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Schnitte der Woche I

Sozialabbau. Keine Woche, ja kein Tag vergeht, ohne dass Vorschläge zur »Erneuerung« Deutschlands vorgelegt würden. Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Michael Rogowski, forderte in der vorigen Woche eine Verlängerung der Arbeitszeit. Sie solle »pauschal auf 38 bis 40 Stunden« angehoben werden, sagte er dem Handelsblatt. Auch die CDU-Vorsitzende Angela Merkel sprach sich dafür aus, die Wochenarbeitszeit um zwei Stunden zu erhöhen. Nach dem verlorenen Streik der IG Metall im Osten war das nicht anders zu erwarten. Der Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA) wünscht, dass das Krankengeld zukünftig nur noch von den Versicherten aufgebracht werde.

Auch das Landessozialgericht Berlin leistete seinen Beitrag zum Fortschritt des Landes. Es entschied am Dienstag voriger Woche, dass ein Arbeitsloser, der eine Lebensversicherung besitzt, diese mit der Arbeitslosenhilfe verrechnen muss. Ein 48jähriger erwerbsloser Raumausstatter hatte auf Zahlung der Arbeitslosenhilfe geklagt, die ihm mit Verweis auf seine Lebensversicherung verweigert worden war. Von den 45 000 Euro, die er in die Versicherung einzahlte, muss er nun zunächst 30 000 aufbrauchen, denn 15 000 Euro gelten als Freibetrag. Erst dann könnte er wieder Arbeitslosenhilfe erhalten. Fortsetzung folgt.

Grün ist die Kotze

Bundesregierung. Endlich mal jemand, der seinem Unmut Luft verschafft. Bundeskanzler Gerhard Schröder findet die Grünen »zum Kotzen«. Auf einer Klausursitzung der SPD in der vergangenen Woche griff er vor allem die Parteivorsitzende Angelika Beer an, die sich für eine deutsche Beteiligung an einem militärischen Einsatz im Irak unter bestimmten Bedingungen ausgesprochen hatte. Schröder kritisierte, dass die Grünen Regierungs- und Oppositionspartei gleichzeitig sein wollten.

Ein Interview mit dem ehemaligen grünen Parteivorsitzenden Fritz Kuhn lieferte am Mittwoch voriger Woche einige Belege für Schröders These. Kuhn beklagte in der Berliner Zeitung ein »Gerechtigkeitsproblem« der Agenda 2010. »Die Gutverdiener werden nicht in dem Maße belastet wie der Durchschnitt.« Er räumte jedoch ein: »Wir haben in Deutschland in der Tat das Problem, dass wir die Gutverdiener nur schwer heranziehen können. Wenn wir sie etwa mit drastischen Steuererhöhungen belegen, dann würde das eine gigantische Kapitalflucht ins Ausland auslösen.« So sehen die Sorgen eines Grünen aus.

Nein, dieses Mal sind wir der Meinung Schröders. Eine regierende Oppositionspartei ist das Letzte, was Deutschland braucht. Den geschröpften Unterschichten ist keinesfalls geholfen, wenn auch die Gutverdiener einen symbolischen Obolus leisten. Und dafür, dass wenigstens Sozialhilfeempfänger mit ihrem Kapital nicht ins Ausland flüchten, sorgt doch schon Ulla Schmidt.

Tag der Übelkeit

Revanchismus. »An der Spitze wird das Thema weitgehend ausgeklammert.« Erika Steinbach, die Vorsitzende des Bundes der Vertriebenen, jammerte mal wieder kräftig am vergangenen Samstag, an dem ihre Organisation den so genannten Tag der Heimat beging. Steinbach forderte Bundeskanzler Gerhard Schröder und Außenminister Joschka Fischer auf, »nicht nur für die Gefühle unserer Nachbarländer Polen und Tschechien Verständnis aufzubringen, sondern in zumindest gleichem Maße für ihre eigenen Bürger«.

Dabei unterstützte in der vergangenen Woche eine illustre Gruppe bekannnter Persönlichkeiten mit einer Anzeige in der der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Steinbachs Projekt eines Zentrums gegen Vertreibung in Berlin. Auf der Liste der Vertreibungsgegner fanden sich u.a. Arnulf Baring, Rupert Neudeck, Tilman Zülch, Peter Glotz und Udo Lattek, allesamt Persönlichkeiten, die auch Bundespräsidenten werden könnten. Und immer mehr junge Leute interessieren sich für das Thema der Vertriebenen. Gut 200 Antifas demonstrierten in Berlin gegen den Tag der Heimat. Die Parole lautete: »Schlagt die ›Sudeten‹ mit den Benes-Dekreten.«

Alle Yogi-Flieger fliegen hoch!

Deutsche Friedensregierung. Nur wenige Monate ist es her, dass die neuen verteidigungspolitischen Richtlinien vorgelegt wurden. Nun ist Peter Strucks Werk bereits Makulatur. Denn am 31. August wurde in Uedem am Niederrhein die Deutsche Friedensregierung gegründet. Und die bietet »Maharishis Strategien der Unbesiegbaren Verteidigung an. Sie sieht die Einrichtung eines Präventionsverbandes aus Yogischen Fliegern vor (…). Dadurch erhält Deutschland einen unbesiegbaren nationalen Schutzschild.« Zuständig dafür ist der Oberstleutnant a.D. Gunter Chassé, 1985 mit dem Ehrenkreuz der Bundeswehr in Gold ausgezeichnet, der sich später auf »alternative Verteidigungsmöglichkeiten« konzentrierte.

Mit ihren Plänen für 60 Friedenspaläste, eine Weltfriedensuniversität, »Hallen der Verfassung« in allen Landeshauptstädten und die Lenkung des Staats durch höheres Bewusstsein starten die Jünger Maharishis eine neue Offensive. 1998 traten sie als Naturgesetz-Partei zur Bundestagswahl an und erhielten 0,1 Prozent der Stimmen. Der damalige Spitzenkandidat Reinhard Borowitz, jetzt in der Administration der Friedensregierung tätig, verriet vor zwei Jahren der rechtsextremen Jungen Freiheit, alles dafür tun zu wollen, dass »wir in Deutschland« weniger Kriminalität und geringere Krankheitsraten hätten. Er war der Glückliche, der von Seiner Heiligkeit Maharishi Mahesh Yogi als »Nationaler Administrator« für Deutschland eingesetzt wurde. Böse Zungen werfen eben jener Heiligkeit die Verbreitung totalitären Gedankengutes vor.

Wer die Yogi-Flieger, diese menschlichen Albatrosse, bei ihrem majestätischen Treiben beobachten möchte, schaue sich http://www.agpf.de/TM-Fliegen.htm#Video an. Viel Spaß!