Alles wird schlechter, weil …

… die Schule in Berlin nicht mehr nur Zeit und Überwindung, sondern auch Geld kostet. Seit Beginn des Schuljahres nämlich müssen Eltern in der Hauptstadt bis zu 100 Euro pro Kind für Lehrbücher aufbringen. Und weil viele »bildungsferne« Erziehungsberechtigte, wie sich der CDU-Bildungsstadtrat Happel aus Tempelhof-Schöneberg ausdrückt, das nicht gemacht haben, droht ihnen nun ein Zwangsgeld in Höhe von 100 bis 200 Euro.

Von der Schulbuchgeldregel ausgenommen sind Familien, die arm sind. Die Armut wäre bis zum 18. September durch Vorlage entsprechender Transferleistungsbelege in der Schule nachzuweisen gewesen. Anstatt »Mama, wo ist mein bauchnabelfreies Top?« hätte es morgens halb acht »Mama, wo ist der Stützebescheid?« heißen sollen. In diesem von Senator Klaus Böger (SPD) erdachten Szenario schließen Bildungs- und Realitätsferne ein inniges Bündnis – und Bündnis ist doch eigentlich immer gut: Möglicherweise erweist sich die Abschaffung der Lehrmittelfreiheit ja als undurchführbar, gekippt von unordentlichen Eltern und unausgeschlafenen Schülern. Dann müssten auch nicht die Lehrer erst mit den säumigen Eltern reden, bevor sie als nächstes die Namen dem Bezirk melden, der daraufhin die Eltern schriftlich mahnt, bevor er schließlich das Zwangsgeld verhängt.

Doch gewiss liegt eine tiefere Erniedrigungsabsicht darin, Kinder mit Armutsnachweisen um ihre Schulbücher betteln zu lassen. Wenn eins von diesen Kindern demnächst bei Unterrichtsbeginn eine Knarre in Anschlag bringt, wird das Erstaunen der Experten groß sein. Für »amerikanische Verhältnisse«, über die deutsche Pädagogen sich gern so herablassend äußern, liefern sie noch immer selber Kugeln und Kegel.

ambros waibel