Auffüllung des Hohlkopfs

Die neue Rechte versucht nachzudenken. Über sich und die Welt. Vor allem im Institut für Staatspolitik. von andreas speit und christian dornbusch

Nicht alle Interessierten konnten an der »4. Sommerakademie« des Instituts für Staatspolitik (IfS) teilnehmen. Unter dem Titel »Rechts und Links« hatte das Institut um Götz Kubitschek und Karlheinz Weißmann nach Eisenach geladen, um »grundsätzliche Fragen nach den Bestimmungsmerkmalen der beiden politischen Richtungen« zu klären.

Als Gäste waren vor allem »wissenschaftlich interessierte junge Leute unter 30« erwünscht, getreu der Hoffnung des Instituts, »eine neue, rebellische Elite« vorantreiben zu können. Wegen der vielen Anmeldungen mussten die Verantwortlichen jedoch etliche Absagen erteilen. »Dies haben wir sehr bedauert«, entschuldigte sich Kubitscheck. Aber »in den kommenden Heften der Sezession werden vier Vorträge veröffentlicht«, versprach er.

Den angeblich großen Zulauf verdankt das im Mai 2000 gegründete IfS nicht nur der Reklame der rechtsextremen Wochenzeitung Junge Freiheit. Auch die Themen der Sommerakademie, »Die ewige Rechte«, »Die Anatomie der Neuen Rechten« und »Perspektiven konservativer Politik«, dürften die »rebellische Elite« angesprochen haben. Gerade die Intellektuellen der extremen Rechten bemühen sich darum, sich von dem einst selbstgewählten Begriff »neue Rechte« zu lösen. Denn für manche, die sie gewinnen möchten, verbindet sich mit dieser Bezeichnung kein »rechtsdemokratisches« Profil. Vor allem stört die »neue Rechte«, dass seit über zehn Jahren der Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalens über ihr Treiben informiert.

Als eine der letzten Trutzburgen des »unabhängigen Geistes« soll das alte Rittergut des IfS im sachsen-anhaltinischen Schnellroda dienen. Ende vergangenen Jahres zog das IfS von Berlin nach dort um. Auf dem Land, zwischen Naumburg, Merseburg und Querfurt, sei der rechte Ort für ein »ganz bestimmtes Institutskonzept«. Das Gut biete »Ruhe für gründliche Arbeit an Studien (…); Platz für eine eigene auf spezielle Segmente zugeschnittene Forschungsbibliothek; Arbeitsplätze für Studenten und junge Wissenschaftler«.

Mit dem Aufbau des Instituts kommen Kubitschek (geboren 1970) und Weißmann (geboren 1959) der Vision eines »Reemtsma-Instituts von rechts«, wie die Junge Freiheit es nennt, näher. Den letzten Impuls für das Projekt erhielten sie nämlich von der Wehrmachtsausstellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung. Der relative Erfolg der Ausstellung sei auf eine gelungene »institutionalisierte politische Beeinflussung der Öffentlichkeit« zurückzuführen, sagte Weißmann im November 1999 in einem Interview mit der Jungen Freiheit.

Das Reemtsma-Institut habe »eine Scharnierfunktion zwischen Linksradikalismus und der demokratischen Linken« und unterhalte »zahlreiche Verbindungen in den universitären, publizistischen und den politischen Bereich«. Der Gymnasiallehrer erinnerte auch an das historische Vorbild des Instituts, an das »Politische Kolleg« Martin Spahns in den zwanziger Jahren. Doch anders als das Vorbild aus dem Spektrum der Konservativen Revolution müsse heute ein Institut noch andere »Aufgaben erfüllen, angefangen bei der Sammlung von Nachlässen« bis hin zur »Seminar- und Vortragstätigkeit«.

Im Ostpreußenblatt nannte Weißmann in einem Interview im Mai 2000 die strategischen Ziele des Instituts. Auch wenn die CDU derzeit in der Krise sei, sei sie »die einzige nicht linke Partei von Bedeutung«, ihre »nationalkonservativen Kräfte« müssten unterstützt werden. Kurzfristig käme eine »nationalkonservative Strömung« in der CDU zwar nicht zum »Durchschlag«, aber langfristig könne sie sich »durch solide außerparteiliche Arbeit« durchsetzen.

Im August 2001 führte Weißmann erneut im Interview mit der Jungen Freiheit weiter aus: »Das geistige Vakuum, das in der Union herrscht«, verlange nach »Auffüllung«. Solange die Union die »Wir-Gesellschaft« diskutiere und darüber nachdenke, ob sie die soziale Marktwirtschaft vertreten solle, bestehe »offensichtlich ein Bedarf nach geistiger Orientierung«. Doch Weißmann betonte: »Wir wollen keinen Wahlkampf für die Union machen (…) Uns geht es um geistigen Einfluss, nicht die intellektuelle Lufthoheit über Stammtische, sondern über Hörsälen und Seminarräumen interessiert uns, es geht um den Einfluss auf die Köpfe, und wenn die Köpfe auf den Schultern von Macht- und Mandatsträgern sitzen, um so besser.«

Die von Weißmann propagierte Reideologisierung des Konservatismus erinnert an die Agitation gegen den »Demutskonservatismus« unter dem »Bann von Auschwitz«, wie sie der kürzlich verstorbene Vordenker der Rechten, Armin Mohler, vortrug. Kubitschek und Weißmann wollen ebenso das »politische Nationalbewusstsein« fördern. Um die »Diskurshoheit« in der vermeintlich von den 68ern dominierten Mitte der Gesellschaft wiederzugewinnen, führt das IfS das »Berliner Kolleg« sowie die »Sommer- und Winterakademien« durch. Es gibt die »wissenschaftliche Reihe IfS-Studien« heraus und zeichnet für das Magazin Sezession verantwortlich.

Das IfS wirbt auch für die Veröffentlichungen des von Kubitschek gegründeten Verlags Edition Antaios. Außer Werken von Weißmann und Mohler erschien hier auch das Pamphlet »Rudi Dutschke. Revolutionär im geteilten Deutschland« des ehemaligen Gefährten Dutschkes, Bernd Rabehl. Weißmann hat zweifellos den großen Plan gegen die »Dekadenz« der modernen Welt in der Tasche: »Entscheidend ist zuerst: eine Analyse der Lage, dann die Suche nach Verbündeten, dann die Ausweitung der Kampfzone.«

Zunächst reiht sich das IfS jedoch in den Kampf der Jungen Freiheit gegen das Innenministerium Nordrhein-Westfalens ein. Dessen Einschätzung der »neuen Rechten« und der Jungen Freiheit sei nichts anderes als eine »wissenschaftlich getünchte Bekämpfung des politischen Gegners«. Um sich zu wehren, legte das Institut nun eine »eigene Untersuchung« zum Begriff »neue Rechte« vor. Das Ergebnis lautet: Die »neue Rechte« sei viel zu pluralistisch und heterogen, um unter einem Etikett zusammengefasst zu werden. Sie sei ein »konstruiertes Feindbild«.