Ich hätte nicht vermutet, dass sich ein rot-roter Senat so ernsthaft mit dem öffentlichen Dienst und dem Personalbudget befassen würde«, gibt Schweitzer zu. Überhaupt habe sich die PDS »Respekt erarbeitet« bei den Unternehmern. »Ein Beispiel: Wirtschaftssenator Wolf überreichte kürzlich dem Präsidenten der Berliner Unternehmensverbände, Gerd von Brandenstein, das Bundesverdienstkreuz.« Auch eine PDS, die sich der Wirtschaft andient und auf die Interessen der Beschäftigten pfeift, darf also bleiben. Schweitzer fasst zusammen: »Es geht um pragmatische Politik, wer sie macht, ist zweitrangig.« Besser lässt sich die Funktion der Demokratie in der Wirtschaftskrise nicht beschreiben. Eric Schweitzer jedenfalls hat seine Existenzberechtigung bewiesen.

paul urban